Die entführte Prinzessin von Karen Duve

  • Beowulf schrieb dieser Tage in anderem Zusammenhang sinngemäß (ich interpretiere jetzt, das ist kein Zitat! ;-) ), daß manche sich wohl nicht mehr trauen würden, hochgelobte Bücher zu verreißen. Obwohl, wenn ich mir den Fred so durchlese - so eindeutig war die Zustimmung gar nicht. Und richtig verreißen will ich ja auch nicht. Nur ein bißchen. Dann versuche ich mal, mich zu trauen.


    Aber was soll ich schreiben? Ich habe das Buch gerade aus gelesen, will meine Meinung kund tun - aber da ist nichts zum kund tun. Gut, eine gewisse innere Leere; nicht vor Rührung oder Bewegtheit oder Trauer, daß das Buch aus ist, sondern weil da eben einfach nichts geblieben ist. Außer der Erinnerung, daß ich die letzten achtzig Seiten nur noch gedacht habe „es reicht eigentlich, wann bin ich endlich durch?“ Das Buch ist etwa um genau diese Seitenzahl zu lang, so zwischen Seite 300 und Seite 320 hätte Schluß sein sollen. Dann hätte ich mich köstlich amüsiert, mehrfach laut gelacht, sehr oft geschmunzelt, bisweilen getrauert, und wäre rundum zufrieden gewesen. So ist diese Wirkung leider verpufft. Manchmal ist weniger halt doch mehr. Für mich hatten die Ideen und die Erzählweise sich quasi „totgelaufen“ und den Reiz verloren, die Figuren waren bis zu einem gewissen Grade unglaubwürdig geworden.


    Ich weiß nicht, ob dieses Buch eine „Botschaft“ hat. Mir hat sie sich nicht erschlossen. Aber vielleicht habe ich auch nur die Sprache bzw. verwendeten Bilder nicht verstanden.


    Wie gesagt, manchmal ist weniger mehr. Drum höre ich jetzt auch auf.


    Nur eines noch: weil ich mich über die ersten 250 - 300 Seiten so gut, ich meine wirklich gut, amüsiert habe, gebe ich 7 von 10 Punkten.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Im Moment ist es ja eher ... problematisch, mit nicht zu guten Meinungen hinter dem Berg hervorzukommen. :grin


    Nun, ich habe das Buch meiner Tochter vorgelesen (die war krank, und dann heißt es immer "Papa, lies mir was vor"), und das Buch war eben gerade dran. Ihr hat es wohl besser gefallen als mir. Mir wurde es schlicht zu lange (das ist das erste Mal, daß ich sage, ein Buch sollte weniger Seiten haben). Durch das Vorlesen haben wir immer so in 60 - 90 Seiten - Abschnitten gelesen; länger hält meine Stimme nicht durch. In einem Rutsch gelesen wäre meine Meinung vielleicht eine andere, weil ich dann in kürzerer Zeit durch gewesen wäre.


    Es kommt nicht allzu oft vor, daß ich mit Tom einer Meinung bin, aber hier hat Tom es auch nach meinem Empfinden recht gut getroffen.


    Ich habe das Lesen nicht bereut, aber ein Mal reicht erst Mal.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von RowenaR
    Hat jemand der Hörbuch? Ich schleiche jedesmal drumherum, aber ich trau mich nicht, es zu kaufen.


    Ich :wave und ich habe es auch gerade vor zwei Tagen ausgehört.
    Als Buch hätte es mich sehr gelangweilt, da bin ich mir sicher (ich mag keine Märchen). Als Hörbuch war es angenehm, aber für den saftigen Preis lohnt es sich nicht. Veralberte Märchen gibt es einfach zu viele (mich hat es an "Die Brautprinzessin" von Wiliam Goldman erinnert )
    Lisvana ist zickig, Diego ist ein Weichei - ich mag sie beide nicht besonders. Ich mag den Zwerg :-]

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

  • Nachdem dieses Buch viel zulange gerubbt hat, habe ich es nun endlich gelesen und muss sagen, dass ich mich wirklich amüsiert habe.


    Der erste Abschnitt ist einfach nur witzig, durch Nebensätze hat mich die Autorin immer wieder zum Schmunzeln oder sogar zum Lachen gebracht. Sei es durch die Erklärung, warum Diego Vegetarier ist oder dass Bredur nicht als erster aus der Ahnenreihe mit dem Erfrieren anfangen solle, wo doch alle anderen im Kampf verstorben seien.


    Als der Drache Grendel und sein Drachenzüchter auftauchen, kam bei mir ein wenig Langeweile auf, da mir die Szenen auf dem Markt teilweise zu langatmig waren und mich die Unterschiede zwischen den einzelnen Drachenarten nicht gerade interessierten.


    Doch als Bredur sich wieder auf in Richtung Baskarien machte, war ich wieder drin im Geschehen.


    Die Figuren, die sämtlich schrullig, aber liebenswert waren, sogar mit ihren Macken, haben die Geschichte erst rund gemacht. König Leo und seine Gattin Isabella, sowie Grendelchen und Kelpie, Bredurs fleischfressendes Pferd, waren dabei meine Lieblingsfiguren.


    Das gibt von 8 Punkte für unterhaltsame und einmal andere Lektüre.

  • mir hats sehr gut gefallen, ist zwar schon etwas länger her dass ich es gelesen habe aber ich habe immer wieder herzlich lachen müssen, und die Figuren haben mir unheimlich gut gefallen.


    10 Punkte für die kurzweilige Unterhaltung


    LG Luthien

  • Ich kann Luthien nur recht geben. Das Buch ist einfach nur genial. Man denkt immer: Ok, jetzt klappt was wie geplant! Schlussendlich kommt dann aber irgendwas schrulliges heraus. ;-) Die Figuren sind zum Liebhaben, die Welt ist so richtig schön märchenhaft... :anbet :anbet *schwärm*

    Menschen, die nur arbeiten, finden keine Zeit zum Träumen.


    Nur wer träumt gelangt zur Weisheit Smohalla

  • Also mich konnte die Geschichte leider auch nicht so recht überzeugen...


    Meine Meinung:


    Nicht nur Kinder lieben Märchen, auch Erwachsene finden es hin und wieder schön, in die fantastische Welt von mutigen Rittern, hilflosen Prinzessinnen und feuerspeienden Drachen einzutauchen und den schnöden Alltag einfach mal hinter sich zu lassen. Mit "Die entführte Prinzessin" bietet Karen Duve ihren Lesern genau das: Ein humorvoll erzähltes Märchen für Erwachsene mit all den aus der Kindheit bekannten Themen und Figuren. Leider beschränkt sich das Märchen aber auch genau auf diese Themen und Figuren und hält kaum Überraschungen bereit, so dass die Handlung für den Leser weitgehend vorhersehbar ist und deshalb gegen Ende - zwangsläufig - auch ein wenig enttäuscht. Die Figuren sind originell und haben so ihre Macken - und damit auch das Potenzial unvergessliche Charaktere zu werden, aber leider ist keine der Figuren so schrullig oder liebenswert, dass sie sich unversehens ins Herz des Lesers schleicht und hier einen bleibenden Eindruck hinterlässt. So wird auch "Die entführte Prinzessin" insgesamt nicht allzu lange im Gedächtnis verweilen - ein Schicksal, das die klassischen Märchenfiguren glücklicherweise nicht teilen.


    Deshalb von mir nur mittelmäßige 6 Punkte.

  • Karen Duves Büchern kann man vieles nachsagen, eins aber ist sicher: sie sind eine einzige Überraschung. So auch dieses.


    ‚Die entführte Prinzessin‘ ist ein Märchenroman, ein Vertreter der hierzulande fast ausgestorbenen Gattung Phantastik. Vor allem aber ist es eine Geschichte in der Tradition der Kunstmärchen der Aufklärung, allen voran des Autors Johann Karl August Musäus. In solchen Märchen herrscht ein ironisch-satirischer Zungenschlag, nicht der einerseits schlichte, auf der anderen Seite märchenhaft-zauberische Ton der Volksmärchen, der auf Welten verweist, die voller geheimnisvoller Kräfte und bewohnt von rätselhaften Wesen, für Menschen nie ganz greifbar sind.
    Die Welt der Kunstmärchen mag weit entfernt liegen und es mögen höchst seltsame Bräuche herrschen, aber sie sind immer realistisch. Oft sind sie bizarr, exotisch, skurril, aber nur selten liegt ihnen ein unfaßbarer Zauber zugrunde. Treten magische Wesen auf, Feen, Geister, Zauberer, sind sie eher wunderlich als wunderbar.


    Die Menschen in diesen bizarren Welten sind ebenfalls überzeichnet, aber gut erkennbar, wie in einem Zerrspiegel unserer Selbst. Gute wie schlechte Eigenschaften erscheinen vergrößert und vergröbert, man sieht sie überdeutlich. Sie dienen erzieherischen Zwecken, am Ende soll die Leserin besser sein, als zu Beginn der Lektüre.
    Die Kunstmärchen sind streng in ihrem Drang, aufzuklären. Das ist ihre Mission. Unnachsichtig spießen sie Fehlverhalten auf und geben es der Lächerlichkeit preis. Geldgier, Eitelkeit, Einbildung, Torheit, Trotz, all das hindert den Menschen, modern, aufgeklärt, wissend zu werden. Zu erkennen. Die Welt realistisch zu sehen, ohne Metaphysik.
    Der einzige Zauber, dem Existenzrecht zugestanden wird, ist die Liebe. Sie ist der Weg und das Ziel, das größte Glück, der wahre Schatz.


    All das findet man exzellent ausgeführt in diesem wild-verrückten Abenteuer, übertragen eben auf die Themen des späten 20. Jahrhunderts. Zusammenprall der Kulturen von Nord und Süd, Armut und Aufstiegsträume, falsch verstandenes Heldentum, das Lächerlichmachen überkommener Traditionen. Verwirrte Teenager und unfähige Eltern. Und jede Menge Liebe.
    Eigentümliche Fabelwesen kreuzen auf, der Drache wirkt fast normal im Vergleich zu einem kleinen gelben Pferd, das auch mal Fleisch frißt, oder niedlichen hellblauen Goronzis, die leider ein gräßliches Ende finden. Es gibt tolle Verwechslungen, tollkühne Diebstähle, Seereisen, irrsinnige Hoftrachten der Fürstlichkeiten, eine rührende Geschichte des Aufstiegs vom getretenen Hofzwerg zum angesehensten, reichen Mann und Gewinner der Hand einer liebreizenden Dame. Es gibt einiges an bissiger Kritik an Herrschaft und Herrschenden und am Streben nach Besitz um des Besitzes Willen.


    Diskutiert aber wird vor allem die Liebe. Jede der Hauptpersonen hat damit die größten Probleme, laut Titel gehört sie ja zu den Ungeheuern. Das ist richtig. Sie ist der Grund für alle Mißverständnisse, Egoismen, Dummheiten und Irrtümer. Sie zu beherrschen ist schwieriger, als den Drachen Grendel zu zähmen, und der legt immerhin eine Burg in Trümmer. Die Figuren verlangen unentwegt Liebesbeweise, immer wieder, bis sie endlich begreifen, wie albern das ist. Das gehört zu den aufgeklärten Erkenntnissen, die dieses ‚Märchen‘ vermittelt.


    Als Abhandlung über die Liebe gelesen, ist ‚Die entführte Prinzessin‘ dann auch keineswegs phantastisch oder satirisch, sondern ernst, ein wenig traurig über all die Sinnlosigkeit beim Verströmen falscher Gefühlsseligkeit. Über die Blindheit, die die Krankheit ‚Liebe‘ auslöst, darüber, wie sie schwach macht, nicht nur gegenüber dem Objekt der Begierde, sondern z.B. auch Kinder gegenüber Eltern. Wie abhängig sie macht. Da möchte man sich vor Elend am liebsten in ein gelbes Jacki kuscheln. Da es sich aber trotzdem um ein Märchen handelt, geht es in Liebesangelegenheiten im letzten Moment gut aus. Jedenfalls fast, schließlich ist es eine Geschichte mit hohem Anspruch an die Realität.


    Tolles Buch!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus