Schreibwettbewerb September/Oktober 2014 - Thema: "Die Axt im Haus..."

  • Thema September 2014:


    "Die Axt im Haus..."


    Vom 01. bis 30. September 2014 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb September 2014 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. Oktober eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Zuckelliese



    Gerda hastete über die Straße und erreichte den Bahnsteig, auf dem schon der Zug stand.
    Es musste der Zug nach Chemnitz sein, der sie an diesem Samstag zu ihrem ersten Klassentreffen bringen sollte. Die beiden Kinder waren bei ihrer Freundin bis zum nächsten Tag gut aufgehoben. Sie hatte sich einfach über Herberts Reiseverbot hinweggesetzt. Ihr Mann war Zimmermann und strotzte vor Kraft.
    Sie hatte sich zum ersten Mal durchgesetzt und war ein wenig stolz auf sich. Herbert war vor Jahren auch zu seinem Klassentreffen gefahren und hatte sich jegliche Einwände von ihr verbeten. Was sollte schon passieren?
    Das Wiedersehen mit ihren Freundinnen war wunderschön. Sie hatte so viel erfahren und Erinnerungen ausgetauscht. Die Heimfahrt verlief ohne Komplikationen.
    Vor der Haustür zögerte Gerda etwas. Ob Herbert sie vermisst hatte? Sie war einfach ohne Erklärung am Samstag früh verschwunden. Manchmal reagierte er etwas aufbrausend, wenn sie ihm nicht widerspruchslos gehorchte.
    Ganz vorsichtig wollte sie zuerst seine Stimmung ausloten und danach die Kinder abholen.
    In der Wohnung war alles ruhig. Sie stieg die Treppe hoch und konnte keine Spur von Herbert entdecken. Wo war er geblieben?
    Sie schlich sich leise zur Bodentür und lugte durch den Spalt. Da saß er auf der Bodentreppe mit der Axt in den Händen. Er schaute sie mit trüben Augen an und sie bemerkte die Tränen darin. Natürlich war er betrunken und stammelte:“Wo sind die Kinder?“ Ich hole sie gleich von Margit antwortete Gerda und lächelte ihn an. Er erhob sich ganz langsam und klammerte sich an ihr fest.“Leg die Axt weg, wir brauchen nichts zu reparieren, sagte Gerda leise und gab ihm einen Kuss.
    Nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte, wollte er einen Bericht über den vergangenen Samstag haben und war erstaunt über ihre Erlebnisse in Chemnitz.
    Das war wohl ein reiner Frauenabend sagte er am Schluss ihrer Erzählung.
    „Wir waren ja auch eine Mädchenklasse, antwortete Gerda, da kannst du keine Männer erwarten.“ Herbert lächelte und wischte mit einem weichen Lappen über die Axt. Sie war sein Lielingswerkzeug auf dem Bau und zu Hause. Er pflegte sie mit ganzer Hingabe nach jeder Benutzung.
    Am Montag klingelte es an der Haustür, als Herbert von der Arbeit kam.
    Er schnappte sein Werkzeug und öffnete die Tür. Vor ihm stand ein großer kräftiger Mann, der Gerda zu sehen wünschte.
    Herbert schaute ihm in die Augen und schüttelte den Kopf. Er öffnete seine Werkzeugtasche, holte die Axt heraus und zerteilte ihm mit einem kräftigen Schlag den Schädel. Das Blut spritzte auf Herbert und die nähere Umgebung.
    Herbert bückte sich und nahm einen weichen Lappen aus der Werkzeugtasche.
    Nachdem er die Axt gereinigt hatte, legte er sie in die Werkzeugtasche und ging ins Haus.
    Gerda half ihm aus den Kleidern und trug sie ins Waschhaus. Herbert wusch sich Hände und Gesicht, ging in die Küche und öffnete ein Bier.
    Gerda setzte sich aufs Sofa und fragte, was der Besucher wollte und trank den Schaum von seinem Bier.
    Gerda und Herbert entsorgten zusammen den Fremden und lebten glücklich, bis der Tod sie ...

  • von Holle



    Er schaute aus dem Dachfenster seines kleinen Hauses. Der Morgen war sonnig, und die Vögel sangen.


    Am Gartenzaun lief eine Straße entlang. Sie führte linkerhand hinunter bis zum großen Fluss mit seiner zerstörten Brücke und weiter in Richtung Süden. Im Norden am Horizont ragten die Schneeberge empor. Dort verlor sich ihre Spur in der Ferne. Und auf der anderen Straßenseite erstreckte sich westwärts der dunkle Wald.


    Überall waren Zeichen der Zerstörung zu erkennen. Ein schwerer Sturm hatte gewütet! Felsbrocken und Bäume versperrten die Straße; Unrat machte ein Vorwärtskommen unmöglich. Ruinen ragten zwischen Bäumen empor. Wilde Tiere zeigten sich sogar am helllichten Tag.


    Er musste sich sehr beeilen! Bis zum Sonnenuntergang sollte sein Straßenabschnitt fertig sein. Unruhig wartete er auf den Arbeitsbeginn. Dann war es so weit. Er sprintete zur Straße und lief nach rechts. Holzbalken lagen im Weg. Ab mit ihnen in die Lagerhalle! Sein erstes Arbeitsmaterial für Reparaturen!


    Sobald die Last verstaut war, ging es weiter. Am Rande des Weges leuchteten rote Früchte an einem Strauch. Schnell pflückte er ihn leer. Nahrungsvorrat konnte nie schaden. Ab damit in die Speisekammer.


    Und schon spurtete er wieder los. Ein großer Baum war über die Straße gefallen. Zerlegen und lagern. Er holte die Axt aus dem Haus. Geäst musste abgehauen, der Stamm zerkleinert werden. So etwas hatte er noch nie gemacht. Das ging auf die Gelenke. Er schwang die Axt und ließ sie auf einen Ast hinabsausen. Mann, das fuhr durch den gesamten Körper hindurch wie Donnerhall!


    Schon nach kurzer Zeit stand ihm der Schweiß auf der Stirn und sein Atem ging stoßweise. Die Axt war stumpf. Gab es einen Schleifstein im Haus? Außerdem hatte er kaum noch Kraft und fühlte sich fast wie ein Verhungernder. Als der Baum zerlegt und gelagert war, besorgte er sich Nahrung aus dem Vorrat und suchte auch gleich nach dem Schleifstein. Aber der war nicht zu finden. Ebenso gab es nichts zu trinken, außer dem, was die gesammelten Früchte an Saft hergaben. Und kein Klo!


    Also wieder los. Der Nachmittag verging. Ganze Felsbrocken wurden zerlegt und von der Straße geräumt. Es war sonnenklar, dass die Axt für solch eine Aufgabe keinesfalls geeignet war. Seine Schultern, Ellenbogen und Handgelenke schmerzten unerträglich, und er hatte Blasen an den Händen. Warum gab es keinen Bagger? Er wollte schon aufgeben und sich geschlagen geben, da ertönte plötzlich ein Gong und eine Stimme sagte: „Beeil dich, es wird gleich dunkel, und die Nacht bricht herein!“ Da fuhr ihm - wie vom Himmel geschickt - neue Kraft in den Körper, und er beseitigte das letzte Hindernis rechtzeitig.


    Vollkommen zerschlagen loggte er sich per Iriskennung aus, nahm den Sync-Helm ab und legte die Spielhandschuhe beiseite. Summend fuhr die Maschine die Energie herunter. Seine Eindrücke und Beurteilungen als Tester schickte er umgehend an die Auftraggeber. Es war beeindruckend, in einer quasi-realen Umgebung zu spielen. Aber an den Spielwerkzeugen musste unbedingt noch gearbeitet werden! Prüfend tastete er seine schmerzenden Gelenke ab. Was für ein Glück, dass es noch keine Kampfspiele in dieser Technik gab!

  • von Inkslinger



    „Bitte verlassen Sie sofort das Haus!“
    Ich starre die vermummte Gestalt stur an. Um uns herum ist es ohrenbetäubend laut.
    „Auf keinen Fall!“, schreie ich. „Nicht ohne das Böckchen!“


    Mein Gegenüber zuckt irritiert mit den Schultern. Kann er mich nicht verstehen oder will er einfach nur nicht?
    „Meine Katze Böckchen muss mit. Sonst gehe ich nirgendwo hin.“, brülle ich und hoffe, dass er kein kompletter Nullkapierer ist. Trotz des Lärms kann ich ihn entnervt stöhnen hören.


    Ohne noch etwas zu sagen hebt er seine Axt an und stiefelt die Treppe zum zweiten Stock hoch. Holz zersplittert, Dielen knarren.


    Ein weiterer Feuerwehrmann stürmt in das Gebäude und zieht mich raus auf die Straße. Er redet auf mich ein. Doch er ist nicht so wie sein Kollege. Nicht so groß und bestimmt auch kein Katzenfreund. Er hat das Benehmen eines Hundebesitzers.


    Quälende Minuten der Ungewissheit ziehen vorbei. Werde ich den Bock je wiedersehen? Wird sein Retter mir seine Telefonnummer geben?


    Das Feuer bahnt sich unermüdlich seinen Weg durch die oberen Stockwerke. Nur noch zwei Etagen von meiner entfernt. Plötzlich kommt jemand aus der Seitentür gestolpert. Er nähert sich der schaulustigen Menge. Hoffentlich ist das deckenumwickelte Etwas in seinen Armen meine Mieze und nicht das nervige Balg der Schmidts aus dem dritten Stock.


    Mein Herz rutscht mir fast ins Röckchen als der Feuerwehrmann zu mir kommt und das Bündel übergibt.
    „Hier, ihr kleiner Freund.“
    Ich nehme es entgegen und schlage die Decke zurück. Es ist tatsächlich mein Böckchen, der mich verwirrt mit seinen treuen Triefaugen anblickt. Ich war noch nie so glücklich, das alte Fellknäuel zu sehen.


    Der Pelzretter hat inzwischen seinen Helm abgestreift und ein recht ansehnliches Gesicht entblößt. Ich entschuldige mich gefühlte tausend Mal, aber er lächelt mich geduldig an.
    „Gern geschehen. Das ist ja mein Job.“
    Oh Mann, wie sexy sich das anhört! Noch besser als der Polizist, der mir gestern einen Strafzettel aufgebrummt hat. Wie kann da noch einer behaupten, dass alle Männer in Uniformen gleich sind?


    Natürlich gehe ich sofort zur Flirtoffensive über. Ich raffe mein Top zurecht, lege meine Schulter frei, lecke mir über die Lippen und spreche so lasziv wie möglich.
    „Ich würde mich gerne erkenntlich zeigen und Sie zu einem Fischbrötchen einladen. Na, wie wär's?“


    Er ist sichtlich überrascht und von mir angetan.
    „Das hört sich toll an. Aber... ich bin allergisch auf Fisch. Da muss ich leider ablehnen.“
    Er stülpt seinen Helm über und stürzt sich heldenhaft zurück ins Haus.


    Diese Schüchternheit gegenüber geschlechtsreifen Frauen ist echt bezaubernd. Aber den erziehe ich mir auch noch richtig. Das wird schon.

  • von arter



    Ich bin keiner, der sich bewusst durch Fernsehwerbung beeinflussen lässt. Dachte ich zumindest. Aber seit ich diese Kreativmonster in der penetranten Reklame einer Baumarktkette gesehen habe, bin ich ein willenloses Opfer. Jeder sesselpupsende Bürohengst kann zum glückserfüllten Heimwerker mutieren, verspricht die Botschaft.


    Wir haben zu Hause die überholten Rollenklischees aufgehoben. Jeder tut im Haushalt das, was ihm am meisten liegt. Und wir ergänzen uns perfekt. Während ich mich um Wäsche, Putzen und Essenszubereitung kümmere, schraubst du Regale zusammen, reparierst mein Fahrrad und verlegst gemeinsam mit deinem Vater Laminat. Bisher hat es in meinem Inneren nie eine Regung des männlichen Stolzes gegeben, denn - ehrlich gesagt - beherrschst du das Handwerkliche viel besser als ich. Andererseits möchte ich nicht zum Opfer deiner stümperhaften Kochkünste werden.


    So lief es eigentlich gut, bis mich diese Gehirnwäsche umdrehte. Was bin ich nur für ein jämmerliches Weichei. Jeder richtige Kerl zimmert, sägt und schraubt in seinem Garten oder Hobbykeller, während ich mit dem Staubsauger durchs Wohnzimmer ziehe. Das muss ein Ende haben, auch ich brauche endlich mein „Projekt“.


    Und jetzt halte ich es in der Hand. Es ist 120 mal 70 Zentmeter groß. Die perfekte Geburtstagsüberraschung. Für jeden normal Sterblichen ist es nur ein auf eine Leinwand gezogenes Urlaubsfoto mit einer traumhaften Alpenlandschaft. Aber du verstehst sicher die kleine Pointe, den „Running Gag“ unserer Traumferien vom letzten Jahr. Du hast das Bild geschossen, ich habe daraus ein Riesenposter machen lassen. Es gibt nur ein Problem: Es muss an die Wand.


    Das Biest in mir erwacht, ich habe mich drei Tage lang nicht rasiert und jeden Morgen 20 Liegestütze gemacht, um so auszusehen wie einer von diesen Bauhelden. Jetzt bin ich bereit für die Bohrmaschine, meinem natürlichen Erzfeind.


    Es wird ein Desaster. Ich möchte nur kleine Löcher für die Dübel der Haken bohren, aber die Materie hat sich gegen mich verschworen. Ich setze wohl etwas schief an. Aber dann rieselt auch noch Kalkstaub aus dem Bohrloch. Bald hat es die Ausmaße einer Kinderfaust.


    Google soll mir eine Lösung für das Dilemma verraten. Die Antwort lautet „Spachtelmasse“. Mir wird übel bei dem Wort und die Konsequenzen, die es nach sich zieht, sind beängstigend. Aber ich renne tapfer in den Baumarkt, absichtlich gehe ich zur Konkurrenz, denn ich lasse mich doch durch Werbung nicht beeinflussen!


    Ha! Von wegen Spachteln. Dafür wäre die Zeit eh zu knapp, in einer halben Stunde bist du da und kurz danach kommen unsere Eltern zum Geburtstagskaffee. Manchmal muss man einfach Glück und offene Augen haben. „Powerstrips“ heißt die Lösung meines Problems und dank der kurzfristig heruntergeladenen Wasserwaagen-App hängt das Bild jetzt auch akkurat, genau da, wo es hingehört, über dem Aquarium. Ich fühle mich wie ein echter Hornbacher.


    Du bist so gerührt, dass du jetzt sogar die Hausfrau mimst: „Papa noch ein Stück Kuchen? Mama noch Kaffee?“


    … Rrrrrrummmmms.


    Alle erstarren. Überall Scherben, über den nassen Teppich hoppelt ein Schwertträgermännchen. Die Ecke des Bildes rechts unten ist abgebrochen. Tränen treten in meine Augen. Du tätschelst meine Wange:


    „Das kriegen wir schon wieder hin!“

  • von Suzann



    Wasser färbte sich und verschwand im Abfluss. Lana hatte sich über die Badewanne gebeugt und hielt ihre zitternden Hände in den Strahl. Der Spitzenslip klebte zerfetzt an ihr. Das Oberteil fehlte ganz. Kratzer zogen sich über ihre Schenkel. An den Knöcheln war ihre Haut blutig geschürft. Gänsehaut brandete über sie hinweg, aber sie spürte die Kälte nicht. Grob schüttelte sie den Kopf, um etwas Klarheit zurück zu gewinnen. Vergeblich. Es war, als hätte man eine Glocke über sie gestülpt, die alles dämpfte, seltsamerweise auch das, was in ihr vorging. Das hätte eigentlich ganz beruhigend sein können, aber leider wurde sie das Gefühl nicht los, dass außerhalb ihrer stillen Blase jemand ohne Unterlass auf sie einschrie, um ihr etwas Wichtiges mitzuteilen. Sie klammerte sich am Beckenrand fest und streckte ihren Kopf unter den kalten Wasserschwall. Krampfartige Keucher entfuhren ihr, als sie sich aufrichtete. Wasser rann aus ihren Haaren, an ihrem Körper hinunter und um ihre Füße entstand eine hellrote Pfütze. Ungeschickt riss sie einen Bademantel vom Wandhaken und kämpfte mit den Ärmeln der dunkelblauen Samtrobe, die ihr viel zu groß war. Dann rannte sie los. Fluchtartig verließ sie das Haus und lief auf die Straße.


    Verführerisch räkelte sich Lana auf den schokoladenbraunen Seidenlaken. Ihre helle Haut bildete einen reizvollen Kontrast, genauso wie das Violett ihrer raffinierten Spitzenunterwäsche. Hände und Füße waren mit einem groben Seil an die Bettpfosten gebunden. Nachdem sie den Fremden an das Safe Word erinnert hatte, hatte sich dieser als überraschend talentiert entpuppt. Meistens waren ihre Sexpartner, die sie sich aus einschlägigen Internetportalen herauspickte, eine Enttäuschung. Man einigte sich vorher auf einen Handlungsablauf und vereinbarte ein Wort, sollte einer vorzeitig abbrechen wollen. Seit sie die Männer anwies, zu den Treffen maskiert zu sein, war der Reiz zwar enorm gestiegen, aber die meisten spielten ihre Rollen trotzdem nicht sehr überzeugend. Dieser hatte genau das richtige Maß an Dominanz und Grobheit, das sie anturnte. Sie überlegte gerade, den Kerl nicht sofort nach dieser Episode in die Wüste zu schicken, als ein scharfer Schmerz durch ihre Erregung schnitt.


    „Da ist offensichtlich ein Sexspielchen aus dem Ruder gelaufen“, konstatierte Heinz Mild, der in seiner Ermittlerlaufbahn schon einiges gesehen hatte. Das Opfer, männlich, rotblond, 40 bis 45 Jahre, etwa 180 groß und 85 Kilogramm schwer, lag in einer unmöglichen Stellung vor ihm. Nachdem ihm die Karotis aufgeschlitzt worden war, war er kopfüber vom Bett gerutscht, aber mit zu wenig Schwung, um ganz auf dem Boden zu landen. Die Maske auf dem Gesicht des Opfers war verrutscht. Der Gestank von Blut und Exkrementen lag in der Luft. Vor der Badewanne hatten die Kollegen eine Peitsche und eine Axt gefunden. Letztere viel zu scharf für einen Einsatz als Sex-Toy. Vermutlich die Tatwaffe. Sein neuer Assistent trat flach atmend hinter ihn. „Die Zentrale hat gerade angerufen, Chef. Ungefähr 2 Kilometer von hier wurde eine bewusstlose Frau gefunden. Verletzt und nur mit einem Herrenbademantel bekleidet.“ Heinz wandte sich grinsend um: „Ich bin hier fertig, Harry. Fahr schon mal den Wagen vor.“

  • von Marlowe



    Thorben Eirikson musterte stolz die Besuchergruppe, die sich aus Norwegern, Dänen und Isländern zusammensetzte.


    Das Besucherzentrum in L’Anse aux Meadow war zu einer echten Attraktion unter Thorbens Leitung geworden. Die Führungen waren seine ganz persönliche Belohnung für den Fleiß der vergangenen Jahre. Es gab vieles, auf das er stolz war, angefangen bei seiner Abstammung, von der er behauptete, sie würde direkt bis zu Leif Eriksson zurückführen, bis hin zu seiner neuesten Entdeckung, der wunderbar erhaltenen Streitaxt, die er gefunden hatte.


    Er verstand es geschickt, diese und andere Geschichten so wundervoll mit erfundenen Einzelheiten auszuschmücken, dass bei jeder Führung alle Besucher an seinen Lippen hingen.


    „Und hier nun die neueste Attraktion unserer Ausstellung. Diese Axt, Blod gradighet, also Blutgier genannt, fand ich bei einer Grabung, die ich nur durchgeführt habe, weil ich in der Nacht zuvor einen Traum hatte, in dem einer meiner Ahnen mir die Stelle zeigte, an der ich suchen solle - und tatsächlich wurde ich fündig. Wie alte Aufzeichnungen in norwegischen Museen berichten, wurde diese Waffe von Leif Eriksson persönlich als Dank an die Götter ins Moor geworfen und mit einem Fluch gegen diejenigen belegt, die ihre Ruhe stören, wenn sie keine direkten Nachkommen von ihm sind.“


    Thorben lächelte die Besucher an. „Nun, wie Sie sehen, ich lebe noch, gibt es einen besseren Beweis für meine Abstammung?“ Die Besucher lachten und bestaunten dieses interessante Artefakt.


    „Liebe Freunde, damit ist die Führung vorbei, nebenan gibt es nun ein kleines Buffet, meine freundlichen Mitarbeiterinnen und ich stehen Ihnen natürlich noch für weitere Fragen zur Verfügung. Wenn Ihnen die Führung gefallen hat, beweisen Sie es bitte mit einer großzügigen Spende, dafür steht die kleine Holztruhe dort.“
    Und sie waren großzügig, das waren sie immer, denn Thorben weckte mit seinem freundlichen Lächeln und gewinnenden Wesen die Spendierfreudigkeit aller Besucher.
    Sie verließen den Raum und stürzten sich auf das Buffet. Thorben und seine Mitarbeiterinnen beantworteten letzte Fragen und genossen wie immer diese Stunde nach den Führungen.


    Niemand bemerkte das Fehlen eines Besuchers. Helge, genervt und gelangweilt von dieser Veranstaltung, hatte die Konzentration aller auf das Buffet genutzt und war wieder in den Ausstellungsraum zurück gehuscht. Er griff in die Truhe, nahm eine Handvoll Scheine heraus und steckte sie sich in die Tasche. Er grinste, das war sein Schmerzensgeld für die blöde Idee seines Stiefvaters, diesmal anstatt einer Vergnügungsreise lieber einen Bildungsurlaub zu unternehmen.


    Er blickte auf die Axt in dem Glasschrank. Er konnte nicht anders, er musste sie einfach herausholen und ausprobieren wie sie sich anfühlte. Ohne weitere Überlegung griff er zu und wog sie in der Hand. Was für ein Gefühl. Wie berauscht von dieser verbotenen Tat hob er die Axt hoch und schwang sie durch die Luft. Er hörte das fröhliche Geplapper und Lachen dieser nervtötenden Idioten und ging zur Tür. Er war bereit, die Axt war bereit, der Fluch wollte erfüllt werden. Mit einem Schrei stürmte er in die Vorhalle. Panische Augen, blankes Entsetzen, abwehrende Bewegungen. Helge wütete im Blutrausch und Blutgier war durstig.

  • von Sinela



    Kurz bevor Kommissar Kingston die Tür des Einfamilienhauses erreichte, öffnete sich diese und ein Mann lief würgend an ihm vorbei um sich dann in den gepflegten Rasen zu erbrechen.
    „Kann ich reinkommen?“
    „Ja, wir sind hier fertig.“
    Der Mann von der Spurensicherung kam ihm entgegen.
    „Im Wohnzimmer. Ich hoffe, sie sind abgehärteter als der Kollege draußen.“
    „Keine Sorge, ich habe während meiner Dienstzeit schon so einiges gesehen.“
    „So etwas bestimmt noch nicht.“
    Kingston betrat das Haus und ging über den Flur zum Wohnzimmer. Was er dort sah ließ ihn erbleichen. Blut, überall war Blut, an den Wänden, dem Boden, den Möbeln und was noch viel schlimmer war – im ganzen Zimmer lagen Leichenteile herum. Auf dem Sofa ein Arm, unter dem Tisch ein Kopf, ein abgetrenntes Bein lag gar auf dem Tisch – was um Gottes Willen war hier nur passiert?



    „Und, was haben Sie für mich?“
    „Es war eine ganze Familie, die in diesem Haus bestialisch abgeschlachtet worden ist: Vater, Mutter und zwei Kinder im Alter von 5 und 9 Jahren. So wie es aussieht hat der Mörder sie beim abendlichen Fernseh schauen überrascht, dieser lief noch als wir dort ankamen. Es gab keine Spuren eines Kampfes, der Mörder muss völlig überraschend und schnell zugeschlagen haben. Dem Vater wurde der Kopf abgeschlagen, der Frau und den Kindern wurden Gliedmaßen abgetrennt, außerdem hatten sie zahlreiche weitere Verletzungen am Körper.“
    „Und die Mordwaffe?“
    „Ein indianischer Tomahawk. Er lag im Arbeitszimmer des Mannes auf dem Boden und war voller Blut. Es gab jede Menge Fingerabdrücke auf dem Stiel, allerdings alle vom männlichen Toten. Der Täter muss Handschuhe getragen und die Waffe nach der Tat einfach dort hingeworfen haben. Das mysteriöseste an dieser Sache - es gab keinerlei Einbruchsspuren. Alle Türen waren abgeschlossen, die Fenster waren ebenfalls alle zu, es ist ein Rätsel, wie und wo er das Haus betreten hat.“



    Kommissar Kingston saß am Tisch der Asservatenkammer und holte den Tomahawk aus dem Karton, der vor ihm stand. Er betrachtete ihn von allen Seiten und warf die Streitaxt dann voller Zorn an die Wand. Mit einem seufzen ließ er den Kopf auf die Tischplatte sinken. Diesen Fall würde er nicht mehr lösen können, morgen ging er in den Ruhestand. Nach einigen Minuten stand er auf, ließ alles an Ort und Stelle stehen und liegen und wollte die Asservatenkammer gerade verlassen als er ein Geräusch hinter sich hörte. Er drehte sich um und erstarrte: Der Tomahawk lag nicht länger am Boden, ein Indianer hielt ihn in den Händen. Ein Indianer, der nicht real war, ein Geist, der sich materialisiert hatte. Das gab es doch gar nicht, er musste träumen! Kingston hielt den Atem an, auch dann noch als der Tomahawk seinen Kopf vom Körper trennte und beides ohne Leben zu Boden fiel. Der Indianer würdigte ihn keines Blickes mehr. Er ging achtlos an ihm vorbei, auf der Suche nach weiteren Menschen, die er töten könnte.