'Zeit der wilden Orchideen' - Kapitel 23 - 27

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  • Zitat

    Original von Nicole


    Das war (und ist) so schwer für mich, hier in der Runde nicht auch mal nur eine Andeutung fallenzulassen ...


    Wie geht's Dir denn mit der Auflösung dieses Geheimnisses? :-)


    Mir hat Georgina richtig leid getan. Wie wäre ihr Leben wohl verlaufen, wenn ihr Vater nicht so lange geschwiegen hätte? Vermutlich hätte sie seinerzeit auf Raharjos Rückkehr gewartet. Aber jetzt ist es zu spät. Und dann auch noch Cempakas Aberglauben verkraften zu müssen ... wirklich ein bisschen viel auf einmal.

  • Danke für Deine Antwort, Selma. :-)


    Ja, das ist wirklich sehr viel. Und eben so spät, zu spät.
    Diese Frage, was alles hätte sein können, hätte sie um ihre Herkunft schon viel früher gewusst - das Wissen, das Bewusstsein um ein ungelebtes Leben, das einem dadurch verwehrt wurde - das hat mich bei diesem Buch umgetrieben. Das wollte ich unbedingt erzählen.

  • Jetzt ist die Katze aus dem Sack! :wow Georgina ist tatsächlich nicht Joséphines leibliche Tochter (da war ich auf dem falschen Dampfer ;-)). Ich denke für sie ist die Wahrheit wohl Erleichterung (es erklärt ihre Verbundenheit mit Singapur, ihr Unwohlsein in England, ihr Gefühl, dass ihr etwas fehlt) und gleichzeitig auch Fluch. Als Leser wagt man kaum darüber nachzudenken, was gewesen wäre wenn…. Aber Raharjo bringt es in dem Moment auf den Punkt, in dem sich Nilam ihm erklären will. Er mag es nicht hören, würde es doch nichts mehr ändern.


    Nilams und Raharjos (vorerst?) letztes Zusammensein hat mich sehr berührt. Die Atmosphäre ist sehr melancholisch und man spürt, dass die beiden trotz einem inneren Feuer füreinander, das wohl nie ganz ausgehen wird, immer mehr auseinander driften. Umso stimmiger empfand ich dann die "Rückkehr" zum jeweiligen Partner. Und auch hier sind für mich Leelavati und Paul ausserordentlich starke Figuren (auch wenn Paul in Indien schwach geworden ist – aber er ist halt auch „nur“ ein Mann… ;-)). Und Paul entwickelt sich ja auch noch zu einem richtigen Schlitzohr… ;-) Es ist schon ein linkes Ding, Raharjo Opium unterjubeln zu wollen – aber mit dem Resultat hat er schlussendlich wohl nicht gerechnet. ;-)


    Um Jo hatte ich, wenn überhaupt, nur einen Bruchteil einer Sekunde Angst. Ich konnte und vor allem wollte mir nicht vorstellen, dass Raharjo wirklich so weit gehen würde ein Kind für seine Rachepläne zu missbrauchen – nicht, nach dem Einfluss, den Mei Yu auf ihn hatte. Sie wäre stolz auf ihn. :-]


    Was mich noch beunruhigt, ist die Tatsache, dass Duncan nicht weiss, dass Paul nicht sein Vater ist. Müsste nicht Georgina aus ihrer eigenen Geschichte gelernt haben, wie wichtig es ist, seine Herkunft genau zu kennen? Duncans Sehnsucht nach dem Meer – sie weiss doch, woher das kommt. Und wenn sie nicht möchte, dass sich die Geschichte wiederholt, müsste sie jetzt reagieren.


    Auf zum letzten Abschnitt, auf den ich mich freue und vor dem ich mich auch etwas fürchte… Nicole, was machst du wieder mit mir? :lache

  • Zitat

    Original von Ayasha
    Ich denke für sie ist die Wahrheit wohl Erleichterung (es erklärt ihre Verbundenheit mit Singapur, ihr Unwohlsein in England, ihr Gefühl, dass ihr etwas fehlt) und gleichzeitig auch Fluch. Als Leser wagt man kaum darüber nachzudenken, was gewesen wäre wenn…. Aber Raharjo bringt es in dem Moment auf den Punkt, in dem sich Nilam ihm erklären will. Er mag es nicht hören, würde es doch nichts mehr ändern.


    Das ist es wirklich, Erleichterung und Fluch zugleich. Mich hat da durchaus die Frage beschäftigt, ob es einen richtigen Zeitpunkt für die Wahrheit gibt und einen falschen ...


    Es kann einem da schon schwummrig werden, wenn man genauer drüber nachdenkt, was es für Georginas Leben bedeutet hätte, hätte sie es viel früher schon gewusst, in der Zeit mit Raharjo ...
    Auch so eine Frage, die ich mit dem Buch aufwerfen wollte.


    Zitat

    Original von Ayasha
    Nilams und Raharjos (vorerst?) letztes Zusammensein hat mich sehr berührt. Die Atmosphäre ist sehr melancholisch und man spürt, dass die beiden trotz einem inneren Feuer füreinander, das wohl nie ganz ausgehen wird, immer mehr auseinander driften.


    Schön, dass das für Dich spürbar ist. :knuddel1



    Zitat

    Original von Ayasha
    Und Paul entwickelt sich ja auch noch zu einem richtigen Schlitzohr… ;-) Es ist schon ein linkes Ding, Raharjo Opium unterjubeln zu wollen – aber mit dem Resultat hat er schlussendlich wohl nicht gerechnet. ;-)


    Das hat mich ein bisschen gewundert, dass das hier in der Runde bisher noch gar nicht angesprochen wurde.
    Ja, absolut linkes Ding - aber so klug eingefädelt, so gezielt ausgeteilt ...


    Zitat

    Original von Ayasha
    Was mich noch beunruhigt, ist die Tatsache, dass Duncan nicht weiss, dass Paul nicht sein Vater ist. Müsste nicht Georgina aus ihrer eigenen Geschichte gelernt haben, wie wichtig es ist, seine Herkunft genau zu kennen? Duncans Sehnsucht nach dem Meer – sie weiss doch, woher das kommt. Und wenn sie nicht möchte, dass sich die Geschichte wiederholt, müsste sie jetzt reagieren.


    Sie müsste es besser wissen, ja.
    Aber auch da stellt sich wieder (ihr genauso wie uns) die Frage: wäre es wirklich gut für Duncan? Jetzt? In dieser Zeit? Oder womöglich auch ein Fluch, wie bei ihr?


    Zitat

    Original von Ayasha
    Auf zum letzten Abschnitt, auf den ich mich freue und vor dem ich mich auch etwas fürchte… Nicole, was machst du wieder mit mir? :lache


    Nur Mut! :knuddel1
    (nicht ganz uneigennützig ausgesprochen - ich bin supergespannt, wie's Dir damit geht!)

  • Endlich ist das Geheimnis gelüftet. Man wusste ja die ganze Zeit irgendwie, dass mit ihrem Vater etwas nicht stimmt bzw. dass er seine Gründe haben wird, wieso er so ist wie er ist. Soetwas kurz vor seinem Tod zu machen fand ich irgendwie nicht fair. Sie stand dann völlig allein da mit dieser Information..


    Aber insgesamt solche Geheimnisse finde ich immer echt unsinnig. Ich denke dabei immer, dass soetwas ja früher oder später rauskommt.


    Ehrlichkeit währt am längsten, das passt irgendwie immer..


    Ich bin schon etwas länger fertig mit dem Abschnitt und habe jetzt ein paar Tage pausieren müssen. Hoffe, ich komme wieder gut rein.

  • Zitat

    Original von Deichgräfin
    Georgina erfährt jetzt endlich von ihrer Herkunft, ein Hammer.


    Es hat mich gefreut, das sie Cempaka dazu gebracht hat, ihr zu erzählen wie ihre Mutter war.


    Das ist für sie doch ziemlich wichtig.


    Ja, sehr wichtig. So scheußlich, wie Cempaka sich ihr gegenüber immer verhalten hat, muss sie das enorme Überwindung gekostet haben - aber es hat sich gelohnt.





    Zitat

    Original von Lucy1987
    Endlich ist das Geheimnis gelüftet. Man wusste ja die ganze Zeit irgendwie, dass mit ihrem Vater etwas nicht stimmt bzw. dass er seine Gründe haben wird, wieso er so ist wie er ist. Soetwas kurz vor seinem Tod zu machen fand ich irgendwie nicht fair. Sie stand dann völlig allein da mit dieser Information..


    Ich weiß nun nicht, ob das für oder gegen ihn spricht - aber er hatte da schlichtweg keine Kraft mehr, die Fassade des Lügengebäudes weiter aufrechtzuerhalten.

  • Zitat

    Original von spike
    Nach diesem Abschnitt musste ich einfach weiter lesen um nichts zu verraten schreib ich im letzten Teil.


    Dies kann ich nur :write
    So ging es mir auch. Ich konnte mich einfach nicht bremsen. Dies spricht für dieses Buch (wie immer eigentlich bei Büchern von Nicole).


    Viele Grüße :wave

  • Zitat

    Original von Nicole



    Das hat mich ein bisschen gewundert, dass das hier in der Runde bisher noch gar nicht angesprochen wurde.
    Ja, absolut linkes Ding - aber so klug eingefädelt, so gezielt ausgeteilt ...


    Paul ist eben lernfähig, und bei einem Lehrmeister wie Raharjo bleibt ihm gar nichts anderes übrig ... meiner Meinung nach.



    Meine Eindrücke:
    Vordergründig scheint sich also erst einmal alles zum Besseren zu wenden. Singapur wächst, der Reichtum wächst, die Geschwindigkeit des Lebens wächst.
    Zeiten des Neuen auch auf L'Espoir. Zeiten des Neuen bedeuten immer auch Zeiten des Abschieds. Ein Stück Vertrautheit für Georgina geht verloren. Aber welch Schock hat sie zu erleiden. Für mich erklärt sich nun einiges, dass man ihr ihr malaiisches Blut angesehen hat zum Beispiel.
    Paul könnte ihr Halt geben, aber nimmt sie es an? Cempaka dagegen, endlich hat sie Gelegenheit zu etwas, was man vielleicht sogar mit dem Wort Rache umschreiben könnte.
    Georgina verstehe ich und verstehe sie nicht. Irgendetwas an ihr bleibt mir fremd. Zu meiner Schande muss ich sagen, dass sie Entscheidungen getroffen hat, die mich nicht unbedingt dazu bringen, Vertrauen in sie zu fassen, sie ganz erfassen zu wollen. Im Gegenteil, manchmal möchte ich sie schütteln, sie fragen, ob sie sich vielleicht nicht auch mal Gedanken über andere und anderes machen möchte. Über das, was Paul ihr Seite 408 entgegenhält, zum Beispiel. Nein, sie kann nicht erkennen, was Paul für sie getan hat, weil sie es nicht will, weil sie viel zu sehr fixiert ist auf das, was ihr vermeintlich genommen wurde, wo sie sich betrogen fühlt. Aber dagegen ist man chancenlos. „Du hast noch nicht einmal versucht, mich je kennenzulernen“ (Seite 409). Das ist nicht nur ein Steinchen, das ins Wasser geworfen wird, das ist ein ganzer Felsbrock, und die Ringe, die sich zart bilden könnten, werden brutal von den Wellen überrollt.
    Paul verlässt sie auf Zeit, um ihr Zeit zu geben. Und mehr.


    Natürlich Raharjo, wieder mal. Hört das nie auf? Obwohl er ihrer Familie ja einiges angetan hat, was man früh ahnte. Dass er aber Paul so unterschätzt, schenkt mir eine gewisse Befriedigung. Entschuldigung. Nicht nur, dass er genau gewusst hat, dass seine Frau ihn mit Raharjo betrügt. Seine „Warnung“ (Seite 428) lässt ein kleines heimliches Teufelchen in mir frohlocken. Erstaunlich ja immerhin, dass Raharjo zu der Erkenntnis gelangt, seine Frau und seine Kinder würden ihn brauchen, ohne ihn schutzlos sein; mich lässt das für ihn hoffen.
    Zu alt fühlt sich Raharjo zur Rache, na, das ist doch auch mal eine gute Nachricht. Entschuldigung! Wenn er allerdings dem Kind – Jo – etwas antun würde, hätte er nicht nur in Paul einen Todfeind. Ach je, jetzt werde ich noch pathetischer als gewöhnlich. Aber welcher Wind hat ihn gerade an diesen Strand gespült?


    Georgina und Raharjo nehmen also erwartungsgemäß ihre Beziehung wieder auf. Scheint auch ruhiger zu verlaufen, diesmal … ähm, ich meine ohne die Beleidigungen und Verletzungen. Die Bitterkeit, denke ich mir, wird nicht verschwunden sein, aber das Alter und die vergangene Zeit werden das Ihre dazu beigetragen haben, um Balsam auf verwundete Seelen zu legen. Und wahrscheinlich spürt Raharjo, welche und wie tiefe Wunden Georgina erlitten hat durch die Offenlegung des Geheimnisses. Genau wie Paul, er geht nur anders darauf ein. Welches Eingehen besser ist, sei dahingestellt.


    Was soll man für sie wünschen? Gerade in Bezug auf Seite 430 wünsche ich ihr vor allen Dingen eines: Dass sie lernt, loszulassen. Ihre Träume, ihre Trauer. Das wäre nicht nur für sie gut.


    Duncan ist wieder da. Er will zur See. Natürlich. Sie wird ihn lassen. Natürlich wird sie das. Er wird auch für sie fahren. Wird ihre Sehnsucht mitnehmen. Ich glaube nicht, dass sie Angst um ihren Sohn hat. Höchstens davor, dass er in der Welt der Weißen an Wert verlieren wird (Seite 389).


    Seite 421 bringt einer leidenschaftlichen Teetrinkerin die Frage, was denn bitte eine „Stimme wie bitterer Kaffee mit einem Schuss Milch“ ist. Darunter kann sie sich nämlich so gar überhaupt nichts vorstellen.

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Zeiten des Neuen auch auf L'Espoir. Zeiten des Neuen bedeuten immer auch Zeiten des Abschieds. Ein Stück Vertrautheit für Georgina geht verloren. Aber welch Schock hat sie zu erleiden. Für mich erklärt sich nun einiges, dass man ihr ihr malaiisches Blut angesehen hat zum Beispiel.


    Eine Frage, die mich bei diesem Buch umgetrieben hat: welchen Einfluss die Art, wie andere einen sehen, haben kann.
    Im Gegensatz zu dem, was einfach IST.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Nein, sie kann nicht erkennen, was Paul für sie getan hat, weil sie es nicht will, weil sie viel zu sehr fixiert ist auf das, was ihr vermeintlich genommen wurde, wo sie sich betrogen fühlt. Aber dagegen ist man chancenlos.


    Das finde ich einen ganz, ganz wichtigen Punkt an Georgina.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Dass er aber Paul so unterschätzt, schenkt mir eine gewisse Befriedigung. Entschuldigung. Nicht nur, dass er genau gewusst hat, dass seine Frau ihn mit Raharjo betrügt. Seine „Warnung“ (Seite 428) lässt ein kleines heimliches Teufelchen in mir frohlocken.


    ... absolut im Sinne der Autorin!


    Zitat

    Original von Lipperin
    Aber welcher Wind hat ihn gerade an diesen Strand gespült?


    Eine Vorstellung, die ich bei dieser Geschichte hatte: das Schicksal bringt sie genau zusammen, wie es ihnen Felsen in den Weg wirft und sie wieder trennt.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Was soll man für sie wünschen? Gerade in Bezug auf Seite 430 wünsche ich ihr vor allen Dingen eines: Dass sie lernt, loszulassen. Ihre Träume, ihre Trauer. Das wäre nicht nur für sie gut.


    Ein sehr weiser und schöner Wunsch, liebe Lipperin.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Seite 421 bringt einer leidenschaftlichen Teetrinkerin die Frage, was denn bitte eine „Stimme wie bitterer Kaffee mit einem Schuss Milch“ ist. Darunter kann sie sich nämlich so gar überhaupt nichts vorstellen.


    Wirklich einen bitteren, rabenschwarzen Kaffee - in dem man zwar irgendwie schmeckt, dass Milch drin ist, aber zu wenig, um dieses Bittere abzumildern.

  • Der Abschnitt wäre für mich ein sooo schönes Ende gewesen - Raharjo durch die Jahre und die Liebe versöhnt, Georgina muss noch einmal durch ein Tief, kommt daraus aber mit Raharjos Hilfe heraus und entscheidet sich letztlich doch für Paul. Tja - und dann kamen die letzten Sätze dieses Abschnitts, die alles wieder umgekehrt haben und ich war stinkesauer :fetch. Nicht auf das Buch, nein, sondern auf Paul. Wie kann er nur !?!


    Natürlich hat er aus seiner Sicht "richtig"gehandelt, er will Georgina behalten und ja, seine List war ganz schön schlau eingefädelt. Aber es ist m. M. n. grundfalsch. Man kann niemanden zur Liebe zwingen. Er kann Georgina noch jahrelang nach England schicken oder Raharjo einschüchtern, sogar töten - so lange Raharjo in Georginas Herzen ist, ist kein (zumindest nicht genügend) Platz für ihn. Und leider verspielt er die große Chance, dass Georgina freiwillig und von selbst zu ihm (zurück)kommt. Erst dann würde sich dieser Knoten nämlich auflösen! Aber nein - er muss es auf die Brachialtour machen. Zumindest erkennt er es, aber im Resultat ändert es nichts.


    Mir tut Georgina sehr, sehr leid und ich empfinde das Buch momentan als sehr traurig. Vor allem, weil ihr ständig die Möglichkeit genommen wird, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Männer in ihrem Leben handeln zwar alle aus nachvollziehbaren und ehrbaren Gründen, dennoch nehmen sie ihr die Möglichkeit, selbst zu entscheiden. Ihr Vater verschweigt ihr ihre Herkunft, Raharjo lässt sie im Stich (aus ihrer Sicht gesehen) und gibt ihr auch noch die Schuld an einer Alternativlösung, in die sie hinenstolpert und Paul behandelt sie wie ein kleines Kind, nur um sie an sich zu binden. Mir kommt Georgina vor wie ein kleines Boot, das steuerlos auf den Wellen des Meeres hin- und hergeschmissen wird. Sie hat überhaupt keine Möglichkeit, Fuß zu fassen und sich einzuwurzeln, weil immer wieder Brecher von der Seite kommen die meinen, sie müsste woandershin.


    Mir macht es ja eigentlich gar nichts aus, hier so still vor mich hinzuschreiben, aber bei dieser Frage wundere ich mich schon, dass dazu noch gar nichts angemerkt wurde. Falls noch jemand mitliest, würde ich gerne eure Meinung dazu hören. Empfinde nur ich das so dramatisch? Findet ihr Pauls Verhalten wirklich richtig?


    Zitat

    Original von Nicole
    Diese Frage, was alles hätte sein können, hätte sie um ihre Herkunft schon viel früher gewusst - das Wissen, das Bewusstsein um ein ungelebtes Leben, das einem dadurch verwehrt wurde - das hat mich bei diesem Buch umgetrieben.


    Ja, es ist ein Buch der verpassten Chancen. Wobei es von Anfang an besser hätte laufen können, wenn z. B. Paul ihr die Möglichkeit einer Entscheidung gegeben hätte. Denn mit einem wirklich "Ja", auch wenn es aus einer Zwangslage heraus entstanden wäre, wäre die Ehe sicher anders (besser) geworden.


    Zitat

    Original von Lipperin
    Nein, sie kann nicht erkennen, was Paul für sie getan hat, weil sie es nicht will, weil sie viel zu sehr fixiert ist auf das, was ihr vermeintlich genommen wurde, wo sie sich betrogen fühlt. ... „Du hast noch nicht einmal versucht, mich je kennenzulernen“ (Seite 409).


    Das ist absolut richtig. Aber Paul ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass sich Georgina so betrogen fühlt. Auch wenn er sie wirklich liebt, sich kümmert und sorgt - er hätte ihr ihre Entscheidungen lassen sollen und kann sich nicht hinterher beschweren, dass sie sich zu wenig um ihn sorgt, nachdem er sich so aufgedrängt hat.


    Sicher geht es Georgina bei Paul wesentlich besser als beim unberechenbaren Raharjo. Aber es sollte doch ihre Entscheidung sein, was sie aus ihrem Leben macht und die fehlt! Ich weiß momentan auch gar nicht, welches Ende ich Georgina wünschen soll. Wahrscheinlich eins, in dem sie beide Männer ans Ende der Welt schickt und alleine glücklich wird. Aber dazu ist sie nicht der Typ. Solche "Luftwesen" brauchen jemanden, der sie an die Erde oder ans Wasser bindet.


    Zitat

    Original von Saiya
    Und wieder ist es Paul, der genau zu ahnen scheint, was bzw. wer ihr helfen kann, der ihr einen Weg zeigt, wie sie aus diesem Loch heraus finden kann.


    Paul hat ganz richtig erkannt, dass in dieser Frage er Georgina nicht viel helfen kann, sondern dass Raharjo ihr das als "Außenseiter" der Gesellschaft viel besser kann. Und zumindest das war das Gute an dieser ganzen Aktion - Georgina hat erstmal jemanden, der ihr weiterhilft und bei dem sie ihr Herz ausschütten kann. Paul wäre da einfach die falsche Person dafür gewesen und jemand anders hatte sie leider nicht.


    Zitat

    Original von Ayasha
    Nilams und Raharjos (vorerst?) letztes Zusammensein hat mich sehr berührt. Die Atmosphäre ist sehr melancholisch und man spürt, dass die beiden trotz einem inneren Feuer füreinander, das wohl nie ganz ausgehen wird, immer mehr auseinander driften.


    Diese melancholische Atmosphäre habe ich auch so empfunden. Ein leises Abschiednehmen und deshalb hätte es für mich so wunderbar gepasst, wenn die beiden dann aus Überzeugung auseinandergegangen wären. Ohne Einmischung von außen.


    Das zweite, was mich hier so traurig stimmt, ist die Sache mit dem "falschen" Kind.


    Zitat

    Original von Nicole


    Sie müsste es besser wissen, ja.
    Aber auch da stellt sich wieder (ihr genauso wie uns) die Frage: wäre es wirklich gut für Duncan? Jetzt? In dieser Zeit? Oder womöglich auch ein Fluch, wie bei ihr?


    (andere Stelle)
    Das ist es wirklich, Erleichterung und Fluch zugleich. Mich hat da durchaus die Frage beschäftigt, ob es einen richtigen Zeitpunkt für die Wahrheit gibt und einen falschen ...


    Georgina hat selbst erfahren, wie sehr sie dieses Nichtwissen bzw. jetziges Wissen ihr Leben durcheinandergebracht hat. Dennoch schafft sie es nicht, Duncan die Wahrheit zu sagen. Sie findet genauso Gründe (die sicher auch ihre Berechtigung haben), wie ihr Vater. Und das ist das traurige: die Geschichte wiederholt sich immer wieder und wir Menschen sind nicht fähig, aus den Fehlern unserer Vorfahren zu lernen. Selbst wenn wir es eigentlich besser wissen müssten, finden wir immer wieder Entschuldigungen und Ausreden, warum wir nicht das richtige tun. Das werfe ich Georgina nicht mal vor, ich glaube, wir Menschen sind einfach so. Leider.


    Ja, es gibt einen falschen Zeitpunkt für die Wahrheit, dieser war so einer. Allerdings (und das ist das schöne an der Geschichte) ist es auch hier wieder absolut nachvollziehbar, wieso Gordon es bisher verschwiegen hat und genau jetzt damit herausrückt.


    Ein Fluch war aber sicher nicht Georginas Herkunft, sondern ihr Nicht-Wissen darum. Sie hat gespürt, dass etwas nicht stimmt, konnte das aber nie einordnen. Hätte sie gewusst, wer wie wirklich ist, hätte sie mit diesen Verhaltensweisen sehr viel mehr umgehen können. Für Duncan wäre die Eröffnung sicher ein Schock, aber er würde damit zurechtkommen und sich selbst (z. B. seine Liebe zum Meer) besser verstehen. Und ob er dieses Wissen dann für sich selbst behält (und für die Umwelt damit ein Weißer bleibt) oder etwas anderes tut ist dann seine Entscheidung, die er selbst treffen darf.

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Der Abschnitt wäre für mich ein sooo schönes Ende gewesen - Raharjo durch die Jahre und die Liebe versöhnt, Georgina muss noch einmal durch ein Tief, kommt daraus aber mit Raharjos Hilfe heraus und entscheidet sich letztlich doch für Paul. Tja - und dann kamen die letzten Sätze dieses Abschnitts, die alles wieder umgekehrt haben und ich war stinkesauer :fetch. Nicht auf das Buch, nein, sondern auf Paul. Wie kann er nur !?!


    Als ich im Manuskript genau an dieser Stelle angekommen war, saß ich davor und dachte: wäre doch ein gutes Ende. Mit einem schönen Schlussbild.


    Aber eben - der Knoten wäre da nicht aufgelöst gewesen.
    Und ich finde, er muss aufgelöst werden.


    Zitat

    Original von Lese-rina
    Natürlich hat er aus seiner Sicht "richtig"gehandelt, er will Georgina behalten und ja, seine List war ganz schön schlau eingefädelt. Aber es ist m. M. n. grundfalsch. Man kann niemanden zur Liebe zwingen. Er kann Georgina noch jahrelang nach England schicken oder Raharjo einschüchtern, sogar töten - so lange Raharjo in Georginas Herzen ist, ist kein (zumindest nicht genügend) Platz für ihn. Und leider verspielt er die große Chance, dass Georgina freiwillig und von selbst zu ihm (zurück)kommt. Erst dann würde sich dieser Knoten nämlich auflösen! Aber nein - er muss es auf die Brachialtour machen. Zumindest erkennt er es, aber im Resultat ändert es nichts.


    Ich find's klasse, dass Du's ansprichst, Lese-rina - und genau diese Gedanken haben mich beim Schreiben auch beschäftigt.


    Zitat

    Original von Lese-rina
    Mir tut Georgina sehr, sehr leid und ich empfinde das Buch momentan als sehr traurig. Vor allem, weil ihr ständig die Möglichkeit genommen wird, ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Die Männer in ihrem Leben handeln zwar alle aus nachvollziehbaren und ehrbaren Gründen, dennoch nehmen sie ihr die Möglichkeit, selbst zu entscheiden. Ihr Vater verschweigt ihr ihre Herkunft, Raharjo lässt sie im Stich (aus ihrer Sicht gesehen) und gibt ihr auch noch die Schuld an einer Alternativlösung, in die sie hinenstolpert und Paul behandelt sie wie ein kleines Kind, nur um sie an sich zu binden. Mir kommt Georgina vor wie ein kleines Boot, das steuerlos auf den Wellen des Meeres hin- und hergeschmissen wird. Sie hat überhaupt keine Möglichkeit, Fuß zu fassen und sich einzuwurzeln, weil immer wieder Brecher von der Seite kommen die meinen, sie müsste woandershin.


    Mich berührt das sehr, dass Du hier so für sie empfindest - und mir gefällt das Bild mit dem Boot ausnehmend gut!




    Zitat

    Original von Lese-rina
    Paul hat ganz richtig erkannt, dass in dieser Frage er Georgina nicht viel helfen kann, sondern dass Raharjo ihr das als "Außenseiter" der Gesellschaft viel besser kann. Und zumindest das war das Gute an dieser ganzen Aktion - Georgina hat erstmal jemanden, der ihr weiterhilft und bei dem sie ihr Herz ausschütten kann. Paul wäre da einfach die falsche Person dafür gewesen und jemand anders hatte sie leider nicht.


    Das macht Paul für mich so spannend - dass er sie einerseits so gut kennt, ihr diese Freiheit lässt (und sich selbst da zurücknimmt) und andererseits zu einer solchen List greift, um sicherzustellen, dass sie ihm dennoch nicht davonläuft.



    Zitat

    Original von Lese-rina
    Georgina hat selbst erfahren, wie sehr sie dieses Nichtwissen bzw. jetziges Wissen ihr Leben durcheinandergebracht hat. Dennoch schafft sie es nicht, Duncan die Wahrheit zu sagen. Sie findet genauso Gründe (die sicher auch ihre Berechtigung haben), wie ihr Vater. Und das ist das traurige: die Geschichte wiederholt sich immer wieder und wir Menschen sind nicht fähig, aus den Fehlern unserer Vorfahren zu lernen. Selbst wenn wir es eigentlich besser wissen müssten, finden wir immer wieder Entschuldigungen und Ausreden, warum wir nicht das richtige tun. Das werfe ich Georgina nicht mal vor, ich glaube, wir Menschen sind einfach so. Leider.


    Genau das wollte ich damit rüberbringen. :-)

  • Zitat

    Original von Lese-rina
    Man kann niemanden zur Liebe zwingen.


    Und doch geschieht genau das immer wieder, leider nicht nur im Roman.


    Zitat

    Mir macht es ja eigentlich gar nichts aus, hier so still vor mich hinzuschreiben, aber bei dieser Frage wundere ich mich schon, dass dazu noch gar nichts angemerkt wurde. Falls noch jemand mitliest, würde ich gerne eure Meinung dazu hören. Empfinde nur ich das so dramatisch? Findet ihr Pauls Verhalten wirklich richtig?


    Mitlesen immer ... nur leider fehlt mir momentan zu oft Zeit und Gelegenheit zu antworten.


    Deine Frage empfinde ich als ziemlich komplex. Was ist richtig, was ist falsch? Wer handelt hier richtig, wer falsch? Eines bedingt das andere, ein Gefühl provoziert ein anderes, ein Handeln ebenso ein anderes. Ich glaube, dass Paul - aus seiner Sicht - gar nichts anderes übrig blieb als so zu handeln, wie er es tat. Von daher: Sein Handeln ist für mich plausibel, es ergibt "Sinn", es hat sozusagen eine eigene Logik, für wie richtig oder falsch ich das auch halte. Paul ist für mich im Grunde die stimmigste Figur; dass ich ihn mag, wird man wohl erkannt haben :grin. Vielleicht mag ich ihn, weil ich bei ihm das Gefühl habe, er würde das "schwankende Schilfrohr" nicht brechen, sondern stützen - mit seinen Mitteln und denen, die er für richtig hält -, im Gegensatz zu einer anderen männlichen Figur in diesem Roman ... Namen werden selbstverständlich nicht genannt. :grin

  • Zitat

    Original von Lipperin


    Mitlesen immer ... nur leider fehlt mir momentan zu oft Zeit und Gelegenheit zu antworten.


    Tja, das kenn ich leider nur zu gut. :knuddel1 Schön, dass du trotzdem geantwortet hast!


    Wir sehen eh viel ähnlich, obwohl unsere Meinung im Resultat dann auseinandergeht. Ja Pauls Handeln ist absolut nachvollziehbar (wie eigentlich von allen Protagonisten in dem Roman - ein ganz großes Plus!). Bei aller Kritik, die ich an ihm anbringe, müsste er mir eigentlich unsympathisch sein - ist er aber nicht! Weil ich sein Handeln nicht nur verstehe, sondern auch seine Motive gutheiße - trotzdem seine Entscheidungen für "falsch" halte. Ja, er bzw. alle sind komplex, aber gerade diese Komplexität hat seinen eigenen Reiz. Es macht das Buch nicht einfach und so zu schreiben ist sicher ein Risiko - schön aber, dass es auch solche Geschichten gibt!

    "Alles vergeht. Wer klug ist, weiß das von Anfang an, und er bereut nichts." Olga Tokarczuk (übersetzt von Doreen Daume), Gesang der Fledermäuse, Kampa 2021