Der Ernst des Lebens macht auch keinen Spaß - Christoph Wortberg [ab 14 Jahre]

  • Der Ernst des Lebens macht auch keinen Spaß


    Christoph Wortberg
    Beltz & Gelberg
    ISBN 978-3-407-81158-5


    EUR 12,95
    1. Auflage 2014. 192 Seiten.
    Klappenbroschur.
    Ab 14 Jahre


    Zum Autor (Angaben des Verlags)
    Christoph Wortberg wurde 1963 in Köln geboren. Er studierte Germanistik, Philosophie und Geschichte. Nach einer Ausbildung zum Schauspieler und einem Gaststudium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München arbeitete er als Regieassistent und übernahm diverse Rollen bei Theater- und TV-Produktionen. Er schreibt Drehbücher (u.a. „Doppelter Einsatz“, „Der letzte Zeuge“, „Soko Köln“) und lebt als freier Autor in Köln. Bei Gulliver erschienen bereits die Romane "Easy" und "Dieser eine Moment".



    Inhalt
    Was ist ein Held?
    Mit dieser Frage und Leonards Antwort darauf, beginnt dieser Roman.
    Im blitzblanken Familienvolvo fährt der sechzehnjährige Leonard, von allen nur Lenny genannt, mit seinen Eltern zum „angekündigten Tod“ seines älteren Bruders Jakob. An lebenserhaltende Maschinen angeschlossen, liegt Jakob nach einem Unfall im Krankenhaus. Die Ärzte haben den Hirntod festgestellt und die Maschinen sollen heute abgestellt werden.
    In den Tagen nach Jakobs Tod versucht Lenny herauszufinden, was wirklich mit ihm geschehen ist. Er entdeckt, dass der geliebte und bewunderte große Bruder völlig unbekannte Seiten hatte. Der Liebling der Eltern, Überflieger in der Schule und begabte Sportler, war nicht der unbeschwerte junge Mann, als den ihn alle kannten.
    Die Eltern sind Lenny auch keine Hilfe, vielmehr versinken sie in stummer Trauer und im fragwürdigen Trost von Alkohol und Medikamenten. Die Gräben, die sie schon lange trennen, werden nur noch tiefer.


    Meine Meinung
    Leonard, genannt Lenny ist der Erzähler dieses Romans. Mit scharfem Blick und unbeirrbar macht er sich auf die Suche nach einer Wahrheit, die seine Eltern nicht wissen wollen. Nach dem Bruder, den er nicht kannte. Nach der Frage, wer er, der so lange im Schatten des Bruders gestanden hat, eigentlich ist. Dem Sinn des Lebens, seines Lebens.
    Glaubwürdig und nachvollziehbar durchläuft Lenny den Prozess von Trauer, Wut und Hilflosigkeit. Die Sprache ist schnörkellos, fast nüchtern und macht dadurch Lennys Gefühle nur umso klarer und deutlicher. Er lässt sich nicht mehr hinter eine Fassade von Sprachlosigkeit und Schweigen zwingen und zeigt, dass er auch unerwartete und schmerzliche Antworten ertragen kann.
    Ein ganz starkes, bewegendes Buch. Einige Szenen haben mich sprachlos gemacht, manche habe ich mehrmals gelesen, so sehr haben sie mich berührt.
    Es ist nicht nur für Jugendliche ab 14 Jahre, sondern auch für Erwachsene ein lohnendes Buch.
    Für mich als erwachsene Leserin, gibt es einen Handlungsstrang, den ich unglaubwürdig finde, nämlich Lennys Umgang mit seiner medikamentenabhängigen Mutter. Sich mitten in einer so krisenhaften Situation auch noch um die Probleme seiner Mutter zu kümmern und das anzuleiern, was eigentlich Aufgabe des Vaters gewesen wäre, das war mir ein Stück zu viel. Der Autor hätte das gut weglassen können, ohne an der Aussage des Buches etwas zu verändern.

  • Hallo Rumpelstilzchen,


    du schreibst: " Für mich als erwachsene Leserin, gibt es einen Handlungsstrang, den ich unglaubwürdig finde, nämlich Lennys Umgang mit seiner medikamentenabhängigen Mutter. Sich mitten in einer so krisenhaften Situation auch noch um die Probleme seiner Mutter zu kümmern und das anzuleiern, was eigentlich Aufgabe des Vaters gewesen wäre, das war mir ein Stück zu viel. "


    ... Das Buch habe ich zwar (noch) nicht gelesen, habe jedoch als Sozialarbeiterin oft mit Kindern von suchtkranken Eltern gearbeitet. Die Entscheidung, ihnen zu "helfen", ist bei ihren Kindern sehr weit verbreitet: Eine Art Schutz- oder Verdrängungsmechanismus. Vielleicht wollte der Autor hier so realitätsnah wie möglich bleiben.


    Dies nur nebenbei. Die Rezi klingt spannend, ein guter Grund, auch mal wieder eine coming-of-age-story zu lesen.
    Danke dafür!

  • Die Rollenumkehr, wenn Jugendliche mit kranken, depressiven, süchtigen Eltern sich wie Erwachsene verhalten, weil sie ihre Eltern als hilfsbedürftig wahrnehmen, ist ein für dieses Eltern-Kind-Verhältnis sehr verbreitetes Verhalten. Als Lehrer, Betreuer oder Therapeut muss man diesen Jugendlichen erst wieder beibringen, ihre altersentsprechenden Bedürfnisse wahrzunehmen und dass sie sie haben dürfen.

  • Dieses Verhalten will ich auch überhaupt nicht in Frage stellen. Nur in diesem Buch finde ich es einfach ein Thema zu viel in einer mehr als schwierigen Situation für den Jugendlichen.


    Ich fände es sehr spannend, von anderen Leserinnen zu erfahren, wie sie das empfunden haben.


    Das Buch ist übrigens ein Wanderbuch und will bestimmt noch gerne weiter auf Wanderschaft gehen!

  • So, jetzt habe ich das Buch auch durch; an sich ist es ja schnell gelesen, mehr als einen Nachmittag braucht man nicht dafür.


    Mir hat das Buch gut gefallen. Die Geschichte von Lenny, dem "zweigeborenen Sohn", der immer im Schatten seines strahlenden großen Bruders stand. Jetzt ist dieser Bruder plötzlich weg, ums Leben gekommen bei einem einem Bergunfall. Und plötzlich ist Lenny der einzige Sohn, wird auf einmal wahrgenommen von den Eltern, wenn auch nicht so, wie er es in der momentanen Situation bräuchte.
    Auch ist Lenny der einzige in der Familie, der sich nicht in seiner Trauer vergräbt, sondern der anfängt Fragen zu stellen: über seinen Bruder, über den Unfall, der möglicherweise gar keiner war, und über das Leben an sich, ob und wie es weitergehen kann. Im Zuge seiner Nachforschungen lernt Lenny Rosa kennen, die genauso alt ist wie er und in die er sich fast sofort verliebt. Aber Rosa kannte auch Jakob, den großen Bruder, und sie kannte ihn wie keiner sonst...


    Mich hat die Geschichte von Lenny sehr berührt, auch wenn ich seine Gedankengänge oft als sehr erwachsen empfunden habe. Seine Geschichte ist sehr einfühlsam geschrieben und bei manchen Szenen war ich den Tränen nahe. Lennys Umgangsweise mit seiner Mutter war für mich nicht unrealistisch oder überflüssig, sondern eher eine logische Konsequenz aus dem Verhalten seines Vaters.
    Nur mit dem Ende bin ich nicht ganz so glücklich, das fand ich ein bisschen kitschig (und habe es in Variationen schon zu oft gelesen...)


    Das Buch ist wirklich nicht nur etwas für Jugendliche, sondern kann auch gut von Erwachsenen gelesen werden. Ich gebe 8 Eulenpunkte! :-)


    LG, Bella

  • Ich habe dieses Buch ebenfalls heute an einem Nachmittag durchgelesen.
    Es ist definitiv nicht nur für Jugendliche geeignet, sondern sehr wohl auch etwas für Erwachsene.
    Allerdings fand auch ich die Geschichte mit den gegrillten Tabletten einen Hauch too much und die Schlussszene irgendwie unbefriedigend.
    Lange wusste ich nicht, worauf das Ganze hinauslaufen sollte.
    Ich war einige Male den Tränen nahe und auf S. 28 kullerten sie dann.
    Gefallen hat mir, dass viele Probleme mE altersgerecht angerissen wurden.
    Weniger gut gefiel mir, dass ich keine richtigen Lösungsansätze habe entdecken können. aber vielleicht sollte das so sein oder vielleicht gibt es ja auch gar keine.
    Auf jeden Fall ein Buch, welches zum Nachdenken anregt.
    Danke, dass ich mitlesen durfte!
    7 von 10 möglichen Eulenpunkte
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)