Bruno P. Kremer, Bärbel Oftring: NaturGenies. Die verblüffenden Tricks der Pflanzen und Tiere, Berlin 2012, Nicolai Verlag, ISBN 978-3-89479-620-4, Hardcover, 189 Seiten, 108 farbige Abbildungen, 17 Illustrationen, Format: 23 x 21,6 x 2 cm, EUR 9,95.
Für die einen besteht die Natur aus Pflanzen, Tieren und ein bisschen unbelebtem Gedöns, für die anderen ist sie ein nie versiegender Quell faszinierender Fakten und erstaunlicher Zusammenhänge. Die Biologen Bruno B. Krämer und Bärbel Oftring haben in Wort und Bild eine Fülle verblüffender „Tricks“ von Mutter Natur zusammengetragen.
Habt ihr gewusst, dass es in der belebten Natur mehr gibt als nur Tiere und Pflanzen? Pilze zum Beispiel zählen gar nicht zu den Pflanzen, sie bilden eine eigene Kategorie. Außerdem existieren noch zahlreiche Kleinstlebewesen. Diejenigen mit Zellkern nennt man Archaea, die ohne Zellkern sind Bakterien. Und schon haben wir fünf (Be-)Reiche.
Man teilt die Lebewesen auch in Produzenten, Konsumenten und Destruenten ein. Produzenten sind die grünen Pflanzen, die mittels Photosynthese Zuckerverbindungen herstellen und daraus in Verbindung mit Nährsalzen aus dem Boden Eiweiße, Fette oder Holz produzieren. Wenn man das so liest, kommt einem das wie ein Wunder vor. Konsumenten sind Tiere, die sich von der Biomasse (Pflanzen und Tieren) ernähren. Destruenten schließlich sind die Pilze, Mikroorganismen, Bakterien und Kleintiere, die den anfallenden Biomüll fressen. „In einem mehrstufigen Abbauprozess zerlegen sie die organische Materie in ihre Grundbausteine, die den Pflanzen dann wieder als Mineralstoffe und Nährsalze zur Verfügung stehen.“ (Seite 21). So funktioniert der Nahrungskreislauf der Natur.
Wir erfahren allerlei über verschiedene Lebensräume, unter anderem über den „Lebensraum Mensch“. Auch wenn die Vorstellung ein bisschen eklig ist: Wir selbst werden von einer Menge Mikroorganismen besiedelt. Und das hat sein Sinn. Einen Sinn hat es auch, dass uns die Zugvögel im Frühling besuchen kommen. Eigentlich sind sie ja Afrikaner. Aber bei uns haben sie etwas Wichtiges zu tun. Auch eine gute Frage: Wie schlafen Vögel, die praktisch dauernd in der Luft sind, wie zum Beispiel der Mauersegler? Im Flug? Und wie verhindern sie, dabei abzustürzen oder gegen ein Hindernis zu fliegen?
Wie kommt nach der Winterruhe wieder Leben in die Pflanzen? Wieso haben viele Bäume „Fußpilz“? Und ist das gut oder schlecht? Geradezu kriminelle Tricks haben manche Pflanzen drauf, um Insekten zur Bestäubung in ihre Blüten zu locken. Da gibt’s Hochstapler, Kidnapper und Fallensteller. Pflanzen mit Alarmanlage gibt es auch. Auch Tiere beherrschen das Täuschen, Tarnen und Warnen. Nicht jeder, der in der schwarz-gelben Warnweste der Wespen auftritt, ist auch wirklich gefährlich. Viele tun nur so.
Mit der zunehmenden Mobilität der Menschen nimmt auch die Anzahl der Tier- und Pflanzenarten zu, die absichtlich oder unabsichtlich in einen fremden Lebensraum verschleppt werden und sich dort ansiedeln – nicht immer zum Vorteil der einheimischen Flora und Fauna. Waschbär, Regenbogenforelle, Jagdfasan, Ochsenfrosch, Halsbandsittich, Traubenkraut (Ambrosia), das alles sind Beispiele für solche Einwanderer (Neobiota).
Wir erfahren, warum Fledermäuse beim Fliegen besser nicht fressen sollten, was hinter dem geheimnisvollen Meeresleuchten steckt und woher Bäume „wissen“, wann es Herbst wird und es an der Zeit ist, den grünen Farbstoff aus den Blättern abzuziehen. Wir lernen, warum Steinfrüchte und Beeren meist Signalfarben haben und wieso manche Früchte mit einer abstumpfenden Wachsschicht überzogen sind, die wie Reif aussieht. Das macht sie doch unscheinbar. Oder?
Vielerlei Methoden gibt es für Tiere, die kalte und nahrungsmittelarme Winterzeit zu überstehen: Umzug, Vorratshaltung, Winterkleid, Winterschlaf, Winterruhe ... Da ist die Natur sehr einfallsreich. Pflanzen ziehen sich entweder in ihr unterirdisches „Reserveorgan“ (z.B. Knollen oder Zwiebeln) zurück, halten ihre Knospen fürs Frühjahr schon gut geschützt und versteckt bereit, überdauern den Winter nur teilweise (z.B. das Gehölz) oder lediglich in Form von Früchten oder Samen (einjährige Pflanzen). Und warum Wasservögel im Winter nicht mit ihren Füßen auf dem Eis festfrieren und sich auch keine Frostbeulen holen, das erfahren wir auch. Die Natur hat das alles schon schlau eingefädelt.
Als Biologen wissen die Autoren natürlich weit mehr über die Themen, als sie in diesem Buch schreiben dürfen. Sie bemühen sich, die Vorgänge einerseits wissenschaftlich korrekt darzustellen und andererseits so, dass interessierte Laien sie verstehen können. Das ist nicht immer einfach. Manche Sachverhalte sind eben komplex. Die Schaubilder sind da sehr hilfreich und man hat das eine oder andere Aha-Erlebnis: Ach, so funktioniert der Stoffkreislauf! (Seite 14) – Und deshalb ist es nutzlos, gegen eine Viruserkrankung Antibiotika zu nehmen! (Seite 24)
Bei einer solchen Informationsfülle kann man natürlich nicht alles, was beschrieben und erklärt wird, auch bildlich darstellen. Das ist bei vielen Sachbüchern so. Wenn die Neugier geweckt ist, wird der Leser anderswo nachschauen, wenn er die entsprechenden Bilder sehen will. Einen Einzeller zum Beispiel, der einen Durchmesser von bis zu 13 cm hat (Großkammerling, Cycloclypeus carpenteri). Auch wenn man da vermutlich nichts anderes zu Gesicht bekommen wird als eine Art handtellergroßen Fladen.
Die staunenswerten Vorgänge in der Natur werden hier anschaulich und unterhaltsam beschrieben und gezeigt, aber man muss sich schon ein bisschen konzentrieren, wenn man auch die etwas schwierigeren Kapitel verstehen will. Aber auch Mut zur Lücke ist in Ordnung. Wenn wir die Protisten und die Prokaryota auch nach dem dritten Lesen nicht auseinanderhalten können, dann ist das eben so. Es wird ja keiner kommen und uns abfragen. Und es bleiben noch jede Menge leichter verdauliche Informationen übrig, die man sich merken und bei Gelegenheit weitererzählen kann. Antworten auf Fragen, die man sich schon immer gestellt hat – oder auf die man von selbst nie gekommen wäre. Wenn man später noch etwas nachschlagen will, helfen das aussagekräftige Inhaltverzeichnis sowie das Register beim Wiederfinden der Textstellen. Eine Liste mit weiterführender Literatur gibt es obendrein.
Die Autoren
Bärbel Oftring ist Diplom-Biologin mit den Schwerpunkten Zoologie, Paläontologie und Botanik.
Dr. Bruno P. Kremer ist am Institut für Biologie und ihre Didaktik im Zentrum für Mathematische und Naturwissenschaftliche Bildung der Universität zu Köln tätig.