Still - Zoran Drvenkar

  • Kurzbeschreibung (gem. Amazon)
    Wenn die Seen schweigen, kommt der stille Tod. Ein Mann, der seine Tochter sucht und dabei seine Identität verliert. Ein Mädchen, das seit sechs Jahren reglos aus dem Fenster schaut und darauf wartet, dass ihr jemand den Schlüssel zu ihrer Erinnerung bringt. Vier Männer und eine Mission, die aus Hunger und Disziplin besteht und keine Opfer scheut. Ein Winter in Deutschland, ein See im Wald und Schatten, die sich unter dem Eis bewegen. Der neue, große Thriller des SPIEGEL-Bestseller-Autors Zoran Drvenkar.


    über den Autor (gem. Amazon)
    Zoran Drvenkar wurde in Kroatien geboren und zog im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Berlin. Seine Thriller »Sorry« und »Du« wurden in in 14 Sprachen übersetzt, 2010 wurde »Sorry« mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnet. Er ist auch der Autor vielfach ausgezeichneter Kinder- und Jugendbücher, unter anderem schrieb er unter Pseudonym die Bestsellerreihe »Die Kurzhosengang«.


    Zoran Drvenkar lebt in der Nähe von Berlin in einer alten Kornmühle.


    meine Meinung
    In Berlin und Umgebung verschwinden immer wieder Kinder. Immer im Winter. Und sie kehren nie zurück. Bis auf eine: Lucia. Wo war sie? Was ist passiert? Das alles will die Welt erfahren, doch Lucia schweigt für lange Zeit.
    Mika Stellar sucht Anschluß bei 4 Männern, die eine besondere Vorliebe für Kinder haben. Doch sein Ziel sind nicht die Opfer, sondern die Täter.


    "Still" war mein erster Thriller von Zoran Drvenkar, obwohl ich dem Namen des Autors schon öfters begegnet bin. Sein neustes Werk hinterlässt mich erschüttert, berührt und begeistert.


    Vorab sei direkt eine Warnung beziehungsweise ein Hinweis ausgesprochen: wer Bücher meidet, in denen Verbrechen an Kindern begangen werden, sollte um "Still" einen großen Bogen machen. Zwar geht der Autor nicht in die Details, überlässt dafür aber sehr viel der Fantasie seiner Leser.


    Der Thriller wird aus 3 Perspektiven erzählt: einmal aus der Erzählerperspektive, bei der man einer Gruppe von Männern folgt, zum Zweiten wird der Leser direkt angesprochen und erlebt somit das Schicksal von Lucia hautnah mit und zum Dritten kommt Mika Stellar selbst zu Wort. Diese 3 Perspektiven machen das Werk so außergewöhnlich und so erschütternd. Denn das Schicksal von Lucia ist kein leichtes und wenn man dann noch direkt als Leser angesprochen wird, kann man gar nicht anders, als sich dem Sog zu ergeben.


    Die Geschichte ist spannend und mitreißend erzählt. Dabei wird Zoran Dvrenkar aber keinesfalls reißerisch oder blutrünstig. Im Gegenteil: er berichtet im ruhigen, fast sachlichen Ton und lässt dadurch die Verbrechen, die im Raum stehen, noch brutaler wirken. Und man bekommt einen Einblick in die Denkweise der Täter, kann ihre Herangehensweise nachvollziehen und ekelt sich schon bald vor sich selbst, weil man den Gedanken so gut folgen kann.. Hier hat der Autor ganze Arbeit geleistet. Der Thriller selbst und der Aufbau sind so gut, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte. Allerdings musste ich so manches Mal tief durchatmen. Das schaffen nur wenige Autoren bei mir.


    Fazit: ein brillianter Thriller, der mich überzeugt hat. Wer mit dem Grundthema klar kommt, sollte unbedingt zugreifen.

  • Jedesmal, wenn ich ein Buch von Zoran Drvenkar lese, denke ich: der kann doch unmöglich noch besser werden. Und jedesmal entdecke ich: doch, er kann! Dieses Buch hat mich erneut völlig sprachlos zurückgelassen. Man muss sich beinahe schämen, dass man solche Themen "gut findet". Dies verdankt sich vor allem der unerreichten Fähigkeit Drvenkars, das Grauen in einer klirrend-kalten Schönheit zu schildern. Und auch noch spannend zu sein.


    Zuerst war ich fast ein wenig enttäuscht, denn den hauptsächlichen "Kniff" seiner Schreibweise hat er schon öfter angewendet: die Aufteilung der Erzählstränge in "Sie", "Du" und "Ich". Allerdings hat er sich eine so ausgefuchste Grundidee für die Handlung ausgesucht, dass es mir den Atem verschlagen hat: ein verzweifelter Vater eines verschwundenen Mädchens wechselt die Identität, und schleust sich freiwillig (!) in einen Ring von Pädophilen ein...


    Das Buch lebt für mich, wie gesagt, einesteils von seiner Sprache, die nüchtern, klar, kalt, aber eben auch faszinierend ist. Andererseits ist es die wirklich nervenzerfetzende Spannung, die den Leser voran treibt. Wer wird wem auf die Schliche kommen? Wer führt hier eigentlich wen hinters Licht? Wer ist Täter, wer Opfer? All dies ist für mich auch nach Beendigung der Lektüre keineswegs geklärt, und gerade das finde ich ausgesprochen genial!


    Im Grunde kann man dieses Buch nicht nacherzählen. Daher nur so viel: nichts, aber auch wirklich gar nichts, wird am Ende so sein, wie man zu Beginn des Buches dachte. Das Buch geht im Kopf weiter! Jeder der Protagonisten meint für sich, es sei so und so gewesen. Aber Pustekuchen... wir Leser wissen es besser...


    Ein Grundthema ist hier, wie immer, die Rechtfertigung von Gewalt. Ein anderes die Aufarbeitung seelischer Traumata. Wie weit sind Eltern bereit, zu gehen? Das Buch bietet nicht zuletzt viele Ansätze zur Selbstbefragung für den Leser.


    Ich würde nur eine einzige Einschränkung machen: das ist absolut nichts für Leser mit schwachen Nerven. Das Buch ist zwar nicht eigentlich blutrünstig, aber moralisch sehr, sehr fragwürdig. Und es geht um Kinder. Wer damit nicht zurechtkommt, lasse lieber die Finger davon. Ansonsten gibt es für mich die deutlichste Lese-Empfehlung, die ich nur aussprechen kann. Drvenkar gehört für mich zu den sehr wenigen deutschsprachigen Thriller-Autoren von wirklichem Weltrang.

  • Zoran Drvenkar über Still:
    "Dieser Roman lauerte schon seit einer Weile in meiner Seele. Er ist fruchtbar dunkel, er hat eine Menge fieser Winkel und Ecken, mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen. Still entstand in einem Guß und das war die beste Art, denn sonst hätte er mich in die Knie gewzungen. Schaut euch die Leseprobe an, die ersten Kapitel sagen alles an - drei Pespektiven, drei Welten, eine Kollision. Da mir das Buch noch sehr nahe ist, und ich am zweiten Teil des Engel sitze, kann ich hier nicht mehr sagen. Ich lade euch einfach zu der Geschichte ein und hoffe wie immer, daß ihr mir die Dunkelheit verzeiht. Sie macht Sinn, was manchmal schlimmer ist, als wenn sie keinen Sinn macht."
    (www.drvenkar.de/buecher/belletristik/)


    Verlagsinfo zum Buch
    Ein Mann, der seine Tochter sucht und dabei seine Identität verliert. Ein Mädchen, das seit sechs Jahren reglos aus dem Fenster schaut und darauf wartet, dass ihr jemand den Schlüssel zu ihrer Erinnerung bringt. Vier Männer und eine Mission, die aus Hunger und Disziplin besteht und keine Opfer scheut. Ein Winter in Deutschland, ein See im Wald und Schatten, die sich unter dem Eis bewegen.


    Meine Meinung
    Schon in früheren Romanen (Du, Sorry) hat Zoran Drvenkar mit ungewöhlichen Figurenperspektiven gearbeitet, und so überrascht es nicht, dass auch in diesem Roman wieder ein Handlungsstrang in "Du"-Sicht erzählt wird. Und wieder erweist sich Drvenkar als außerordentlich geschickt nicht nur in der Wahl der Perspektiven, sondern auch in der Kombination und Abfolge der Handlungsstränge: erst nach und nach wird dem Leser klar, was hier geschieht, und welche tragische Vorgeschichte dahinter steht. Dass der Leser am Ende mehr weiß als der Protagonist, schafft eine besondere Tragik.


    Das Thema Kindesmißbrauch und Kindermord ist an sich schon ein schwerwiegendes, Drvenkar geht jedoch angemessen damit um: die geschilderten Grausamkeiten schwingen oft mehr zwischen den Zeilen mit, als dass sie explizit ausformuliert werden. Das, was tatsächlich szenisch ausgearbeitet ist, dient der Geschichte. Die Darstellung von Gewalt verkommt hier weder zum Selbstzweck noch zum billigen Showeffekt. Selten kommt man als Leser in den Genuss einen Roman zu lesen, dessen formale Struktur so perfekt zur erzählten Geschichte passt - ein Thriller der Meisterklasse. 10 von 10 Eulenpunkte.

  • Zoran Drvenkars neuer Thriller hat mich leider nicht bis zum Schluss überzeugt. Natürlich steht sein Werk immer noch meilenweit über dem sonstigen deutschsprachigen Thriller-Niveau. Mein Problem ist aber nicht etwa ein sprachliches, konzeptionelles oder logisches. Hier ist wie immer alles bis ins Feinste ausgearbeitet. Die Sprache ist zugleich nüchtern und gewaltig. Die wechselnden Perspektiven (Die "Du"-Perspektive kennen wir schon aus vergangenen Werken, neu war jetzt allerdings die Plural-Sie.-Perspektive) machen das Geschehen abwechslungsreich und bieten dem Leser eine ganz ungewöhnliche Sicht auf das Geschehen, und zwar eine aus verschiedenen Blickwinkeln, ja man könnte auch sagen aus unterschiedlichen Dimensionen oder Gedanken-Universen. Das alles passt und hat Hand und Fuß.


    Mein Problem mit "Still" ist ein inhaltliches. Ohne zu spoilern, kann ich das an dieser Stelle leider nicht näher ausführen. Am Ende ließ die Konstruktion des Story-Finales ein etwas fades Gefühl in mir zurück. Ist Drvenkar hier etwa durch Verwendung einer populären Thematik aus einem ganz anderen Genre als Trittbrettfahrer gereist? Diese Einschränkung lässt es mich dieses Mal bei 9 Punkten bewenden.