Cecilie Enger: Die Geschenke meiner Mutter

  • Cecilie Enger: Die Geschenke meiner Mutter
    Deutsche Verlags-Anstalt 2014. 272 Seiten
    ISBN-13: 978-3421046529. 18,99€
    Originaltitel: MORS GAVER
    Übersetzerin: Gabriele Haefs


    Verlagstext
    Autobiografisch gefärbter Roman – eine Tochter über die Vergänglichkeit, die Kraft der Familie und die Liebe zu ihrer Mutter
    Schon lange fürchtete Cecilie sich vor diesem Tag: ihre an Alzheimer erkrankte Mutter kommt nicht mehr allein zurecht und muss ins Pflegeheim. Beim Ausräumen des Elternhauses findet die Tochter in einer Schublade ein Bündel Zettel, auf denen die Mutter über vierzig Jahre gewissenhaft alle Weihnachtsgeschenke notiert hat, die in der Familie ausgetauscht wurden. An diese umsichtig ausgewählten Gaben sind Cecilies Erinnerungen an geliebte Menschen geknüpft, deren Leben aus der Vergangenheit auftauchen – und so erzählt der Roman die wechselvolle Geschichte einer bürgerlichen Familie über ein Jahrhundert. Ein selten schönes, Trost spendendes Buch über die Vergänglichkeit, über die Liebe einer Tochter zu ihrer Mutter, die Kraft der Familie und über die Freude, die Schenken bereitet.


    Die Autorin
    Cecilie Enger, Jahrgang 1963, studierte Geschichte, Norwegisch und Journalismus und arbeitet als Journalistin bei einer der führenden norwegischen Zeitungen. 1994 legte sie ihr Romandebüt vor, das mit dem Nota-Bene-Buchpreis ausgezeichnet wurde. 2000 war sie für den Brage-Preis nominiert, 2008 erhielt sie den Amalie-Skram-Preis. "Die Geschenke meiner Mutter" ist ihr siebtes Buch, wurde für den Kritikerpreis nominiert, mit dem Buchhändler-Preis ausgezeichnet und war ein Bestseller in Norwegen.


    Inhalt
    Cecilie Engers Mutter ist an Altersdemenz erkrankt und kann nicht mehr allein in ihrem Haus leben. Die Auflösung des Haushalts konfrontiert die Tochter mit Erinnerungsstücken ihrer Kindheit. Dinge, die ein Leben lang ihren Dienst taten, sind auf einmal nur noch Müll, wenn keines der Kinder Platz dafür hat. Erwachsenen Kindern fällt der endgültige Abschied vom Elternhaus erfahrungsgemäß sehr schwer; sie hatten erwartet, dass dort alles so bleibt wie es ihnen aus ihrer Kindheit vertraut ist. Ruth hat gegen das völlige Versagen ihres Kurzzeitgedächtnisses mit Erinnerungszetteln und Listen zu kämpfen versucht. Viele der notierten Termine existierten nur im Kopf der Kranken. Sie hinterlässt aus gesunden Zeiten eine penibel geführte Liste, welche Geschenke ihre Familie zu Weihnachten vergeben und erhalten hat. Ruths Geschenkeliste muss es in der Familie Enger genauso gegeben haben; sie ist auf dem Vorsatzblatt des Buches abgedruckt.


    Diese Liste führt Cecilie wie eine Familienchronik zurück zu den Weihnachtsfesten ihrer Kindheit und zu Verwandten, die schon nicht mehr leben. Die Großeltern mütterlicherseits waren beide kulturell interessiert. Cecilies Großvater arbeitete als Theaterkritiker und schrieb für eine kommunistische Zeitung; seine Frau hatte als Bildhauerin und Malerin ein eigenes Atelier. Als ihre Tochter Ruth einen Ingenieur heiratet, der in den USA studiert hatte, sah der Großvater etwas hochnäsig auf seinen technisch begabten Schwiegersohn herab. Beide Großeltern wurden von ihren Enkeln wie Gottheiten verehrt. Die unverheiratete Großtante Kaja sprach schon mit der fünfjährigen Cecilie über Glück und hinterließ ihr ein Buch mit selbstverfassten Gedichten, deren Wert das kleine Mädchen erst viel später schätzen sollte. Ein Großonkel suchte sein Glück in Amerika; wie Kaja hatte er in der Familie eine Rolle, die vielen Familien vertraut sein wird. Die Geschenke, die mit viel Liebe angefertigt und ausgesucht wurden, sind nicht nur Gegenstände, sie sprechen eine deutliche Sprache über das Netz gegenseitiger Verpflichtungen zwischen Schenkendem und Beschenktem. Für die demente Ruth sind Dinge jedoch längst nicht mehr mit Erinnerungen verknüpft, sie verängstigen sie, weil sie nicht mehr weiß, was sie bedeuten.


    Fazit
    Der Weg zurück in ihre Kindheit erinnert Cecilie daran, dass ihre Mutter ein ungewöhnliches, erfülltes Leben geführt hat. Ruth konnte sich derart über die Ungerechtigkeiten in aller Welt aufregen, dass in der Familie diskussionsfreie Zonen eingerichtet werden mussten, damit sie wieder zurück auf den Teppich kommen konnte. Auch wenn die Tochter ihre Mutter nun nichts mehr über die Vergangenheit fragen kann, versöhnt der Rückblick sie mit dem Schicksal ihrer Mutter. Neben der versöhnlichen Wirkung, die Cecilie Engers biografischer Roman auf seine Leser ausübt, schärft er auch die Wahrnehmung erster Anzeichen der Krankheit, die Betroffene und ihre Angehörigen im frühen Stadium meist noch nicht wahrnehmen.


    10 von 10 Punkten