Vom Glück mit Büchern zu leben - Stefanie von Wietersheim (Text), Claudia von Boch (Fotos)

  • Stefanie von Wietersheim (Text), Claudia von Boch (Fotos): Vom Glück mit Büchern zu leben, München 2012, Callwey-Verlag, ISBN 978-3-7667-1934-8, Hardcover mit Schutzumschlag, zahlreiche großformatige Farbfotos, 200 Seiten, Format: 28,6 x 22,4 x 2,2 cm, EUR 29,95.


    „Wo Bücher wohnen, da ist Leben, Freiheit, Farbe und Fantasie. Wo Menschen Bücher lesen, wächst Erkennen, Hoffnung, innere Revolte“ (Seite 6)


    Wenn man sich gerne mit Zeitschriften oder Büchern zum Thema Wohnen befasst, stellt man fest: Mit der Lebenswirklichkeit des Durchschnittslesers haben die abgebildeten Traumwohnungen meist nicht viel zu tun. Die Herrschaften, deren Domizile da präsentiert werden, haben Platz und Geld ohne Ende, dafür aber weder Kinder, Katzen, Krempel noch Bücher.


    Mehr Platz und Geld als wir haben die Prominenten in diesem Buch ganz sicher. Aber sie teilen mit uns Viellesern eine Herausforderung: Sie haben jede Menge Bücher und müssen sie, genau wie wir, irgendwie sortieren und lagern. Und dafür sieht man hier ein paar tolle Beispiele:


    Die schicken weißen Regale der FAZ-Literaturkritikerin Felicitas von Lovenberg sind so voll, dass Bücher auch noch quer auf den Regalen liegen. Das kennen wir! Der bildende Künstler Henrik Schrat hat seine Regale zu unserer Beruhigung ein bisschen unordentlich und lagert in einem Fach entweder die Post oder gebrauchte Luftpostumschläge. Richtiges Leben statt „schöner wohnen“!


    Im Schreibzimmer der Autorin Ildiko von Kürthy gibt’s eine Spiel- und Leseecke für die Kinder. Die Galeristin Blanka Bernheimer hat wunderbare Bilder, ein wahnsinnig tolles Himmelbett und ochsenblutrote Bücherregale, für die ein Schaukasten auf einer Kunstmesse Pate stand. Und tollen Schmuck hat sie auch. Beim äthiopischen Prinzen Asfa-Wossen Asserate gibt es einen Bibliotheksflur, bei der Buchhändlerin Regina Moths sind die Regale erwartungsgemäß riesig und zudem sehr ordentlich.


    Der Hammer sind die Bücherregale des Journalisten und Chefredakteurs des Architectural Digest, Oliver Jahn: Er bewahrt die Bände liegend auf, mit dem Schnitt zum Betrachter. Keine Ahnung, wie der Mann da was wiederfindet! Er sagt, das sei nur eine Zwischenlösung, bis die neuen Regale geliefert werden. Doch er überlegt, es so zu lassen. Es sieht ja auch toll aus. Ist nur ein bisschen unpraktisch.



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    Beim Computerfachmann und Kunstsammler Ivo Wessel weiß man nicht so genau, ob er in einer Fabrik, einer Bibliothek oder einer Kunstgalerie wohnt. Beim Verleger Gerhard Steidl scheint das Büro in die komplette Wohnung überzuschwappen. Die Autorin beschreibt das sehr bildhaft. Die Entertainerin Barbara Schöneberger besitzt eine riesige Designer-Bücherwand, bei der man sich fragt, wie die das ganze Papiergewicht trägt. Aber es scheint zu funktionieren. Und der Gourmetkritiker und Buchautor Wolfram Siebeck lebt abgeschieden und romantisch in seinem Büchernest auf einer Burg.


    Aber die toll fotografieren Bilder sind ja noch nicht alles. Im Interviews, die schon mal sechs oder sieben Stunden gedauert haben, berichten die Prominenten, was Bücher und das Lesen für sie bedeuten.


    Ildiko von Kürthy kam durch ihre Mutter, die Bibliothekarin war, zum Lesen und durch die Kommunikation mit ihrem erblindeten Vater zum Erzählen. Und Prinz Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe, Jahrgang 1958, Jurist und Unternehmer, hat viele Interessen und lernt unter anderem gerne Gedichte auswendig. Angefangen hat er mit Werken von Heinz Erhardt und Otto Waalkes. :-) Adelstitel hin, Schloss und Vermögen her – in dieser Hinsicht ist er einfach ein Kind seiner Zeit.


    Die Publizistin und Islamkritikerin Necla Kelek sagt: „Bücher haben mir Leben geschenkt, mich in die Freiheit geführt.(…) Ich fand dort die Schlüsselideen für mein Leben und konnte mich mit leidenschaftlichen, kämpferischen Frauen identifizieren.“ (Sete 60). Die Galeristin Blanca Bernheimer hat eine sehr persönliche, assoziative Ordnung in ihren Regalen. Für sie ergibt das Sinn, aber kein anderer Mensch würde dort jemals etwas finden. Für Prinz Asfa-Wissen Asserate sind Bücher „Überlebensmittel“. Mafalda Prinzessin von Hessen ist Legasthenikerin und kam erst spät auf den Lesegeschmack. Als Kind waren ihr Bücher eher ein Graus.


    Kunstsammler Ivo Wessel sammelt auch Bücher. „Manchmal will ich 50 Stück von einem Buch haben. Zehn ist auch schon gut, aber manchmal sind 50 besser.“ (Seite 160). Verleger Gerhards Steidl seziert sie und Barbara Schöneberger erinnert sich mit Grausen an das Jahr, in dem sie auf alle ihre Bücher verzichten musste, weil sie eingelagert waren. Warum sie selbst kein Buch schreiben möchte, erklärt sie uns auch. Und der Gourmetkritiker Wolfram Siebeck macht mit Büchern, die ihm nicht zusagen, kurzen Prozess …


    Jede der 21 Persönlichkeiten, die hier Einblick in ihr Leben mit Büchern geben, haben zu folgenden Punkten Auskunft gegeben:

      • Mein schönster erster Satz …
      • Mein schönster letzter Satz …
      • Ein Buch, das mein Leben verändert hat …
      • Ein Buch, das mich einmal gerettet hat …
      • Ein Buch für Stunden der Melancholie …
      • Ein Klassiker, der mich zu Tode langweilt …
      • Dieses Buch hätte ich gerne geschrieben …
      • Auf meinem Nachttisch liegt …


    Was da an unterschiedlichen Antworten zusammenkommt, ist hochinteressant. Nur bei der zweiten Frage sind sich viele Teilnehmer einig.


    VOM GLÜCK MIT BÜCHERN ZU LEBEN ist ein unterhaltsamer Streifzug durch anderer Leute Leben, Wohnung und Buchbestand. Und man staunt, dass man mit Menschen Gemeinsamkeiten entdeckt, von denen man das niemals vermutet hätte. Und wenn die Interviewten so von ihren Büchern erzählen und ins Schwärmen geraten, fällt für den Leser auch der eine oder andere Literaturtipp ab.


    Diese Personen geben Einblick in ihre Bücher-Welten:
    Felicitas von Lovenberg, Literaturkritikerin der FAZ; Christine von Brühl & Henrik Schrat, Autorin & bildender Künstler; Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek; Ildikó von Kürthy, Buchautorin und Journalistin; Alexander zu Schaumburg-Lippe, Unternehmer; Necla Kelek, Publizistin und Islamkritikerin; Florian Langenscheidt, Verleger und Autor; Blanca Bernheimer, Galeristin; Asfa-Wossen Asserate, Autor; Regina Moths, Buchhändlerin; Folke Tegetthoff, Märchendichter und –erzähler; Mafalda von Hessen, Bühnenbildnerin; Oliver Jahn, Journalist und Chefredakteur von AD; Sibylle Canonica, Schauspielerin; Vitalie Taittinger, Künstlerische Leiterin des Champagnerhauses; Albrecht Mayer, Solooboist der Berliner Philharmoniker; Ivo Wessel, Kunstsammler; Gerhard Steidl, Verleger; Barbara Schöneberger, Moderatorin und Entertainerin; Wolfram Siebeck, Gourmetkritiker und Buchautor


    Die Autorin
    Stefanie von Wietersheim studierte in Passau und Tours Kulturwirtschaft. Die Journalistin reist für Zeitschriften und Buchprojekte durch Europa und schreibt über Interieurs, Design, Gärten und Mode. Sie lebt mit ihrer Familie auf dem Land in Niedersachsen.


    Die Fotografin
    Claudia von Boch ist als freie Fotografin für Buchprojekte und Magazine tätig. Sie fotografiert Gärten, Interieurs und für Reiseberichte. Mit ihrer Tochter lebt sie bei Frankfurt am Main.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Vandam ()

  • Interessant, ... ich liebe es, in solchen Bildbänden zu schmökern, die mit passenden Interviewfragen verbunden sind.
    (Wage jedoch kaum zu hoffen, dass ich diesen in "meiner" Bibliothek finde.)


    Btw.: Diese Rubriken:


    • Mein schönster erster Satz …
    • Mein schönster letzter Satz …
    • Ein Buch, das mein Leben verändert hat …
    • Ein Buch, das mich einmal gerettet hat …
    • Ein Buch für Stunden der Melancholie …
    • Ein Klassiker, der mich zu Tode langweilt …
    • Dieses Buch hätte ich gerne geschrieben …
    • Auf meinem Nachttisch liegt …



    ... wären doch auch eine gute Idee für einen Tread hier.