Die Frau auf der Treppe
Bernhard Schlink
ISBN: 978-3257069099
Diogenes
256 Seiten, 21,90 Euro
Über den Autor: Bernhard Schlink, geboren 1944 bei Bielefeld, ist Jurist und lebt in Berlin und New York. Der 1995 erschienene Roman ›Der Vorleser‹, 2009 von Stephen Daldry unter dem Titel ›The Reader‹ mit Kate Winslet, David Cross und Ralph Fiennes verfilmt, in 51 Sprachen übersetzt und mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet, begründete seinen schriftstellerischen Weltruhm.
Kurzbeschreibung: Das berühmte Bild einer Frau, lange verschollen, taucht plötzlich wieder auf. Überraschend für die Kunstwelt, aber auch für die drei Männer, die diese Frau einst liebten - und sich von ihr betrogen fühlen. In einer Bucht an der australischen Küste kommt es zu einem Wiedersehen: Die Männer wollen wiederhaben, was ihnen vermeintlich zusteht. Nur einer ergreift die Chance, der Frau neu zu begegnen, auch wenn ihnen nicht mehr viel Zeit bleibt.
Meine Meinung: Ich habe dieses Buch im Anschluss an einen Roman gelesen, der mich mit seiner bildhaften Sprache und seiner Dichte beeindruckt hat und so fiel es mir anfänglich sehr schwer, mich an die oft kurzen aber präzisen Sätze dieses Buches und die Lücken, die so viel Interpretationsspielraum zulassen, zu gewöhnen.
Der Erzähler, ein älterer Jurist, Witwer mit längst erwachsenen Kindern, entdeckt ein lange verschollenes Bild, das ihn in jungen Jahren zu der scheinbar einzigen spontanen Dummheit seines Lebens verführt hat. Irene, die Frau auf der Treppe, das Model für das berühmte Bild, begegnete ihm als jungem Anwalt, der zwischen dem Maler des Bildes und dem Käufer des Bildes vermitteln sollte. Es ist schon Jahre her, doch nachdem er das Bild nun zufällig wieder entdeckt hat, macht er sich auf die Suche nach ihr und findet sie – allein und am Ende ihres Lebens. Und auch die anderen beiden Männer aus dieser Zeit finden sie und suchen sie auf. In langen Gesprächen wird klar, was jeden einzelnen umtreibt.
Die Hauptfigur, der Jurist, der auch als Erzähler auftritt, erzählt teilweise wie ein unbeteiligter Beobachter und lässt auch im Rückblick auf sein eigenes Leben, denn darum geht es hauptsächlich, zeitweise sehr wenig Emotionen zu. Er analysiert das Vergangene und überlässt es dem Leser, zu erkennen, warum er nach so langer Zeit eine Frau sucht, die er nur kurz getroffen hat und die ihn damals nicht ernst genommen hat.
Seine Gedanken, seine Taten sind nicht immer nachvollziehbar und doch geht von diesem neuen Treffen, der erneuten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und dem Zulassen einer Zukunft eine gewisse Faszination aus. Vielleicht auch, weil die Fragen, die er sich stellen muss, am Ende eines Lebens auftauchen werden und Fragen sind, die jeder Mensch eigentlich schon unausgesprochen in sich trägt.
Mein Fazit: Ein ruhiges Buch, das nicht nur von vertanen Chancen und verletzter Eitelkeit handelt, sondern das das Leben an sich mit teilweise philosophischen Ansätzen hinterfragt und viele Interpretationen seitens des Lesers zulässt.