'Der Sommer der Freiheit' - Seiten 089 - 163

  • S. 115: Wer weiß schon, was einem das Leben bringt, wenn es noch so unendlich weit vor einem liegt?
    Für uns, die wir wissen, was kam, klingt das fast schon etwas makaber.


    Seltsam erscheint mir das Verschwinden Roberts mit der lapidaren Begründung „Familienangelegenheiten“. Da ist doch was faul?!


    Etwas irritiert hat mich (S. 137), daß Selmas Vater als Abgeordneter des Zentrums anscheinend anti-monarchisch angehaucht ist. Das hätte ich nicht vermutet (bin aber mit den genauen politischen Strömungen der Zeit nicht sehr vertraut).


    Dann taucht Robert wieder auf, ohne daß wir etwas erfahren. Und es folgt ein Zeitsprung, nicht ohne mahnende Worte von Meta an Constanze. Was das wohl wieder zu bedeuten hat? Wobei ich Metas kryptische Hinweise nicht immer einzuordnen bzw. verstehen vermag.


    Gero ist mir durchaus unsympathisch, die Schlußszene des Abschnitts hat das dann noch verstärkt.



    Zitat

    Original von Heidi Rehn
    Ich weiß nicht, ob eine moderne junge Frau Gero in diesem Moment wirklich eine Szene gemacht hätte....


    Jetzt könnte ich ja schreiben, wenn sie der aktuell herrrschenden Gender-Ideologie anhängt, nicht, ansonsten vermutlich schon. Aber ich schreibe es lieber nicht ... ;-)



    Zitat

    Original von Selma
    Für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich, finde ich.


    :write Das habe ich mir bei manchen Dingen gedacht.



    @ Heidi Rehn
    Danke für die Hinweise. Dann werde ich von Schnitzler und Zweig so schnell sicherlich nichts lesen wollen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • imandra777 : ich werde mir das merken, dass es euch einfach zu viel Erotik ist. Hilft mir auch weiter, weil das immer sehr schwer einzuschätzen ist, weil ich da ganz anders drin verstrickt bin beim Schreiben.


    SiCollier : Aus unserer heutigen Sicht klingt vieles makaber, was an Andeutungen kommt, weil wir einfach nicht ausblenden können, was danach passierte und wie sich das einfach weltweit ausgewirkt hat. Andererseits ist es ja völlig normal, dass man, wenn man in der Zeit drin steckt, das oft so dahin sagt und völlig anders empfindet. Dazu kann ich nur die zahlreichen Internetseiten mit privaten Aufzeichnungen und Erinnerungsstücken empfehlen, die anlässlich des 100jährigen Gedenkens jetzt online sind. Da wird einem gelegentlich sehr, sehr anders. Zum Beispiel diese hier: http://www.europeana1914-1918.eu/de


    Joseph ist nicht anti-monarchisch, sondern einfach anti-Wilhelminisch, was bei einem katholischen Zentrumsabgeordneten aus dem Rheinland durchaus vorkam, da das Kaiserhaus in Berlin ja protestantisch war.


    Generell ist mir bei der Rechereche klar geworden, dass vieles, was ich von dieser Zeit erwartet hätte - mal abgesehen von der bereits erwähnten Einstellung zur Erotik und Sexualtität auch auf Gebieten - tatsächlich anders war. Ich glaube wirklich, dass man im Nachhinein die Kaiserzeit sehr verklärt hat. Sie war weitaus moderner und progressiver, in vielem auch weitaus aufgeschlossener, als man denkt. Eines meiner Lieblingsbücher über die Zeit vor 1914 ist Philip Blom "Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914". Das erfährt man zu sehr, sehr vielen Gebieten sehr viel Neues. :-)

  • @ Heidi Rehn
    Daß das „nur“ aus heutiger Sicht makaber (mir fiel kein anderes Wort ein) klingt, ist mir schon bewußt. Aber mit unserem Wissen, wie die Geschichte weiter ging ...


    Danke für den Link, sieht auf den ersten Blick sehr interessant aus. Wenn ich mal etwas mehr Ruhe habe, sehe ich mir das genauer an.


    Und danke für die Erklärung zu Joseph. Das klingt in der Tat plausibel, daran hatte ich nicht gedacht (das Zentrum war ja eine katholische Partei).


    So intensiv, daß ich das beurteilen könnte, habe ich mich mit der Kaiserzeit noch nicht beschäftigt. Aber daß manches anders war, als man heute landläufig glaubt, das scheint mir schon so. Wenngleich es da vermutlich (wie heute auch) große Unterschiede gegeben haben dürfte (etwa zwischen Berlin und dem Rest des Reiches).
    „Der taumelnde Kontinent“ klingt - leider?! - sehr interessant.
    .

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Oh ja, SiCollier, Berlin ist da bestimmt nicht repräsentativ für das gesamte Kaiserreich. ich beschäftige mich gerade sehr mit München (der Gegensatz München-Berlin 1919-1929 wird in meinem nächsten Roman eine Rolle spielen), da gab es Ähnlichkeiten, aber auch sehr große Unterschiede. Auf dem flachen Land ging es sowieso ganz anders zu, im Norden wieder anders als im Westen oder im Süden. Eigentlich hätte ich Lust, mich da mal viel tiefer einzugraben, aber das ist natürlich sehr aufwendig, denn die leicht greifbaren Bücher konzentrieren sich vor allem auf Berlin und ansonsten auf Großstädte wie München oder Hamburg.


    "Der taumelnde Kontinent" ist sehr, sehr empfehlenswert! Wenn auch schon einige Jahre alt, aber weitaus differenzierter als z.B. "!913" von Florian Illies. :grin

  • Zitat

    Original von Heidi Rehn
    Oh ja, SiCollier, Berlin ist da bestimmt nicht repräsentativ für das gesamte Kaiserreich. ich beschäftige mich gerade sehr mit München (der Gegensatz München-Berlin 1919-1929 wird in meinem nächsten Roman eine Rolle spielen), da gab es Ähnlichkeiten, aber auch sehr große Unterschiede.


    Oh je, dann werde ich das Buch wohl auch lesen müssen. :grin (Hoffentlich mit Leserunde, und noch hoffentlicher zu einer mir besser passenden Zeit als momentan. Aber umziehen will ich so schnell nicht mehr, so daß das von daher schon mal gehen müßte. ;-) )



    "Den taumelnden Kontinent" werde ich mir also endgültig zulegen müssen, und danke für den Vergleich mit Illies. Dann muß der noch etwas länger warten.

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    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • @ Heidi Rehn


    Juli 2015 klingt aus heutiger icht ziemlich gut. Bis dahin sollten alle Umzugsfolgen überwunden sein.


    "Viele Bücher" ist übrigens gut. "Sehr viele" Bücher, oder auch "extrem viele" Bücher dürfte die Sache schon eher treffen. Ich sammle seit meiner Schulzeit, da kommt einiges zusammen. Aber ein Gutteil ist geschafft, der Rest wird zwischengelagert, bis alle Regale und sonstigen Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind. Wenn man ja keinen Platz für so nebensächliche Dinge wie Kleidung oder Schuhe brauchen würde, wäre es viel einfacher ... :chen

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    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ihr Lieben,


    nun hat Gero, der so viele schöne Worte in seinem Repertoire
    zur Verfügung hat, die Bühne betreten und übernimmt sogleich die ihm
    zustehende Hauptrolle in Selma`s Leben.
    Er spürt instinktiv, dass ihm eben diese Rolle zu entgleiten drohte, als er sie
    in Robert`s Begleitung im Auto antrifft.
    Er redet in blumigen Komplimenten allen nach dem Mund und wirkt dadurch
    sehr gekünstelt und unaufrichtig.
    Spätestens als es im Bett mit ihm nicht klappt, müssten bei Selma sämtliche
    Alarmglocken läuten.
    Das Paar scheint meilenweit voneinander entfernt, sie kennen sich im Grunde gar nicht.
    Ich bezweifle sehr, dass das ein gutes Ende nimmt.
    Ihre Sprachlosigkeit überdecken beide mit sinnlosem Geplapper und Gero`s Süßholzgeraspel.
    Immer wenn ein Gespräch in eine ihm unangenehme Richtung driftet, schüttet er seine
    verbalen Schaumschlägereien über den Beteiligten aus.


    Meta erahnt und spürt die gefährlichen Unterströmungen und Minenfelder zwischen den beiden.
    Sie ist überhaupt eine kluge und hellsichtige Beobachterin ihrer Familie und deren Entourage.


    Nach alldem, was sich bisher zwischen Selma und Gero zusammengebraut hat, war ich nicht überrascht, als sie ihn in flagranti mit einem Lover im Bett erwischt. In diese Richtung hatte ich
    auch gedacht bei Gero.
    Mich wundert nur, dass er Selma seinen Wohnungsschlüssel überlassen hat und das Risiko
    einer Entdeckung seines Doppellebens in Kauf nimmt. Immerhin stand Homosexualität damals
    unter Strafe, von der gesellschaftlichen Ächtung und dem Skandal ganz abgesehen.


    :wave

  • Es war in der Tat sehr fahrlässig von ihm, Selma den Schlüssel zu überlassen. Aber wahrscheinlich hat es ihn einfach "überkommen" und da war der Verstand dann ausgeschaltet. Natürlich stand Homosexualität damals unter Strafe, aber es gab in gewissen Schichten ein mehr oder weniger akzeptiertes Doppelleben. Gelegentlich kochte es doch hoch und es kam zu Skandalen - z.B. dem berühmten "Grunewaldskandal", bei dem ein enger Vertrauter des Kaisers bei einer Orgie mit anderen Herren und bezahlten Strichern bloßgestellt wurde -, aber meist wurde es einfach vertuscht. Selma würde z.B. den Teufel tun und daraus einen Skandal machen. Sie hat mit Gero eine Art Zweckbeziehung. Sie sind sich in gewisser Weise sehr ähnlich, haben die gleichen Ziele. Wenn er fremdgeht, kann sie das dann auch.... So prüde das Kaiserreich aus heutiger Sicht dargestellt wird, war da doch manches möglich. Ich habe schon öfter einige Autoren aus der Zeit genannt, die das geschildert haben, Wedekind, Schnitzler, Arnold Zweig.... (um nur die heute noch bekanntessten zu nennen, viele sind leider auch von der Bildfläche verschwunden, mir liegt gerade ein Wiener Autor auf der Zunge, aber ich komme nicht drauf. ich schreibe später noch, wer es ist).

  • Ich habe jetzt mal die Grunewaldaffäre ergooglet und fand in Wikipedia dabei auch einen Hinweis auf fie Harden-Eulenburg-Affäre, über die ich im verlinkten Buch vor Jahren etwas gelesen zu haben meine. Ich habe dieses Buch aus der Reihe der Heynebiographien (LEIDER! eingestellt!) als Spiegel der damaligen Zeit und insbesondere der Zeit unmittelbar vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges in guter Erinnerung. :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Ich hinke etwas her. Obwohl sich das Buch gut lesen lässt, komme ich trotz Urlaub nicht so mit lesen voran, wie ich es gerne wünsche. Den zweiten Abschnitt habe ich jedoch gestern beendet.


    Es geht wirklich sehr erotisch zu im zweiten Abschnitt.


    Ich finde es auch ungewöhnlich, dass Selma Zärtlichkeiten mit vor allem Constanze und Robert austsuscht. Aber sie hat es ja auch genossen.


    Ich hatte ja schon im ersten Abschnitt vermutet, dass Gero nicht ganz sauber ist. Aber schwul? Da hätte ich eher darauf gewettet, dass er etwas mit Contanze hat.


    Ich bin nun gespannt, wie es weiter geht.


    Edit: Korrekturen vorgenommen. :-)

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Sonne79 ()

  • Auch ich finde diesen Abschnitt etwas ZU erotisch. Hier und da mal ein bisschen finde ich gut und passend, aber in dem Fall zu viel dosiert.


    Ich bin noch nicht ganz durch, kann mich bei dem Wetter momentan nicht recht aufs Buch konzentrieren.

  • Vielen Dank, liebe Heidi :-)


    vielleicht war es der Reiz des Verbotenen, der Gero unvorsichtig werden lässt - möglicherweise
    hat er das Risiko der Entdeckung auch unbewußt einkalkuliert, weil es dann kein Geheimnis mehr ist
    und Selma Bescheid weiß, was ihn von dem Druck der Heimlichkeit entlasten würde.
    Denn er steht enorm unter einem Leidensdruck, das spürt man an seinem ganzen Verhalten
    Irgendwie habe ich sogar Mitleid mit Gero - es ist eine große Anstrengung, sich permanent
    verstellen zu müssen.

  • Ich bin auch durch mit dem Abschnitt. Leider muss ich sagen, dass ich nach wie vor das Gefühl habe, dass das Buch so vor sich hin plätschert. Kaum ein Spannungsbogen oder wie man es nennen mag, mir fehlt das Gefühl von ,,ich muss nun unbedingt wissen wie es weitergeht".. Aus irgendwelchen Gründen fand ich die Tatsache, dass Gero im Bett mit nem Mann erwischt wird, total vorhersehbar. Die Situation, wie sie beschrieben wurde, machte es schon zuvor irgendwie deutlich, dass da etwas nicht stimmt.


    Mal sehen wie es weitergeht, bisher reizt mich das Buch leider noch nicht. Manchmal brauche ich aber auch etwas länger, um richtig ,,drin" zu sein. Wenn man immer nur kurze Abschnitte lesen kann wie ich momentan, passierts oft, dass man nicht richtig in der Geschichte ist.

  • Lucy 1987: Schau halt einfach, ob Du wirklich noch reinkommst. Es ist immer sehr schwierig, wenn man nur kurz reinlesen kann. Aber ein Actionroman ist es ganz sicherlich sowieso nicht.


    Emmy : ich teile Dein Mitleid mit Gero. Unbewusst mag er unvorsichtig geworden sein. Letztlich konnte er sich denken, dass Selma ihm da keine unerfreuliche Szene machen würde.


    Sonne79 : Sehr interessant, dass Du Gero eine Affäre mit Constanze zutraust. Bei ihm könnte das durchaus funktioniern, er findet sie ja "entzückend" und das in dem gewissen Tonfall.... Aber Constanze? Hm, ich glaube, da wäre er auf Granit gestoßen.... :-(

  • @ Heidi: Da könntest Du auch wieder Recht haben, was Contanze betrifft. :-)

    Zündet man eine Kerze an,erhält man Licht.Vertieft man sich in Bücher,wird einem Weisheit zuteil.Die Kerze erhellt die Stube, das Buch erleuchtet das Herz.


    (Sprichwort aus China)

  • Zitat

    Original von Heidi Rehn
    Lucy 1987: Schau halt einfach, ob Du wirklich noch reinkommst. Es ist immer sehr schwierig, wenn man nur kurz reinlesen kann. Aber ein Actionroman ist es ganz sicherlich sowieso nicht.


    Naja, Action erwarte und mag ich auch garnicht so sehr. Mir geht es eher darum, dass mir ein gewisser Spannungseffekt fehlt, den ich durchaus auch von historischen Romanen kenne. Einfach ein Gefühl von ,,ich muss schnell weiterlesen, weil ich unbedingt wissen möchte, was als nächstes passiert.." Vielleicht vergleiche ich aber auch noch zu sehr und muss etwas mehr reinfinden. Ich versuche die nächsten Tage mal mehr am Stück zu lesen, vielleicht klappt es dann besser.

  • Ach harrje.. dabei sah das doch so richtig gut zwischen den beiden aus. Man dachte schon an eine regelrechte Liebesbeziehung. Aber als bei Gero dann die Manneskraft versagte, dachte ich schon, er habe ein anderes Liebchen. Dass dieses dann dazu noch männlicher Natur ist .. okay. :wow


    Aber seit diesem Vorfall kommt mir Gero sehr gekünstelt vor. Er umschwärmt Selma und verwöhnt sie nach allen Regeln der Kunst und ... übertreibt in meinen Augen. Irgendwie bootet er sich dadurch nicht nur aus, sondern macht sich selbst auch unglaubwürdig.


    Meta gefällt mir immer besser. Eine resolute Frau, die in der Not ihren Weg fand und sogar ging. Alle Achtung!