Ein ganzes Leben - Robert Seethaler

  • Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
    Verlag: Hanser Berlin, 2014


    Kurzbeschreibung:
    Als Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er vier Jahre alt, ungefähr – so genau weiß das keiner. Er wächst zu einem gestandenen Hilfsknecht heran und schließt sich als junger Mann einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut und mit der Elektrizität auch das Licht und den Lärm in das Tal bringt. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens, die er jedoch wieder verlieren wird. Erst viele Jahre später, als Egger seinen letzten Weg antritt, ist sie noch einmal bei ihm. Und er, über den die Zeit längst hinweggegangen ist, blickt mit Staunen auf die Jahre, die hinter ihm liegen. Eine einfache und tief bewegende Geschichte.


    Über den Autor:
    Robert Seethaler, 1966 in Wien geboren, ist ein vielfach ausgezeichneter Schriftsteller und Drehbuchautor. Sein vierter Roman Der Trafikant wurde zu einem großen Publikumserfolg. Ein ganzes Leben ist sein erstes Buch bei Hanser Berlin. Robert Seethaler lebt in Wien und Berlin.


    Mein Eindruck:


    Österreichische Literatur, die mich an Schlafes Bruder von Robert Schneider erinnert.
    Die Schönheit des Textes liegt in seiner Einfachheit und Strenge, mit der ein Leben erzählt wird.


    Der Ton ist kühl, aber das heißt nicht, dass die Hauptfigur kalt wäre. Im Gegenteil.
    Andreas Egger ist in einfachsten Verhältnisse gehandicapt in einem abgelegenen Tal in Österreich aufgewachsen und arbeitet hart. Das Leben in dieser Naturgegend ist einfach, schwierig und oft einsam, doch manchmal auch schön. Eggers trifft eines Tages das Dienstmädchen Marie, mit der eine kurze Zeit der Liebe erlebt.
    Egger wird sein Leben in dem Dorf und den Bergen verbringen, nur von einigen Jahren Kriegsgefangenschaft unterbrochen.



    Seethaler wählt einen schlichten Stil, passend zur Geschichte und überzeugt damit.
    Es gab zwar schon öfter Bücher dieser Art, aber Ein ganzes Leben ist dennoch sehr lesenswert.
    Ich wünsche dem Buch viel Erfolg, da es diese Art von Literatur verdient hat!

  • Ein Buch, das von der besten Ehefrau von allen stammt- ich hätte nie für nur 153 Seiten 17,90€ ausgegeben, da kommt dann doch die schwäbische Erziehung durch.


    Ein Buch, das ein Leben auf 153 Seiten beschreibt. Ein karges Leben in einer kargen Umwelt, mit einer kargen Sprache geschrieben. Andreas Egger wird 1902 geboren, in einer ganz anderen Welt. Bergbauern sein war damals noch nah am Mittelalter. Gewalt gegenüber Kinder war mehr als normal, die Gewalt der Natur war alltäglich. Schule war keine Selbstverständlichkeit. Das Leben war hart. Nur langsam kam über den Tourismus die Welt in die Berge. Andreas Egger arbeitet dafür, er arbeitet bei der Bergbahn- trotz einer Behinderung, aber auch wenn die Welt in die Berge kommt, Andreas Egger kommt nicht in die Welt, selbst dann nicht als er den Krieg und die Kriegsgefangenschaft in Russland überlebt, selbst dann nicht, als er als Bergführer in Kontakt kommt mit denen, die die Berge so anders sehen als er.


    Ein kleines Buch im Format, aber ein großartiges Buch in Inhalt und Form.

  • Das Buch ist jetzt auf der Longlist des Man Booker International Prize, wie ich eben gelesen habe.


    Der Man Booker International Prize wurde 2005 als Ergänzung zum renommierten Bookerpreis geschaffen, für den allein englischsprachige Romane infrage kommen, die in Großbritannien und dem Commonwealth veröffentlicht wurden.


    Das wäre eine tolle Sache, wenn Seethaler gewinnen würde!

  • Im Rückblick schnurrten in Andreas Eggers Leben Jahrzehnte zusammen zu wenigen Sätzen. Seine schwere Kindheit, Krieg und Gefangenschaft verdichteten sich; die kurze glückliche Zeit mit seiner Frau Marie überstrahlt alles andere. Andreas ist ungefähr 1898 geboren und wird als Kleinkind gegen Bezahlung zum Schwager seiner verstorbenen Mutter gegeben. Erst mit 18 wehrt er sich gegen die ständigen Prügel des Großbauern, obwohl er schon vorher kräftig genug dazu gewesen wäre. Durch Schläge körperlich gezeichnet, zieht Egger lebenslang Befriedigung aus körperlicher Arbeit, seinem Ansehen als starker, zupackender Gelegenheitsarbeiter. Eine Seilbahn wird gebaut, Tourismus entwickelt sich und gibt Egger die Möglichkeit, etwas anderes zu sein als Bauer oder Arbeiter. Der Zweite Weltkrieg überrascht das Dorf, Egger führt im Krieg Befehle aus wie so viele und kehrt nach Jahren der Gefangenschaft ins Dorf zurück. Eggers Persönlichkeit macht beispielhaft verständlich, wie es zu Diktatur und Krieg kommt, wenn einfache Leute „ihre Pflicht tun“. Für Menschen wie ihn bleibt die Arbeit unter jedem Chef und jedem Regime dieselbe.


    Robert Seethaler zeichnet hier punktgenau mit wenigen Worten das Leben eines einfachen Mannes, der aus heutiger Sicht beinahe zu arbeitsam und bedürfnislos wirkt. An vielen Stellen spricht der Autor für seine Figur, die selbst viel zu bescheiden wäre, um so viele Worte über ein einfaches Leben zu machen. Was Andreas Egger selbst zu sagen hat, bleibt in Erinnerung und ersetzt ganze Zitatensammlungen: „Wem das Maul aufgeht, dem gehen die Ohren zu“ z. B. Ein beachtliches Buch, das es bis auf die Shortlist des Man Booker International Prize geschafft hat.


    9 von 10 Punkten

  • Andreas Egger, geb. 1898, lebt in den österreichischen Alpen. Nach dem Tod der Eltern landet er als "Bankert" auf dem Hof eines brutalen Despoten, der den kleinen Jungen so schlägt, dass er für immer ein Krüppel bleibt. Andreas lernt, so wenige Worte wie möglich zu benutzen, denn: wer spricht, fällt auf, und das ist nicht gut. Andreas führt sein Leben - und parallel verändert sich die Geschichte. Die erste Seilbahn wird gebaut, eine Lawine zerstört Eggers Hütte und tötet seine Frau, der zweite Weltkrieg führt Egger in russische Gefangenschaft, und ein weiterer Unfall führt dazu, dass er sich neu erfinden muss: als redegewandter Bergführer.


    Robert Seethaler, geb. 1966, ist ein vielfach ausgezeichneter österreichischer Autor.
    "Ein ganzes Leben" wurde auf die diesjährige Longlist für den Booker Price international gesetzt und in meinen Augen als zurecht.



    Mir hat dieses kurze, intensiv verdichtete Buch sehr gut gefallen - ich musste es in einem Rutsch durchlesen, weil jedes Ereignis das nächste bedingt, und so ein Spannungsbogen aufgebaut wird. Der Held ist zu Beginn bedauernswert und sympathisch, aber entwickelt sein eigenes Leben, seine Ecken und Kanten - wie die Gebirgslandschaft, in der er die meiste Zeit seines Lebens verbringt.
    Die einfache Sprache passt zu diesem einfachen Menschen, der in seiner Welt aber doch sein Glück findet. Und ich habe manches Mal doch gedacht (Stichwort Tourismus): Wie recht er doch hat. Mich hat der Roman berührt. Nicht zuletzt wird man auch demütig.


    Fazit: ein berührender, melancholischer Roman, absolut lesenswert! 9/10

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste

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  • Ein ganzes Leben steckt in diesen knapp 200 Seiten dickes Buch. Seethaler verwendet eine wunderbare Sprache für die knapp gehaltene Beschreibung eines Lebens. Es passiert wirklich nicht so viel, aber was passiert ist gravierend. Handlungsort ist v.a. ein Tal. Das ländliche Leben dort ist förmlich zu spüren. Der Protagonist hatte kein einfaches Los gezogen, dennoch hat er es gut gemeistert. Ich habe diesen alten Berghaini echt ins Herz geschlossen.


    Von mir eine absolute Leseempfehlung, für eine aufs wichtigste reduzierte Geschichte. Volle Punktzahl!!!

  • Titel: Ein ganzes Leben

    Autor: Robert Seethaler

    Verlag: Hanser Berlin

    Erschienen: Juli 2014

    Seitenzahl: 160

    ISBN-10: 3446246452

    ISBN-13: 978-3446246454

    Preis: 17.90 EUR


    Das sagt der Klappentext:

    Als Andreas Egger in das Tal kommt, in dem er sein Leben verbringen wird, ist er vier Jahre alt, ungefähr - so genau weiß das keiner. Er wächst zu einem gestandenen Hilfsknecht heran und schließt sich als junger Mann einem Arbeitstrupp an, der eine der ersten Bergbahnen baut und mit der Elektrizität auch das Licht und den Lärm in das Tal bringt. Dann kommt der Tag, an dem Egger zum ersten Mal vor Marie steht, der Liebe seines Lebens, die er jedoch wieder verlieren wird. Erst viele Jahre später, als Egger seinen letzten Weg antritt, ist sie noch einmal bei ihm. Und er, über den die Zeit längst hinweggegangen ist, blickt mit Staunen auf die Jahre, die hinter ihm liegen.


    Der Autor:

    Robert Seethaler, geb. 1966, erhielt zahlreiche Stipendien, darunter das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste und das Heinrich-Heine-Stipendium. Der Film nach seinem Drehbuch 'Die zweite Frau' wurde mehrfach ausgezeichnet und auf verschiedenen internationalen Filmfestivals gezeigt. Robert Seethaler lebt in Wien und Berlin.


    Meine Meinung:

    In einfachen aber sehr eindringlichen Worten beschreibt Robert Seethaler „ein ganzes Leben“, das Leben des Andreas Egger. Ein Leben, vielleicht auf den ersten Blick banal und kaum herausragend, so ist aber gerade ein solches Leben in seiner ungeheuren Intensität, auch durch vermeintlich „aufregendere“ Leben nicht zu schlagen. Denn das was Leben wirklich bedeutet, das beschreibt Robert Seethaler fast schon genial.

    Da lebt einer, der vieles nicht versteht, der aber trotzdem zumeist die richtigen Schlüsse zieht. Egger sieht sich eben nicht als den Mittelpunkt des Ganzen, sieht seine Existenz als Normalität, muss sich nicht in den Vordergrund spielen, er kennt seinen Platz, im Gegensatz zu vielen anderen, die in ihrer grenzenlosen Dummheit meinen sie wären etwas Besonderes, dabei sind sie nichts anderes als der eklige Auswurf des wirklichen Lebens.

    Die Intensität mit der Robert Seethaler seine handelnden Personen zeichnet und beschreibt, ist schon unglaublich beeindruckend. Da gibt es keine süßlich-dümmlichen Lebensbeschreibungen. Die Tiefe, in die Seethaler vorstößt ist nicht kitschig-romantisch, sie ist real, dabei aber trotzdem sehr sensibel und empathisch.

    Ein großartiger Roman. Wer Robert Seethaler noch nicht kennt, der sollte unbedingt auf seinem Bücherregel Platz für einen „Seethaler“ schaffen. Es lohnt sich. 10 Punkte.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.