Meine Meinung
Eigentlich mag ich Jugendstil und was daran erinnert nicht sonderlich, aber das Cover dieses Buches hat mich seltsamerweise sofort angesprochen. Allerdings hätte ich es auch bei einem weniger ansprechenden Äußeren gelesen, denn Geschichten um den 1. Weltkrieg herum üben eine seltsame Faszination aus.
Nimmt man die Meindorff-Trilogie (Link zum ersten Band) als einen durchgehenden Roman, ist das der dritte, den ich dieses Jahr zu dieser Thematik gelesen habe. Interessant ist, daß es Dinge (und Personen) gibt, die so offensichtlich und dazugehörig sind, daß sie einfach auftauchen müssen. Der rote Baron (Freiherr von Richthofen) zählt mit Sicherheit dazu, und so darf man gewiß sein, daß er seine Erwähnung findet, und wenn es nur nebenbei ist.
Im Nachhinein - es ist schon einige Tage her, daß ich das Buch ausgelesen habe - bringt mich das auch zu einer meiner eigentlichen Lieblingsfiguren im Buch, die hier ausnahmsweise nicht die Haupt-, sondern eher Nebenfiguren sind. Nämlich Grischa, der Bruder der Hauptdarstellerin Selma, für die ich mich das ganze Buch hindurch nicht so recht erwärmen konnte. Für meine Begriffe macht er im Buch die größte Entwicklung durch, was bei seinen Erlebnissen gewißlich nicht verwunderlich ist.
Eine weitgehend rätselhafte Figur ist und bleibt Robert, der Franzose, den Selma 1913 erstmals trifft, und mit dem sich ihre Wege immer wieder kreuzen. Bis zuletzt umgab ihn etwas Geheimnisvolles und ich wußte nie so recht, woran man mit ihm eigentlich ist. Aus der Beziehung Robert (Franzose) und Selma (Deutsche) ergeben sich so manche Schwierigkeiten, denn ab 1914 finden sie sich auf verschiedenen Seiten wieder. Überhaupt gibt es einige interessante Konstellationen im Buch, etwa auch die der Großmutter Meta zu ihrer Tochter Hedda (der Mutter Selmas), die für manchen Schmunzler gut ist. Gerade mit der bzw. durch die Figur Metas wird Etliches der damaligen aktuellen Entwicklungen deutlich, Stichworte Pazifisten oder Frauenrechtsbewegung.
Was mir an dem Buch weniger gut gefallen hat, ist die streckenweise (vor allem in der ersten Hälfte des Buches) sehr deutliche erotische Komponente, die mir einfach zu stark war. Wenn man das schon im Buch haben möchte (obwohl ich es an den meisten Stellen für nicht unbedingt notwendig empfand), würden mir einige wenige Andeutungen genügen. Aber warum man heute, das kommt ja in vielen Büchern vor, - salopp ausgedrückt - die Figuren bis ins Schlafzimmer hinein verfolgen muß, verstehe ich sowieso nicht so ganz.
Die Kriegsereignisse selbst kommen im Buch im Wesentlichen nur indirekt vor, der Fokus liegt auf dem, was die teilweise fernen Geschehnisse mit den Menschen und ihrer Umwelt anstellen. Das war für mich bei manchen Figuren, etwa Gero oder Grischa, sehr nachvollziehbar, während ich bei Selma eher das Gefühl hatte, sie entwickelt sich nur wenig weiter und - etwas überspitzt ausgedrückt - läßt sich von der ringsum zusammenbrechenden Welt kaum beirren, sondern paßt sich vor allem einfach an die sich ändernden Verhältnisse an.
Alles in allem habe ich das Buch jedoch gerne gelesen. Der Roman ist in einem sehr flüssig zu lesenden Stil geschrieben; ich empfand die Balance zwischen Handlung und Beschreibung ausgesprochen glücklich und ausgewogen, so daß ich durchaus von Lesegenuß schreiben möchte. Jedenfalls freue ich mich schon auf das nächste Buch der Autorin.
Kurzfassung:
Ein Roman über eine in den Kriegswirren untergehende Zeit und Gesellschaft.