Der Deutsche Buchpreis bietet jedes Jahr Stoff für Diskussionen. Das ist natürlich systemimmanent, denn was wäre das für eine langweilige Welt, wenn 80 Mio Deutsche die selben Bücher gut fänden? Und die Diskussionen über die Listen sind ja auch gewollt, damit mal wieder mehr über Bücher gesprochen wird (ob das allerdings überhaupt einer der nicht ohnehin interessierten mitbekommt, bezweifle ich noch, solange es nicht solche Wellen schlägt wie beim Bremer Literaturpreis 1960).
Aber auch in diesem Jahr ist die Kritik mal wieder viel allgemeiner. Marlene Streeruwitz, deren Roman auf der Longlist des Buchpreises steht, kritisiert eine Art Kartell der alten, weißen Männer und kritisiert in der Welt den deutlichen Herrenüberhang auf der Longlist und analog dazu, daß selbst die Frauen als "Autoren" bezeichnet werden. Michael Ziegelwagner, ebenfalls Autor eines Longlist-Romans, fordert in seinem wohl nicht ganz ernst gemeinten "Aufruf zum Schwänzen des Buchpreises" mehr Verteilungsgerechtigkeit beim Preisgeld und erklärt, daß nach momentaner Regelung "ein Roman zehnmal so viel wert ist wie ein anderer". Sein Vorschlag: Das Geld gleichmäßig durch zwanzig teilen. Wieso nur durch zwanzig, obwohl er doch zuvor die Jury-Entscheidung selbst angezweifelt hat, läßt er ebenso offen wie die Frage, ob er denn bei Prämierung mit den anderen teilen würde. Die ehemalige Gewinnerin Kathrin Schmidt erzählt in der WELT, wie sie es schaffte, den plötzlichen Reichtum schnell wieder loszuwerden.
So unterschiedlich diese Meinungen auf den ersten Blick sind, so eindeutig ist doch die Kritik am Deutschen Buchpreis (und das nicht erst in diesem Jahr): Er ist ein reiner Marketing-Preis, und alle Bücher, die es nicht auf die Longlist geschafft haben, werden vom Leser gar nicht mehr beachtet.
Mir stellen sich dabei zwei Fragen:
Erstens: Ist es wirklich schlimm, wenn für einen sehr überschaubaren Zeitraum statt der üblichen Krimis, historischen Frauenromane und Chicklit mal zwanzig Bücher ausliegen, die sonst in der Ecke für Gymnasiallehrer versteckt werden?
Zweitens: Funktioniert das mit dem Vermarkten überhaupt? Auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste steht kein einziges der Longlist-Bücher, obwohl die Liste nun lange genug raus ist, daß jeder Buchladen ein entsprechendes Tischchen vorbereitet haben müßte. Statt dessen finden sich zwei, die in so manchen Artikeln als auf der Longlist vermisste aufgezählt wurden: Robert Seethaler / Ein ganzes Leben und Judth Hermann / Aller Liebe Anfang, beide finden sich in den Top-Ten, obwohl sie doch laut Kritik von den Longlisttiteln längst verdrängt sein müßten?
Mir persönlich ist ein Deutscher Buchpreis mit Longlist, ausgewählt von einer unbestechlichen Jury, allemal lieber als Aktionen wie "Buch des Monats", die von Verlagen eingekauft werden. Ich kann daher die Kritik am Marketing-Konzept des Buchpreises nicht ganz nachvollziehen. Wie sieht es bei Euch aus?