Gentlemen, wir leben am Abgrund – Thomas Pletzinger

  • Thomas Pletzinger: Gentlemen, wir leben am Abgrund
    Kiepenheuer & Witsch; 2012



    Thomas Pletzinger spielte in seiner Jugend selbst Basketball und träumte von einer Profikarriere in diesem Sport. Da sein Talent dafür nicht reichte, hängte er das geliebte Hobby schließlich an den Nagel. Völlig losgelassen hat ihn der orangefarbene Ball aber nie.


    Viele Jahre später kommt er schließlich doch noch mit einer professionellen Basketballmannschaft in Berührung, wenn auch nicht aktiv auf dem Feld stehend: Als Schriftsteller begleitet er den Bundesligisten Alba Berlin eine Saison lang, vom ersten Trainingscamp bis zu den Playoffs. Pletzinger ist immer dabei, beim Training, bei den Spielen, in der Kabine, in Hotels, in Bussen und Flugzeugen.


    Der Alltag von Profi-Basketballspielern ist recht eintönig: Man trainiert, man spielt, man ist unterwegs. Dass dieses Buch gar nicht erst Gefahr läuft, in eine sich immer wiederholende Monotonie zu verfallen, ist auf eine glückliche Fügung zurückzuführen: Die Saison, die Pletzinger mit Alba verbringt, ist von Höhen und Tiefen geprägt, die sich ein Schriftsteller kaum besser hätte ausdenken können. Spieler werden ausgetauscht, der Trainer wechselt mitten im Jahr, die Mannschaft erlebt berauschende Siege und demoralisierende Enttäuschungen, sie erleidet die höchste Niederlage der Vereinsgeschichte und findet sich schlussendlich doch im Finale um die Deutsche Meisterschaft wieder. Pletzinger erzählt diese Achterbahnfahrt nicht chronologisch, er greift vorweg, setzt Akzente und ist bei alledem immer nahe dran, an den Spielern, am Trainerstab. Die Emotionen, die Spieler und Trainer befallen, der Siegeswille während eines Spiels, die Euphorie nach einem Sieg, die Frustration nach schlechten Spielen, die Zähigkeit der vielen Stunden unterwegs, vor allem aber der Enthusiasmus, mit dem sich alle Beteiligten für ihren Sport einsetzen, werden eindringlich und plastisch geschildert und für den Leser greifbar.


    Diese Eindringlichkeit ist vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass sich Pletzingers Position innerhalb der Mannschaft im Laufe der Saison verändert: Er rückt immer näher an das Team heran, versinnbildlicht durch sein Vorrücken von den höheren Tribünenrängen zur Bank; nach und nach wird er vom stillen Beobachter zu einem Teil des Teams. «Während der ganzen Saison habe ich nicht daran gedacht, aber jetzt fällt mir auf, dass nur Spieler und Trainer in der Kabine sind. Und ich. Ich bin mittendrin.» Mittendrin in einem Leben, das der Autor selbst nicht gelebt hat, mittendrin in einem unerfüllten Traum aus jungen Jahren. Und so findet sich auch hier und da mal eine Erinnerung an die Zeit, in der er noch selbst auf dem Spielfeld stand, in der er sich so ein Leben wünschte, wie er es jetzt – bisweilen mit leichter Melancholie – beobachtet.


    „Gentlemen, wir leben am Abgrund“ ist ein fesselndes Buch über die Faszination Basketball, ein intensiv erzählter Blick hinter die Kulissen. Sehr lesenswert, zumindest für Sportinteressierte.