Selbstpubliziertes über den Buchhandel beziehen - Eure Erfahrungen?

  • Ich frag mich, warum überhaupt jemand (80-jährge Ömchens ohne Internetanschluss ausgenommen) in eine Buchhandlung latscht, um ein selbstverlegtes Buch zu bestellen, das problemlos über Amazon zu beziehen ist.


    Persönlich brauche ich überhaupt keine Buchhandlung, die mir was bestellt. Ich habe vor Jahren nach vielen schlechten Erfahrungen aufgegeben, in einer Buchhandlung englische Bücher zu bestellen. Bis ich da den Titel buchstabiert habe, sichergestellt habe, dass ich auch die Ausgabe bekomme, die ich möchte und nicht irgendeine (trotz Angabe der ISBN), mir das Augenrollen angeguckt habe, weil ich was Englisches bestellen will und nicht einfach was von DroemerKnaur, und drei Wochen gewartet habe und dann hingelatscht und mich noch mal in die Abholschlange gestellt habe, um dann doch die falsche Ausgabe zu bekommen, und auch noch erheblich teurer als bei Amazon, und dann gern auch noch verknickt, hab ich das gewünschte Buch drei Mal bei Amazon bestellt.


    Insofern brauche ich auch keine Buchhandlung für selbstverlegte Bücher, die über Amazon zu beziehen sind. Oder anderswo auffindbar ist, z.B. über "findmybook". Und wenn der Buchhändler das Buch nur beziehen kann, indem er die Adresse des Selbstverlegers googelt und diesen anschreibt, dann kann ich das auch gleich selbst machen.

  • Zitat

    Original von Delphin
    Ich frag mich, warum überhaupt jemand (80-jährge Ömchens ohne Internetanschluss ausgenommen) in eine Buchhandlung latscht, um ein selbstverlegtes Buch zu bestellen, das problemlos über Amazon zu beziehen ist.


    Ich tue das - trotz Internetanschluß - , weil ich Amazon nicht für das Schlaraffenland halte, als das es häufig dargestellt wird, sondern für ein Unternehmen, das alles daran setzt, Monopolist zu werden und dafür auch gerne mal ein paar Bonbons verteilt. Die dicke Rechnung werden sie uns in einigen Jahren präsentieren, sofern es mit der Monopolstellung bis dahin gelungen ist. Den Selfpubs aus dem offenen Brief wird es dann vermutlich ähnlich ergehen wie Bonnier, aber soweit reicht ihre Phantasie heute wohl noch nicht.

    Zitat

    Und wenn der Buchhändler das Buch nur beziehen kann, indem er die Adresse des Selbstverlegers googelt und diesen anschreibt, dann kann ich das auch gleich selbst machen.


    :write

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Es ist ein schöner Service, dass Buchhandlungen Bücher bestellen, die nicht vorrätig sind. Man hat persönlichen Kontakt, kann nebenher stöbern, und aus Sicht der Buchhandlung bindet es möglicherweise die Kunden. Gleichzeitig mindert er das Geschäft der allmächtig erscheinenden Onliner ein wenig, stärkt also möglicherweise den Präsenzbuchhandel allgemein. Aber dieser Effekt dürfte ziemlich gering ausfallen.


    Es scheint aber ein grundsätzliches Missverständnis dahingehend zu geben, was der stationäre Buchhandel eigentlich macht. Er ist keine Bibliothek, kein Archiv und auch kein Talentschuppen. Er befriedigt in erster Linie die übermächtig starke Nachfrage der Kundschaft nach aktuellen Titeln, einigen Backlist-Titeln und Klassikern. Der Sortimentsbuchhandel kann niemals auch nur annähernd die aktuell verfügbaren Bücher anbieten, und meistens nicht einmal alle aktuellen Neuerscheinungen. Das ist auch nicht seine Aufgabe. Nur sehr wenige Kunden gehen in Buchhandlungen, um ein spezielles Buch zu kaufen, es sei denn, es handelt sich eben um eine Aktualität. Die meisten Menschen gehen in Buchhandlungen, um sich inspirieren zu lassen, möglicherweise auch, um beraten zu werden, und relativ spontan Bücher zu kaufen, von deren Existenz sie vorher manchmal nicht wussten.


    Die Onliner demgegenüber bieten das gesamte verfügbare Sortiment an, auch den abseitigen Anteil, also das Geschreibsel der Hobbyautoren. Der Vorteil der großen Auswahl wird durch den Nachteil der Unübersichtlichkeit eingekauft. Dem versucht man zwar durch verschiedene Systematiken zu begegnen - vom Empfehlungssystem bis zu Kundenrezensionen -, aber das gelingt nicht immer gut.


    Als völlig absurd empfinde ich in diesem Zusammenhang die Forderung, der Buchhandel solle die Möglichkeit bieten, die Selfpublisher-Ergüsse, die in erster Linie über Amazon veröffentlicht werden, mindestens bestellbar zu halten. Amazons offensiv formuliertes Nahziel besteht darin, den Buchhandel zu beseitigen, und mit der enormen Unterstützung der Selfpublisher hat man außerdem das Verlagswesen im Auge. Von Buchhändlern also zu verlangen, jene Produkte anzubieten, die der erklärte Existenzfeind exklusiv produziert, käme in etwa der Forderung an die eigene Ehefrau gleich, ihre Kreditkarte für Puffbesuche zur Verfügung zu stellen.

  • Zitat

    Original von Tom
    Die meisten Menschen gehen in Buchhandlungen, um sich inspirieren zu lassen, möglicherweise auch, um beraten zu werden, und relativ spontan Bücher zu kaufen, von deren Existenz sie vorher manchmal nicht wussten.


    Früher bin ich auch in die Buchhandlung gegangen, um mich inspirieren zu lassen. Ich hätte stundenlang Bücher umdrehen stöbern und Klappentexte lesen können. Beratung war nie mein Ding, aber das mag anderen Leserinnen anders gehen.


    Heute finde ich einfach in der Buchhandlung nichts mehr und das Stöbern macht mir keinen Spaß. Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt spontan ein Buch in einer Buchhandlung gekauft habe. Bei Oxfam hab ich immer noch gerne gestöbert und auch mal was mitgenommen, was ich nicht speziell gesucht habe.


    In der normalen Buchhandlung gibt es die üblichen Tische mit dem üblichen Zeug. Die Cover sehen ähnlich aus, die Inhalte ähneln sich auch innerhalb der Tische, oder zumindest suggerieren die Klappentexte, dass es "so was ist wie...." Ich finde meine Bücher schon lange nicht mehr durch Stöbern in der Buchhandlung. Mich ziehen Buchhandlungen immer noch magisch, an, aber ich drehe dann eine Runde und gehe wieder raus. Was nicht heißen soll, dass mir der Lesestoff aus geht.


    Das hat aber im Grunde nichts mit Selbtverlegern zu tun, sondern eher damit, dass mir das Stöbern in der Buchhandlung keinen Spaß mehr macht, sie mir meinen Lesestoff nicht problemlos bestellt haben, als ich noch viele Papierbücher gekauft habe und ich inzwischen neue Bücher fast eh nur auf dem eBook-Reader lese.

  • Zitat

    Original von Tom
    Als völlig absurd empfinde ich in diesem Zusammenhang die Forderung, der Buchhandel solle die Möglichkeit bieten, die Selfpublisher-Ergüsse, die in erster Linie über Amazon veröffentlicht werden, mindestens bestellbar zu halten. Amazons offensiv formuliertes Nahziel besteht darin, den Buchhandel zu beseitigen, und mit der enormen Unterstützung der Selfpublisher hat man außerdem das Verlagswesen im Auge. Von Buchhändlern also zu verlangen, jene Produkte anzubieten, die der erklärte Existenzfeind exklusiv produziert, käme in etwa der Forderung an die eigene Ehefrau gleich, ihre Kreditkarte für Puffbesuche zur Verfügung zu stellen.


    Aber wenn die Buchhandlungen die Bücher der Selbstpublisher nicht bestellen wollen, weil diese als Feinde des Verlagswesens und der eigenen Existenz gesehen werden, dann haben die Selfpublisher doch Recht damit, dass sie draußen bleiben müssen. Und dann verkaufen sie ihre Bücher halt auf Amazon. :unverstanden

  • Zitat

    Und dann verkaufen sie ihre Bücher halt auf Amazon.


    Möglicherweise. Jedenfalls einige von ihnen. Und zu Tarifen, an denen der Buchhändler sowieso nichts mehr verdienen würde.


    Selfpublishing ähnelt, mit Verlaub, Youtube - das gilt vor allem für das Verhältnis zwischen jenen, die etwas Sehens-/Lesenswertes produzieren und all den anderen, die einfach irgendwas raustun, das vor allem sie selbst für sehens- oder lesenswert halten. Meistens stimmt das nur für eine sehr überschaubare Zielgruppe. Umgekehrt gibt es natürlich hier wie dort Leute, die exorbitante Erfolge einheimsen, aber das rechtfertigt keinesfalls, plötzlich all den anderen Müll aufzuwerten.


    Edit: Und Bücher sind das nicht, sondern einfach nur Texte. Ein Buch ist wesentlich mehr als nur ein schön gesetzter Text mit einem Umschlag drumherum.

  • Zitat

    Original von Delphin
    ...


    Aber wenn die Buchhandlungen die Bücher der Selbstpublisher nicht bestellen wollen, weil diese als Feinde des Verlagswesens und der eigenen Existenz gesehen werden, dann haben die Selfpublisher doch Recht damit, dass sie draußen bleiben müssen. Und dann verkaufen sie ihre Bücher halt auf Amazon. :unverstanden


    Es geht nicht allein ums Bestellen, das tun BuchhändlerInnen durchaus, wenn es möglich ist.
    Aber in diesem Offenen Brief wird gefordert, daß


    1. BuchhändlerInnen Kontaktadressen von SelbstverlegerInnen suchen sollen und dann dort direkt bestellen, wenn eine Kundin ein Buch von so jemandem haben möchte.


    2. Die Bücher von SelbstverlegerInnen im Laden auslegen.


    Beides 'grad so'. Zur Kulturförderung.
    Und beides auch nur, weil sich ganz viele Jemande in den Kopf gesetzt haben, daß sie von Stund an AutorInnen sind.


    Wobei ich hier mal deutlich sage, daß nicht alle SelbstverlegerInnen so grundeinfältig sind, wie dieser Brief glauben machen möchte.



    :wave



    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Tom
    Selfpublishing ähnelt, mit Verlaub, Youtube - das gilt vor allem für das Verhältnis zwischen jenen, die etwas Sehens-/Lesenswertes produzieren und all den anderen, die einfach irgendwas raustun, das vor allem sie selbst für sehens- oder lesenswert halten. Meistens stimmt das nur für eine sehr überschaubare Zielgruppe. Umgekehrt gibt es natürlich hier wie dort Leute, die exorbitante Erfolge einheimsen, aber das rechtfertigt keinesfalls, plötzlich all den anderen Müll aufzuwerten.


    Da stimme ich Dir zu. Ich fühle mich nur von den Verlagen auch zunehmend auf den Arm genommen. Ich wünschte, es würden mehr gute Geschichten erzählt, statt dieses Auftragszeug, das auf irgendwelchen Wellen mit schwimmt und die Zitronen, die immer weiter gequetscht werden nachdem sie schon lange keinen Saft mehr haben.


    Zitat

    Edit: Und Bücher sind das nicht, sondern einfach nur Texte. Ein Buch ist wesentlich mehr als nur ein schön gesetzter Text mit einem Umschlag drumherum.


    Naja, die Masse der Bücher, die ich kaufen würde, sind doch aber Taschenbücher, die in der Herstellung, ich weiß grad nicht wie viel, cents gekostet haben. Das ist doch immer das Argument dagegen, dass eBooks gar nicht so viel billiger sind, dass der Text die Kunst ist, und das Buch in der Herstellung gar nicht so viel kostet. Einen Bildband würde ich mir auch nicht für den Kindle kaufen und es gibt hier und da auch ein Buch, das ich unbedingt gedruckt haben muss, aber wenn ich einfach nur eine gute Geschichte lesen will, ist mir der Text das Allerwichtigste. Und danach kommt, dass ich die Schriftgröße einstellen kann und mir die Arme beim Lesen nicht abfallen. Und dass ich keinen Platz mehr in der Wohnung habe. Da setzen unterschiedliche Leser eben unterschiedliche Prioritäten.


  • Da sage ich ja gar nichts. Beim Autor selbst zu bestellen, erwarte ich von Buchhandlungen nicht und alles auszulegen, geht natürlich nicht.


    Aber ich stimme dem offenen Brief insofern zu, dass Amazon schon immer gesagt hat, dass sie Gewinn machen wollen, während der Buchhandel immer noch irgendwas von Kunst und Kultur erzählt. Das was von den Verlagen auf den Markt geworfen wird, ist zum großen Teil, meiner Meinung nach, auch nicht so, dass es unbedingt gefördert werden müsste als Kulturgut.

  • Zitat

    Original von Bodo
    Ich denke dieser Brief verrät recht deutlich einige der Gründe warum Selfpublisher es echt schwer haben: Wenn ich aus der Lektüre meine Schlüsse ziehe kann ich zumindest den Verfasser nur als weltfremden, krakeelenden Idioten bezeichnen, der keine Ahnung von der Buchhandelsrealität hat.


    Was das bestellen von dieser Art Titel angeht würde ich hier gerne die Buchhandelssicht wiedergeben, allerdings habe ich keine, bis auf die Tatsache das so etwas bei uns so gut wie nie vorkommt. Die Nachfrage ist einfach nicht da.


    Natürlich nur weil sich die Verlage und der Buchhandel verschworen haben um die wahre, echte, reine Kunst aus unserem Mainstreamreich herauszuhalten!


    :grin


    Zitat

    Original von Tom
    Wäh, meine selbstgemachten Youtube-Videos sind auch nicht im Fernsehen zu sehen. Da schreibe ich doch gleich mal einen offenen Brief.


    Besser! Ich filme dich dabei, wie du dich aus Protest mit Grütze überschüttest, und mache innerhalb von 3 Tagen einen Star aus dir, versprochen!

  • Zitat

    Original von Delphin: Da stimme ich Dir zu. Ich fühle mich nur von den Verlagen auch zunehmend auf den Arm genommen. Ich wünschte, es würden mehr gute Geschichten erzählt, statt dieses Auftragszeug, das auf irgendwelchen Wellen mit schwimmt und die Zitronen, die immer weiter gequetscht werden nachdem sie schon lange keinen Saft mehr haben.


    Früher hätte ich in diese Klage eingestimmt. Inzwischen habe ich jedoch meine Meinung geändert und bin einsichtig geworden. Ich schaffe es nicht, all die "guten" Geschichten zu lesen, die der Markt bietet. Worin ich Dir allerdings zustimmen würde, ist die Tatsache, dass die Vielzahl an Zitronen die Suche nach den literarischen Schätzen unglaublich erschwert.


    Übrigens, in dieser Diskussion ist mir aufgefallen, dass der Begriff Selfpublisher nicht näher umrissen wurde, was vielleicht hilfreich wäre.
    Der offene Brief zielt m.E. auf die Gruppe der Selbstveröffentlicher ab, die mal eben schnell eine Geschichte auf den Markt werfen. In Zeiten, in denen eine Druckerei mit Leichtigkeit bemüht werden kann, ist die Veröffentlichung weniger ein Problem als das Marketing und der Vertrieb eines Buches.
    Was ist aber mit den bereits oben angesprochenen Druckerzeugnissen, die im Eigenverlag herausgebracht werden, beispielsweise einen regionalen Bezug haben und mit ISBN erscheinen? Nimmt man es genau, würden auch diese Bücher (Dorfchroniken, Bildbände etc.) zu den Erzeugnissen von Selfpublishern gehören. Und ab welchem Zeitpunkt tritt eigentlich ein Verlag aus dem Schatten eines Eigenverlags heraus?
    Fragen über Fragen ...

  • Delphin


    Ja und nein. Die 'Kulturgut'-Diskussion ist nur eine von mehreren Diskussionen um den Buchhandel heute. Sie kann mitunter dröge sein, man kann sich viel streiten, aber sie dreht sich nicht allein um 'Kultur', ein Begriff, der auch immer wieder neu bestimmt werden muß.


    Buchkultur:
    Buchhandlungen verkaufen nicht nur Unterhaltungsliteratur. Sie verkaufen auch Fachbücher, Schulbücher, Bildbände, Kochbücher. Handwerklich schön gemachte Bücher ... All das gehört dazu.
    Buchhandel ist noch mehr. Buchhandel schafft Arbeitsplätze, Vertriebswege, es ist ein ganzer Sektor der Wirtschaft. Das sagen BuchhändlerInnen auch genau so. Ihr Verein heißt 'Börsenverein', nicht 'Kulturverei' und auch nicht 'Verein zur Förderung von Kultur' , die Veröffentlichung heißt 'Börsenblatt' und nicht 'Kulturblatt' und das enthält neben Artikeln zum Lesen und zur Literatur vor allem Zahlen, Umsätze, Bilanzen, Kosten. Beiträge zu Ladeneinrichtung, Beleuchtung, Personalwesen, Ausbildung ...


    Man läßt sich bei dem Begriff 'Kulturgut' irreführen, wenn man das allein auf Inhalte beschränkt, denen eine Qualität zugesprochen wird. Über die übrigens immer diskutiert wird, das wird gern vergessen, wenn wieder mal übers Feuilleton geschimpft wird. Buchkritik ist Streitkultur. Auch das ist ein Teil der Buchkultur.


    SelbstverlegerInnen wie die, die hinter diesem Offenen Brief stehen, aber haben nahezu auschließlich Unterhaltungsromane im Blick. Sie erheben einen Ausschnitt der gesamten Buchkultur zum Ganzen. Sie denken und argumentieren sehr beschränkt.
    De facto sind sie mindestens ebenso an schnellem Geld und Ruhm orientiert wie Verlage, egal, was auch an schwächster Unterhaltungsromane auf Stapeln in die Läden gehauen wird. Weil sie fast gar nicht an Kosten denken, weil sie nicht in Zusammenhängen denken. Sie denken, sie haben das Ei des Kolumbus entdeckt, weil ihre Art zu publizieren schnell geht.
    Daß dabei die Vielfalt auf der Strecke bleibt, fällt vielen nicht auf. Tunnelblick.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Salonlöwin


    Die Begriffe 'SelbstveröffentlicherIn', 'SelbstverlegerIn', 'Selbstverlag' sind nicht eindeutig definiert.
    Der Wikipedia -Artikel dazu ist recht ausführlich.


    Was ich bei den SPlerInnen, die bei amazon publizieren, nicht mehr ganz verstehe:
    es gibt doch jetzt Amazon Crossing, das gilt als Verlag. Aber SPlerInnen sind doch keine VerlagsautorInnen? Oder macht die Existenz vom Amazon Crossing sie dazu?


    Kann das jemand erklären, bitte?



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ich kann jetzt nicht von Indie-books reden, da ich keines veröffentlicht und noch keines über den Buchhandel bestellt habe.
    In dem Brief werden auch die Bücher der Kleinverlage erwähnt, die in Buchhandlungen nicht zu finden sind und hier hängt es wirklich an einigen Dingen:


    + ein gutes System der Auslieferung, wo man auch kostenlos retounieren kann, was sich nicht verkauft hat (die großen Auslieferer liefern haben ihre Selektionsmechanismus, abhängig auch von Rabatten und soviel ich gehört habe, bekommen die Buchhandlungen bessere Konditionen, wenn sie ausschließlich von einem der zwei großen und nicht bei beiden oder noch mehr bestellen)


    + Kataloge und vor allem auch Verkäufer, welche die Läden abklappern und durch ihr gewinnendes Gespräch Bücher in den Fokus rücken


    + ausgebildeten und lesefreudigen Buchhändlern (sowas ist nicht mehr selbstverständlich, bei uns werden in der größten Buchhandlung nur noch kaufmännische Lehrlinge und keine Buchhändler ausgebildet)


    Somit wissen die meisten Buchhändler wirklich nicht, was es an Indiebüchern gibt, sie haben auch kaum die Zeit und Lust sich durch Berge von Büchern zu lesen, was ich voll verstehen kann.


    Wenn man ein Buch ausdrücklich bestellen möchte, das nicht über die zwei großen Auslieferer erhältlich ist (egal ob Kleinverlag oder Indie), dann muss man wirklich das Glück haben, dass der Buchhändler "frei" ist zu bestellen wo er will und der Kunde muss die Geduld haben, oft Wochen auf das Buch zu warten. (Ist mir mal so ergangen bei einem Buch über mittelalterliche Musikinstrumente, zudem war es exorbitant teuer, damit die Buchhandlung noch ihre 40% - 50% herein bekommen hat). Es ist eben keine Bestellung auf ein paar Klicks wie bei der Bestellung bei den großen Auslieferungen. Es ist eine Bestellung über email oder Bestellformular an den Verlag selbst, kostet Zeit und welcher Buchhändler hat zuviel davon?


    Das ist in meinen Augen keine Bösartigkeit der Buchhandlungen, sondern schlicht deren Weg zum Überleben. Was nichts einbringt, das können sie sich einfach nicht leisten, somit ist der Ball beim Kunden, ob er die Versandkosten bei einer direkten Verlagsbestellung und die Gewinnspanne des Buchhändlers mitkaufen möchte.
    Die wenigsten, vermute ich.


    Für den Weg ins Regal bleibt für Indies und Autoren der Kleinverlage nur die persönliche Beziehung. Ich habe eine solche zu zwei Buchhandlungen auch als langjähriger Kunde und die stellen auch meine Kleinverlagsbücher ins Regal.
    Die Verlagsleute wiederum haben offenbar auch Beziehungen zu Buchhandlungen in ihrer Umgebung und so gibt es wenige Buchhandlungen, die vereinzelt Kleinverlagsbücher auch im Sortiment haben.


    Das sind meine Erfahrungen und da hilft auch kein Jammern. Da hilft nur, sich mit Buchhändlern in der weiteren Umgebung persönlich zu sprechen, ihnen die Bücher zum Probelesen zu geben und freundlich wieder mitzunehmen, wenn sie keine Zeit um Probelesen haben und ablehnen, weil sie schon zu viele Großverlagsbücher gleichen Genres im Regal stehen haben. (Das sind meine Erfahrungen mit einer Buchhandlung in einem Nachbarort und meinem Ratgeberbuch.)


    Ich finde diese Art offener Briefe nicht hilfreich sondern kontraproduktiv.

  • Danke für deine ausführliche Schilderung, Mariangela.


    Ich denke, dass Problem der Kleinverlage ist einfach die Tatsache, dass sie klein sind ;-) Auch im Buchhandel läuft vieles über Werbung, kein Buchhändler hat die Zeit, sich durch die Berge von Neuerscheinungen zu lesen. Dieser Drang, auf Stapelware und Bestseller zu setzen, hat vielleicht auch etwas mit dem Druck zu tun, unter dem der stationäre Handel steht: wem das Internet die Kunden streitig macht, der hat keine Luft, um sich auf Experimente einzulassen.

  • Zitat

    Original von magali
    Was ich bei den SPlerInnen, die bei amazon publizieren, nicht mehr ganz verstehe:
    es gibt doch jetzt Amazon Crossing, das gilt als Verlag. Aber SPlerInnen sind doch keine VerlagsautorInnen? Oder macht die Existenz vom Amazon Crossing sie dazu?


    Ich finde, Amazon Crossing ist ein gut durchdachtes Modell.


    Meiner Ansicht nach bleiben die SPlerInnen, die beim Amazon-Verlag erscheinen, weiterhin SPlerInnen, da ja die Werke meines Wissens 1:1 übernommen werden (von den Übersetzungen mal abgesehen). Die Bücher werden nicht neu lektoriert und / oder umgeschrieben, sondern so aus dem bereits bestehenden Angebot entnommen, mit DRM versehen und im Preis aufgestockt. Deswegen kann man dem / der ursprünglichen VeröffentlicherIn doch nicht den Status als SelfpublisherIn aberkennen. :nono

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

  • Ja, schon, aber ich sehe es so, daß Amazon die Technik und eine Infrastruktur vorgibt, einschließlich des Lesegeräts sowie den Vertrieb/Verkauf. Es ist ein Verlagsmodell, Amazon geht bzw. ging in Vorlage.


    SelbstverlegerInnen waren bisher Leute, die ein Buch schrieben, es auf eignene Kosten zum Druck brachten und sich dann dafür ein Publikum suchten. Also Autorin, Verlegerin und Händlerin in einer Person waren. So mancher Mini-Verlag ist genau aus so etwas hervorgegangen, andere betreiben es bis heute selbst.
    Die, die sich heute 'Indies' nennen, springen auf einen Zug auf, den andere gebaut und losgeschickt haben und auch steuern. Sie dürfen nur die Abteile mit ihren eigenen Kissen polstern.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Ja, schon, aber ich sehe es so, daß Amazon die Technik und eine Infrastruktur vorgibt, einschließlich des Lesegeräts sowie den Vertrieb/Verkauf. Es ist ein Verlagsmodell, Amazon geht bzw. ging in Vorlage.


    Wenn Du das so siehst, ist aber meines Erachtens jede Veröffentlichung über Kindle Direct Publishing auch ein Verlagsmodell - demnach wäre nahezu jeder, der sich heute als "Selfpublisher" bezeichnet, eigentlich kein wirklicher solcher.


    Für mich gehört zu einem echten Verlagsautoren mehr als nur Fertigung und Sicherstellung einer Verkaufsplattform.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)

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