Gebundene Ausgabe: 519 Seiten
Verlag: C.H.Beck; Auflage: 1 (14. Juli 2014)
ISBN-13: 978-3406667510
Originaltitel: All the Light We Cannot See
Preis Gebundene Ausgabe: Euro 22.95
Preis Kindle E-Book: Euro 18.99
Autor
Anthony Doerr, 1973 in Cleveland geboren, hat die Erzählungsbände "The Shell Collector" („Der Muschelsammler“, C.H.Beck 2007) und "Memory Wall" sowie den Bericht "Four Seasons in Rome" und die Romane "About Grace" ("Winklers Traum vom Wasser", C.H.Beck 2005) und "All the Light We Cannot See" veröffentlicht. Er wurde u. a. mit dem Barnes & Noble Discover Prize, dem Rome Prize, dem New York Public Library’s Young Lions Fiction Award und zwei Mal mit dem Pushcart Prize ausgezeichnet. Für seine Erzählungen hat er bislang vier Mal den renommierten O. Henry Prize erhalten. Im Jahr 2007 wurde Anthony Doerr von der britischen Literaturzeitschrift "Granta" auf die Liste der 21 Best Young American Novelists gesetzt.
Kurzbeschreibung/Klappentext
Saint-Malo 1944: Marie-Laure, ein junges, blindes Mädchen, ist mit ihrem Vater, der am "Muséum National d’Histoire Naturelle" arbeitet, aus dem besetzten Paris zu ihrem kauzigen Onkel in die Stadt am Meer geflohen. Einst hatte er ihr ein Modell der Pariser Nachbarschaft gebastelt, damit sie sich besser zurechtfinden kann. Nun ist in einem Modell Saint-Malos, der vielleicht kostbarste Schatz aus dem Museum versteckt, den auch die Nazis jagen.
Werner Hausner, ein schmächtiger Waisenjunge aus dem Ruhrgebiet, wird wegen seiner technischen Begabung gefördert, auf eine Napola geschickt und dann in eine Wehrmachtseinheit gesteckt, die mit Peilgeräten Feindsender aufspürt, über die sich der Widerstand organisiert. Während Marie-Laures Vater von den Deutschen verschleppt und verhört wird, dringt Werners Einheit nach Saint-Malo vor, auf der Suche nach dem Sender, über den Etienne, Marie-Laures Onkel, die Résistance mit Daten versorgt …
Kunstvoll und spannend, mit einer wunderschönen Sprache und einem detaillierten Wissen um die Kriegsereignisse, den Einsatz des Radios, Widerstandscodes, Jules Verne und vieles andere erzählt Anthony Doerr mit einer Reihe unvergesslicher Figuren eine Geschichte aus dem zweiten Weltkrieg, und vor allem die Geschichte von Marie-Laure und Werner, zwei Jugendlichen, deren Lebenswege sich für einen folgenreichen Augenblick kreuzen.
Meine Meinung
"Im August 1944 brannte das alte Saint-Malo, das strahlendste Juwel der Smaragdküste der Bretagne, fast völlig nieder ... Von den 865 Häusern innerhalb der Stadtmauern blieben nur 182 stehen, unversehrt blieb nicht eines."
Ein blindes Mädchen namens Marie-Laure LeBlanc das ohne Mutter mit dem geliebten Vater in Paris lebt und nur mit den Mitarbeitern aus einem Naturwissenschaftlichen Museum Kontakt hat. Ein Waisenjunge aus dem Ruhrgebiet namens Werner Hausner der mit seiner kleinen Schwester Jutta neben einer Zeche aufwächst ... was zu einer rührseligen Schmonzette hätte ausarten können wird einem der besten Romane den ich je gelesen habe. Die Handlung mit den zahlreichen Zeitsprüngen ist gewiss nicht einfach zu verstehen, wer eher wenig liest dürfte mehrfach Mühe haben sich in der sprunghaften Handlung zurechtzufinden, und wer kitschige, melodramatische Romantik erwartet wird bitter enttäuscht werden. Für routinierte Leser/-innen hingegen könnte es die literarische Entdeckung des Jahres werden.
Der Krieg und die vorrückenden Nazis zwingen Marie-Laure zusammen mit ihrem Vater Paris zu verlassen. Im Gepäck unter anderem das Meer der Flammen das vor den Schatzjägern der Nazis gerettet werden soll ... Ein Diamant der mit einem Fluch belastet ist oder ist es eine von drei nachgemachten Kopien die die Nazis verwirren soll? Die beiden gehen zu ihren Verwandten nach Saint-Malo, ein bretonisches Festungsstädchen das von drei Seiten vom Wasser umgeben ist. Dort sind sie fürs Erste in Sicherheit. Wie schon in Paris baut Marie-Laures talentierter Vater eine massstabgetreues kleines Modell der Kleinstadt für die blinde Tochter damit sie sich besser zurechtfinden kann.
Der schmächtige Waise Werner interessiert sich für Radios und experimentiert solange mit ihnen rum bis er sie bis ins letzte Detail versteht. Er wird sogar in eine Nationalpolitische Erziehungsanstalt, eine sogenannte Napola, aufgenommen wo er seine mechanischen und mathematischen Fähigkeiten schärft und mehrfach erfolgreich unter Beweis stellt. Er wird an die Ostfront berufen und spürt dort versteckte Partisanensender auf. Bis er zu einem Einsatz in der nordfranzösischen Bretagne abkommandiert wird ...
Von Anthony Doerr habe ich vor diesem Roman weder was gelesen noch gehört und mit diesem brillant erzählten Roman gesellt er sich nicht nur zu meinen absoluten Top Zehn Schriftsteller-/innen sondern er hat sich in mein Herz geschrieben. Er besitzt eine meisterhafte Beobachtungsgabe und den geschärftem Blick für Details samt einem untrüglichen Gespür für das Gefühlsleben der Protagonisten. Mit sensibler Sprache und geschliffenen Worten erzählt er eine den Menschen zutiefst zugewandte Geschichte vor und während des zweiten Weltkriegs über die Dauer von zehn Jahre hinweg. Mit einer stoischen Ruhe und als hätte er alle Zeit der Welt legt er chronologisch ungeordnet Stück für Stück vom Leben der beiden Hauptfiguren offen und wird zu einem Seelentransporter für die Leser/-innen. Alle drei oder vier Seiten wechselt die Sicht und es stellt sich eine Gleichzeitigkeit der Augenblicke über hunderte Kilometer Distanz ein. Das die Leserschaft lange, sehr lange auf einen ganz bestimmten Moment warten muss wird zur Nebensächlichkeit, der Weg dahin ist das Ziel.
Jetzt hab ich viel geschrieben und doch so vieles unerwähnt gelassen, die Abschnitte von Jules Vernes Bücher oder die kleine Résistance der Damen oder Schatzjäger von Rumpel. Es gibt so viele kleine Dinge in diesem Roman zu entdecken. Bei mir hat sich während des Lesens eine innere Ruhe eingestellt und ich konnte mich von dieser hypnotischen Geschichte nicht mehr lösen. Mit den letzten Seiten bin ich nicht ganz glücklich beziehungsweise sie verwirrten mich und ich musste diese mehrfach lesen. Aber schliesslich ist ein echter Diamant auch nie ganz ohne Einschlüsse, also niemals ganz perfekt. Dennoch, ein Werk wie eine linksgewundene Wellhornschnecke, ein seltenes Glück so eine(s) zu finden. Wertung: 10 Eulenpunkte