Peter Berling/Franziskus oder Das zweite Memorandum

  • Klappentext (Amazon)
    Giovanni Bernardone wurde 1181 als Sohn einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie in Assisi geboren. Nach einer schweren Krankheit, die ihn an den Rand des Todes brachte, wandte er sich vom weltlichen Leben ab, pflegte die Aussätzigen seiner Vaterstadt und führte ein Bettlerleben. Als Franziskus von Assisi und Ordensgründer wurde er 1228, zwei Jahre nach seinem Tod, heiliggesprochen.


    Dem Autor ist im Wechselspiel zwischen dem Heiligen und seinem Bischof Guido II. von Assisi ( 1204-1228 ) eine lebendige Darstellung des Hohen Mittelalters gelungen, dessen Bogen sich von den Ketzerbewegungen bis zu den Kreuzzügen, von praller Lebenslust zu inbrünstigem Glauben und fanatischer Askese spannt.


    Über den Autor (zusammengefaßt aus dem Buch)
    Peter Berling wurde geboren am 20. März 1934 in Meseritz-Obrawalde. Neben verschiedenen anderen Berufen war und ist er Filmproduzent, Schauspieler und schließlich Schriftsteller. Hauptwerk: "Die Kinder des Gral"-Pentalogie, zu der das vorliegende Buch eine Art Vorläufer ist.
    Unter anderem hat er auch eine Biographie über Fassbinder verfaßt ("Die 13 Jahre des Rainer Werner Fassbinder"), mit dem er jahrelang eng zusammengearbeitet hat und befreundet war.


    Meine Meinung:
    Das Buch ist ein Tagebuch- und Briefroman, gebildet aus den "geheimen Aufzeichungen" des Bischofs Guido II von Assissi und Briefen, die dieser von verschiedenen Leuten erhält.
    Darin wird das Leben des Heiligen Franziskus rekonstruiert und romanhaft erzählt, angefangen von seinem weltlichen Vorleben bis zur Heiligsprechung, gleichzeitig aber auch das Leben Guidos, die Albigenserkreuzzüge und noch viel mehr.
    Ein Anhang liefert einen guten Überblick über die geschichtlichen Hintergründe.


    Besonders reizvoll ist die Entstehungsgeschichte des Buches, da Berling im Film "Franziskus" von Liliana Cavani aus dem Jahr 1989 die Rolle des Bischofs Guido II gespielt hat (weshalb es ihm wohl so leicht fällt, sich mit ihm zu identifizieren) und danach aufgefordert wurde, so etwas wie einen "Roman zum Film" zu verfassen. Doch Berling hat sehr viel mehr daraus gemacht und hier neben Franziskus' Geschichte bereits die Grundsteine für sein literarisches Hauptwerk gelegt. Dennoch finden sich in diesem Roman Elemente und teilweise auch Dialoge aus dem Drehbuch wieder, was es für mich besonders nett macht, da ich den Film (mit Mickey Rourke :wow in der Titelrolle, und ich fand ihn überzeugend) schon sehr mochte, lange ehe ich Berling- und Mittelalter-Junkie wurde.


    Franziskus ist für mich in diesem Buch (Film) kein Heiliger, sondern ein guter Mensch, der heilig gesprochen wurde. Doch wird auch nicht verschwiegen, daß er zB seinem Vater großes Leid durch seinen neuen Lebenswandel angetan hat.
    Das ist einer der vielen Gründe, warum ich das Buch so mag.

  • So, habe den "Franziskus" nun zweimal hintereinander gelesen. Ist ne gute Erfahrung das Einsteigerwerk zu den Grals-Romanen als letztes zu lesen. Jedenfalls war ich erstaunt was so alles an Informationen zu den vielen wichtigen Personen der späteren Berling-Werke zu erfahren war.


    Die nähere Geschichte des Chevaliers und seines Sohnes Raoul/Crean, Laurence Rolle im "Nonnenstift" zu Rom, Roald of Wendowers perfides Intrigenspiel von dem man in "Die Ketzerin" nur die Fassade mitbekommen hat oder Sigbert von Öxfeld und der Kinderkreuzzug.


    Im Zentrum aber steht die (zumeist fiktive) Geschichte des (realen) Bischofs Guido II. von Assisi und seines Verhältnises zu dem heiligen Franzikus, dem er durch ein wohlwollendes Entgegenkommen erst sein Heiligendasein ermöglicht und dadurch in die harten politischen Ränkespiele der Kurie hineingezogen wird.
    Wie auch in seinen anderen Romanen gelingt es hier Berling durch eine detailreiche Charakterzeichnung seinen Protagonisten Leben einzuhauchen. Wobei der dicke Bischof hier deutlich einige Parallelen zu William von Roebruck aufweist. Sein genußorientiertes faules Leben gepaart mit einem unnatürlichen Verlangen zu seiner Halbschwester, dazu noch eine Priese Zynismus. Der Kerl ist einfach symphatisch. :grin


    Wunderbar aber war auch die Darstellung von Franziskus Wirken und die Ereignisse der sich um ihn entstehende Bruderschaft der Minoriten. Eigentlich war dies der Grund warum ich mich so lange nicht an "Franziskus" herangetraut habe weil Kirchengeschichte nicht gerade mein Gebiet ist, aber Berling hat das sehr gut und verständlich hinbekommen. Der personenreiche Anhang (der bei Berling üblich ist) hatte mich wohl doch zu sehr und grundlos abgeschreckt.


    Weiterhin sind hier erwähnt die vielen historischen Anmerkungen gepaart mit humorvollen Annekdoten die hier Berling zum besten gibt. Z.B. der arme alte König Jean de Brienne der schon mal seine Königin tot prügelt und von seinem Schwiegersohn (Kaiser Friedrich II.) mit einem Arschtritt in die Wüste geschickt wird. :lache


    Fazit: "Franziskus und das zweite Memorandum" ist wie jeder andere Berling ein Hochgenuss der historischen Unterhaltung und wenn man bedenkt das auf diesem Werk das gesamte berlingsche Universum aufbaut kann man es getrost schon ein Meisterwerk nennen. (Oh je, ich bin immer noch im Rausch)