Gebunden, 207 Seiten
Kurzbeschreibung:
Ada ist jung, gerade mal 25 Jahre alt, aber sie hat nicht mehr lange zu leben, davon ist sie fest überzeugt. Nicht nur in ihren Träumen stirbt sie jede Nacht aufs Neue, auch tagsüber beherrscht sie diese Todesangst. Das führt dazu, dass sie immer seltener ihre Wohnung verlässt und sich zunehmend isoliert – Freundschaften zerbrechen, ihre Karriere als Schauspielerin ist gefährdet. Um die Angst zu bändigen, unterhält sie ein Therapiezimmer. Dort bewahrt sie alle ihre Ängste auf: von A wie Atomtod bis Z wie Zyste.
Diese fragile Konstruktion gerät ins Wanken, als ihr Vermieter, der schon seit Monaten auf sein Geld warten muss, sie nicht wie angedroht vor die Tür wirft, sondern ihr stattdessen einen Mitbewohner in die Wohnung setzt: Juri, seinen Enkel, der in die Stadt gekommen ist, um die Goldschmiedewerkstatt seines verstorbenen Vaters fortzuführen. Zunächst ist Ada entsetzt; ein Fremder, der nicht nur eigene Spuren hinterlässt, sondern jeden ihrer Schritte beobachten kann. Doch mit der Zeit nähern die beiden sich an. Zaghaft entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die womöglich geeignet ist, die Angst zu zügeln und Ada ins Leben zurückzuführen.
Über die Autorin:
Simone Lappert, geboren 1985 in Aarau in der Schweiz, lebt und arbeitet in Basel. Sie studierte Literarisches Schreiben am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel. 2013 wurde sie mit dem Heinz-Weder-Preis für Lyrik ausgezeichnet, 2014 erhielt sie den österreichischen Wartholz-Preis als beste Newcomerin. Sie war Stipendiatin des 16. Klagenfurter Literaturkurses und des Literarischen Colloquiums Berlin.
Mein Eindruck:
Der ambitionierte Debütroman einer Schweizer Autorin ist mir wegen dem Verlag Metrolit aufgefallen, den ich bisher noch nicht kannte. Der Verlag wurde 2012 gegründet und verspricht mutige, moderne Literatur für ein junges, urbanes Publikum.
Wurfschatten enttäuscht in dieser Hinsicht nicht. Schon die Kapitelüberschriften sind poetisch und ungewöhnlich, der Text hat seinen eigenen Rhythmus.
Stilistisch eigenwillig wird von der jungen Schauspielerin Ada erzählt, die alles andere als fest im Leben steht. Sie ist hypersensibel und neurotisch. Als Schauspielerin ist sie noch ohne Erfolg, es reicht zunächst nur für die Rolle einer Leiche in einem Kriminalstück.
Überzeugend: Die Autorin erklärt nicht, sondern sie zeigt, wie die junge Ada an irrationalen Ängsten leidet, was ihr ganzes Leben stark beeinflusst.
Phasen der Angst wechseln mit denen der Melancholie.
Gruße Hoffnungen auf ein erfülltes, vollkommen freies Leben stehen elementare Existenzzwänge entgegen.
Ihre Freunde können das nicht ganz verstehen, zudem Ada auch erfolgreich ihre Emotionen vor den anderen verbirgt. Das verstärkt ihre Isolation.
Zeitweise zieht sie sich ganz in ihre Wohnung zurück, für die sie schon bald nicht mehr die Miete aufbringen kann. Das daher der Enkel des Wohnungsbesitzers als neuer Mieter bei ihr einquartiert wird, erweist sich eher als Glücksfall. Der Goldschmied Juri ist sensibel genug, Adas Probleme zu erkennen und mit seinem ruhigen Wesen einen Gegenpol zu bieten.
Das kann Adas Angst- und Panikattacken, die sie sogar einmal ins Krankenhaus bringen, zwar nicht verhindern, aber es bietet doch die Möglichkeit der Wende.
Der Roman vermag sprachlich zu überzeugen. Vorbehalte habe ich nur bei manchen Dialogen, die mir zu sehr ausgestaltet wirken, etwas “too much”.
Einzelne Passagen sind jedoch brillant, z.B. als Ada zu einem Casting-Termin nach München den Bahnhof verpasst, weil sie plötzlich fest glaubt, sie leide an Thrombose im Bein. Da werden die emotionalen Zwänge bis ins Detail gezeigt.
Ob Wurfschatten als Generationsroman gelten kann, weiß ich nicht abschließend zu beurteilen. Ada wirkt individuell und doch würde es mich nicht wundern, wenn sich viele mit ihr identifizieren könnten.