Der Räuber Hupsika – Paul Biegel (ab ca. 6 J.)

  • Hupsika war nicht immer ein Räuber, nein, als seine Mutter noch lebte, war er ein ganz braver Kerl. Doch seit sie gestorben ist, ist er außer Rand und Band. Das bedauert er zwar schrecklich und verspricht dem Bild seiner Mutter jedesmal aufs Neue, sich anständig zu benehmen, halten kann er sein Versprechen leider nicht. Er ist nämlich ausgesprochen erfolgreich als Räuber.


    Hupsika raubt Kutschen aus. Abgesehen hat er es nur aufs Geld, das fordert er mit äußerster Höflichkeit. Auch achtet er darauf, daß den Reisenden nichts passiert, außer dem Kutscher, den er zu seinem Bedauern vom Kutschbock befördern muß. Eines Tages aber macht ihm einer der Ausgeraubten ein Angebot. Seine Tochter Josefine wird nämlich von dem Bösewicht Eisengriff gefangengehalten. Wenn Hupsika das Mädchen zurückstiehlt, soll er tausend Taler bekommen. Eine gute Tat gutbezahlt, das ist doch ideale Möglichkeit, endlich ehrlich zu werden! Hupsika schlägt ein. Für einen so begabten Räuber ist die Aufgabe doch ein Klacks.
    Hätte er nur das Bild seiner Mutter genauer angesehen, die macht nämlich ganz ängstliche Augen.


    Biegel erzählt die verrückten Abenteuer Hupsikas mit einem Augenzwinkern, die der Spannung aber keinen Abbruch tun. Natürlich gerät der Held von einer Klemme in die andere, Eisengriff ist wahrhaftig ein fürchterlicher Gegner. Wie die beiden sich gegenseitig zu überlisten versuchen ist ausgesprochen vergnüglich zu lesen. Eine Vogelscheuche, Gespenster, eine Stadt, die ein einziger Vergnügungspark ist, windschiefe Kneipen, ein Galgen und eine Ballonfahrt gehören zu den Höhepunkten des rasanten Geschehens.


    Hupsika ist tolpatschig und raffiniert gleichermaßen, voller Einfälle, die allerdings auch mal daneben gehen können. Hin und wieder muß er die Suppe auslöffeln, die er sich eingebrockt hat, ein wichtiger Hinweis gerade für kleine LeserInnen, daß auch Helden für so manche Folgen von Streichen geradestehen müssen.
    Die Geschichte ist voller absurder Wendungen, Biegel ist um keinen Einfall verlegen. Daß Hupsika immer das Bild der Mutter dabei hat, eingehängt am Sattel, unterm Arm oder vorübergehend an einem Ast hängend, ist nur eins von vielen verblüffenden Details. Hupsika hat viel von den Protagonisten der alten Mantel– und Degen-Filme und den Superhelden der Comics. Er zeigt aber auch, daß man neben akrobatischer Begabung vor allem Witz braucht, um sich zu behaupten, und daß mit bloßer Gewalt kein Blumentopf zu gewinnen ist.


    Einwände gibt’s, für heutige Verhältnisse ist Josefine zu verhalten, ihr rettender Sinn fürs Praktische zeigt sich ein wenig zu spät. Zudem hat eine unsympathische Nebenfigur einen Sprachfehler, der in einem Kapitel als running gag eingesetzt wird. Beim Vorlesen zumindest – und die Geschichte ist eine tolle Vorlesegeschichte – kann man das übergehen.


    Insgesamt also ein kleines bißchen altmodisch, aber immer noch eine sehr spannende und lustige Räubergeschichte. Die schwarz-Weiß-Illustrationen von Carl Holländer, märchenhaft-realistisch und voller amüsanter Details sind eine wunderbare Ergänzung.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus