Die grüne Bluse meiner Schwester - Gerdur Kristny

  • Diesen Text schreibe ich jetzt nur, weil ich als Möchtegern-Konifere der isländischen Literatur natürlich alles lesen und kommentieren muss, was ich aus diesem wunderbaren Land in die Finger kriege.


    Zufällig war das also wieder isländisches Chicklit, das kein echtes ChickLit ist, aber seht selbst.


    Frida ist Mitte zwanzig und verdient, obwohl sie isländisch studiert hat, ihren Lebensunterhalt als Parfümerieverkäuferin (natürlich verkauft sie keine Parfümerien, sondern Parfüm) in Reykjavik. Vor Kurzem ist ihr Vater mit nur 68 Jahren gestorben und Frida ist nun alleine mit ihrer lieblosen Mutter und der garstigen Schwester.
    Um ihrem Leben eine Wendung zu geben, kündigt sie den Job und folgt der Empfehlung ihrer nun ehemaligen Chefin, bei einer Zeitung, „Nachrichten“, bei der deren Schwester Arnar arbeitet, anzuheuern. Seltsamerweise fordert Arnar sie auf, bei der Konkurrenz, dem eher unbedeutenden Wochenblatt, als Sommerhilfe anzufangen, und sie mit internen Informationen aus deren Redaktion zu versorgen. Das macht Frida auch prompt und stürzt, wie könnte es anders sein, in einen Loyalitätskonflikt: Soll sie Arnar, die ihr schließlich diesen Job vermittelt hat, wirklich die teils schlüpfrigen Vorfälle in der Redaktion des Wochenblatts brühwarm erzählen oder ist sie doch ihrem Arbeitgeber verpflichtet? Zu dieser Zwickmühle kommt auch noch ihr verkorkstes Privatleben und die Aufarbeitung ihrer katastrophalen Familiengeschichte.


    Ich habe ja nichts dagegen, wenn ein Buch die Genregrenzen sprengt, in die es vordergründig eingeordnet wird. Aber dieser Roman ist ein seltsamer Mix aus verschiedenen Ansätzen, die nicht so richtig zusammenpassen wollen

    Teilweise scheint es mir ein typisches Frauenbuch zu sein, Parfum, Klamotten und Handtaschen sind allgegenwärtig. Schwester und Mutter der Heldin zeichnen sich, im Gegensatz zum geliebten Vater, durch völlig fehlenden Sinn für Mode aus, manifestiert in der scheußlich grünen Bluse, die die Schwester so gerne trägt. Besonders in der Figur der stilsicheren aber undurchsichtigen Chefredakteurin Arnar vermute ich Reminiszenzen an „Der Teufel trägt Prada“, obwohl ich das nur aus dritter oder vierter Hand kenne. Leider wirkt das Markendropping in diesem Buch irgendwie mutwillig und so, als solle das Buch durch die permanenten Erwähnung von Düften, Handtaschenmarken oder was-weiß-ich-was für Hosen auf Chicklit getrimmt werden.


    Dann wiederum kommt das Ganze als Familientragödie daher, die Vorzeigefamilie steckt voller Abgründe. Die Mutter ist tablettenabhängig, die Tochter schwanger von einem polizeibekannten Dealer, die andere Tochter, die Protagonistin Frida, schmeißt ohne Abschluss das Studium. In Rückblicken enthüllt sich keine sehr harmonische Kindheit. Der Klassiker eben: hinter der ehrwürdigen Familienfassade verbergen sich Abgründe.


    Und schließlich ist dieser Roman irgendwie auch noch eine Coming of Age Geschichte. Denn Frida wohnt zwar alleine und verdient sich auch selbst ihren Unterhalt, allerdings ist sie doch auch noch das kleine Mädchen, das sich nach Zuneigung sehnt und erst lernen muss, sich von dieser seltsamen Familie abzunabeln.


    Seltsamerweise wirken all diese Aspekte irgendwie nur angerissen, keiner ist wirklich überzeugend ausgearbeitet.
    Etwa diese Familientragödie: der permanent arbeitende Vater, die tablettensüchtige Mutter, die ätzende Schwester: das alles sind Symptome einer Familie, deren Mitglieder einfach nicht zusammenpassen wollen, eine Ursachenforschung aber unterbleibt. Es wird eigentlich nur angedeutet, dass der Grund für Fridas Probleme in ihren familiären Wurzeln liegt, aber es bleibt unklar, was da eigentlich alles schief gelaufen ist.
    Als Frauenroman funktioniert das Buch aber auch nicht. Dieser Marken-Bohei wirkt aufgesetzt und auch die obligatorische Männergeschichte ist so beiläufig in den Plot eingebaut, dass ich fast nicht bemerkt hätte, dass es in diesem Buch überhaupt eine gibt.
    Und ein ordentlicher Entwicklungsroman ist das Ganze eigentlich auch nicht, einfach, weil Frida sich irgendwie nicht entwickelt. Sie kreist nur um sich selbst, ihr soziales Umfeld bleibt so seltsam verschwommen, dass man am Ende des Buches denkt, dass sie eigentlich keines hat. Und ich erwischte mich bei dem Gedanken: "Ups, was war denn das jetzt?" :gruebel

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • So richtig doll fand ich den Roman nicht, schlecht aber auch nicht. Gerade so gut, es durchzulesen, aber auch schlecht genug, um froh zu sein, als er zu Ende war. Die 6 Punkte sind von mir.


    Der Zynismus der Hauptfigur passt nicht so recht zur gleichzeitigen Naivität der 25-Jährigen (die gegenwärtige Geschichte spielt in den 90ern). Vielleicht liegt es am eigenen Alter der Autorin (1970 geboren), die das Buch ja erst als 34-Jährige geschrieben hat. :gruebel


    Andererseits habe ich mich in dieser Art auch immer wiedergefunden (jedenfalls auf das Verhalten in diesem Alter bezogen). Ich war auch sehr früh zynisch, aber dafür nicht ganz so naiv.


    Es findet sich viel in diesem Buch, aber nichts passt so richtig zusammen. Manches wird nur kurz angerissen, so dass man sich immer wieder fragt "habe ich das jetzt richtig verstanden?".
    Ein paar Stilmittel zuviel vielleicht. Oder das Buch will einfach in gar keine Schublade. Kommt es aber trotzdem und ist hier bei der Belletristik bestens aufgehoben.
    Als "typisch isländisch" empfand ich es allerdings nicht.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“