Lisa Ballantyne - Der Schuldige

  • Klappentext:


    Der Londoner Anwalt Daniel Hunter ist der Mann für hoffnungslose Fälle. Doch als der 11jährige Sebastian, der einen Jungen ermordet haben soll, sein Klient wird, ändert sich alles. Denn je tiefer er in die schwierigen Familienverhältnisse Sebastians eintaucht, desto mehr erinnert er sich an seine eigene Kindheit, die er in Pflegefamilien verbracht hat - und an seine Adoptivmutter Minnie. Ihre Liebe hat ihn gerettet, bis auch sie ihn enttäuschte. Aber was hat Minnie getan, dass er sie aus seinem Leben verbannte? Ist Daniel überhaupt noch objektiv genug für diesen Fall?


    Autorin:


    Lisa Ballantyne wurde 1975 in Armsdale, Schottland geboren, wo sie Englische Literatur studierte. Sie hat einige Jahre in China gelebt, wo sie in den Bereichen Internationale Entwicklung und Bildung tätig war. 2002 kehrte sie in ihre Heimat zurück, um an der Universität Glasgow zu unterrichten. "Der Schuldige" ist ihr erster Roman.


    Meine Meinung:


    Daniel Hunter, Mitte dreissig und in London als Anwalt tätig, übernimmt einen Aufsehen erregenden Fall. Der 11 jährige Sebastian soll angeblich seinen 8 jährigen Freund Ben erschlagen haben. Daniel erkennt schnell, dass es in Sebastians Familie Probleme gibt.
    Ausserdem erinnert ihn der Junge an ihn selbst in diesem Alter. Eine Drogensüchtige Mutter und verschiedene Pflegefamilien bestimmten sein Leben, bis er schließlich bei Minnie Flynn ein neues Zuhause findet. Doch als junger Mann bricht er den Kontakt zu Minnie ab. Warum?


    Der Leser erfährt von Daniels schwieriger Kindheit und Jugend. In einem weiteren Handlungsstrang wird der Weg zu Sebastians Prozess und dieser selbst geschildert.
    Am Ende wird auch geklärt, ob Sebastian tatsächlich den kleinen Ben umbrachte. So bleiben keine Fragen offen.


    Obwohl es um Mord geht, ist "Der Schuldige" kein Kriminalroman. Es ist ein Buch in dem es um Schuld, um die Unfähigkeit zu verzeihen, um verpasste Gelegenheiten, und letztendlich um die Erkenntnis, dass es irgendwann zu spät für Vergebung ist, geht.


    Ausserdem wirft es die Frage auf, in wie weit ein 11 Jähriger zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann. Und ob eine volle Strafmündigkeit ab einem Alter von 10 Jahren, wie in England üblich, tatsächlich gerechtfertigt ist.


    Von Anfang an hatte mich dieses Buch beim Wickel. Ein ansprechender Schreibstil und eine gelungene Mischung aus Spannung, Wehmut, Freude und Hoffnung ließen mich Sebastians und Daniels Wege mit verfolgen.
    Für mich war es ein tolles Buch, das mich mitgerissen hat.


    10 Punkte

  • Dieses Buch wird in der Rubrik "Krimi/Thriller" gelistet und dort dürfte es unter Berücksichtigung aller Standpunkte wohl zurecht stehen. Es ist aber ein Buch, dass sich in der Struktur und vor allem dem Inhalt eines Handlungsstranges und dessen starker Gewichtung von der Usanz in diesem Genre unterscheidet. Es gibt den in der Kurzbeschreibung erwähnten Fall um Tod des achtjährigen Jungen Ben der auf einem Spielplatz erschlagen aufgefunden wird und um den dringend der Tat verdächtigten elfjährigen Sebastian der über die ganze Geschichte hinweg in Haft ist und sich schlussendlich vor Gericht verantworten muss. Sein Anwalt/Verteidiger Daniel, der wegen seiner drogensüchtigen Mutter eine schwere Kindheit hatte und lange Zeit bei diversen Pflegeeltern verbracht hat, fühlt sich aus diesem Grunde zu jugendlichen Mandanten die eines Verbrechens bezichtigt werden beinahe hypnotisch hingezogen. Das eine erwachsene Hauptfigur wie ein Kommissar, Detektiv oder ähnliches eine Psychose mit sich herumträgt und an der zu knabbern hat ist bei Krimis/Thriller mittlerweile so abgedroschen das man als Leser solche Bücher wütend in die Ecke schmeissen möchte.


    Bei diesem Buch ist es aber so, dass weit über die Hälfte hinaus die Rückblende in die Vergangenheit von Daniel den absolut dominierenden Part einnimmt und diese hat mit einem klassischen Krimi eher wenig bis gar nix zu tun. Es geht um die Entwicklung von Daniel und das Erwachsen werden. Hier trifft er auf meine persönliche Lieblingsfigur in diesem Roman: Minnie. Sie schafft es auf ihrer etwas abgelegenen Farm den jungen Daniel mit seinem störrischen Verhalten zu konfrontieren und sein Vertrauen zu gewinnen. Es geht sogar soweit, dass Minnie den Jungen adoptiert. Früh im Roman bemerkt der Leser, dass ein einschneidendes Ereignis die beiden auseinander gebracht hat so dass sie seit Jahren keinen Kontakt mehr zueinander haben. Im letzten Drittel wechselt der Schwerpunkt voll und ganz auf die Gerichtsverhandlung. Der Kriminalroman als Ganzes gesehen bezieht seine Spannung aus folgenden zwei Fragen: Was hat Minnie und Daniel entzweit? Und hat Sebastian den jüngeren Ben tatsächlich umgebracht?


    In meiner Gesamtbewertung kommt das Buch deshalb ganz ansprechend weg, weil mich Daniels und Minnies Geschichte fesseln konnte und beide als tragende Hauptfiguren von der Autorin gut ausgearbeitet sind. Etwas mager gestaltet fand ich die Basisgeschichte um die Tat und Sebastian als Angeklagten. Über weite Strecken hinweg fristet sie ein Mauerblümchendasein und dann wird sie plötzlich in aller detailverliebtheit in den Vordergrund gehoben. Immerhin, der ungewöhnliche Aufbau ist zumindest mal was ganz anderes als der übliche Einheitsbrei. Wer einen Gerichtsthriller, ganz so wie es der Klappentext suggeriert, à la John Grisham lesen möchte sollte von diesem Buch besser die Finger lassen sonst gibt es eine Enttäuschung. Ansonsten kann man dieses Buch getrost kaufen und lesen. Es ist trotz einiger Schwachpunkte per Saldo aller Dinge so manchem Durchschnittskrimi überlegen. Wertung: 7 Eulenpunkte


    Edit: Ich sehe gerade das es bei den Eulen unter Belletristik gelistet ist ... :wow Joah ... wenn man will kann man es auch da einsortieren. Mein Eingangssatz zu dieser Rezi bezog sich auf den btb Verlag bei dem es in der Rubrik Krimi veröffentlicht wurde.