Heavy Metal macht Kopfweh und Ratz! Fatz! Mats!
"Hast du noch eine Karte?"
Da ist er wieder. Mein Feund, der Ticketschieber. Diesmal will nicht ICH IHM eine Karte abkaufen, sondern ER MIR. Um sie dann für mal mindestens das Doppelte weiter zu verkloppen. Ich schüttele den Kopf. Nee. Das einzige Deutschlandkonzert von Massive Attack ist restlos ausverkauft und für keinen Preis der Welt würde ich die Tickets wieder hergeben. Die Band fehlt mir nämlich noch in meiner Liveliste. Wollte ich immer mal sehen, leider hat es bisher noch nie geklappt.
Die Stimmung ist bereits vor dem Tempodrom positiv geladen, greifbar euphorisch. Wir trinken vor dem Eingang noch ein kühles Bier und unterhalten uns dabei mit drei lustigen Gestalten, die extra aus London angereist sind. In der Halle ist es heiß, aber am untersten Unterrang stört uns das weniger. Toller Blick, bester Platz, immer voller wird es, immer wieder ertönt ein Gong. Soll heißen, es geht gleich los, reinkommen. Wie früher im Kino "Metropol". In meiner Jugend.
Als Herr rienchen mit Getränkenachschub kommt, erlischt das Saallicht. Schlagartig duster, alles. Und dann geht es los. Ohne Support, ohne Ankündigung stehen Massive Attack auf der noch schwarzen Bühne.
Was in den folgenden neunzig Minuten passiert, ist nur schwer zu beschreiben. Vielleicht wird es kitschig, vorsicht!
Es ist eine Perfektion aus Musik, Stimmen, Licht, Effekten, visuellen Reizen. Der Sound glasklar. Groove, der einen Trance- ähnlichen Sog verursacht. Musik, untermalt mit verstörenden Botschaften auf riesigen Videoleinwänden, die sich im Kopf festsetzen und weitergedacht werden MÜSSEN, es geht gar nicht anders. Politisch, abseits von plattem Pathos. Nüchtern und angsteinflößend. Kriegsszenarien, Verfolgungsjagden. Freiheit? Rotes Licht, giftgrüner Nebel, schreiende Gitarren, Schwarzlicht. Zwischenzeitlich tut es so weh in Augen und Ohren, dass es kaum zum Aushalten ist. Das soll auch so sein, davon handelt der Song. Sie legen Finger in Wunden. Gnadenlos dahin, wo es weh tut. Ich erinnere mich, auf irgendeinem Plakat eine Warnung bezüglich des Strobolichtes gelesen zu haben. "Haha", habe ich gedacht. Ich bin überwältigt von dem, was mir geboten wird. Und weiß wieder, weshalb ich Musik so liebe. Sie ist eine universelle Sprache und auf einem Konzert lernt man sie. Der Innenraum ist eine einzige, sich bewegende, groovende Masse. An diesem Abend sind auf der Bühne eine Million Rädchen ineinander verzahnt und alle laufen rund. Sänger wechseln sich ab, Musiker leben das, was sie wollen. Die Songauswahl finde ich grandios, viele alte Sachen a la "Teardrop" und "Save From Harm" sind dabei, einfach grandios "Girl I Love You", aber auch einige neuere Songs. Letzendlich ist es aber gar nicht wichtig. Es ist die perfekte Stimmigkeit zwischen Musikern, Sängern ( Deborah Miller ist dabei!) Effekten und Licht, die mich an diesem Abend atemlos und großäugig machen. Grandios die Idee, auf der Videoleinwand im Hintergrund einfach mal aktuelle Schlagzeilen aus verschiedenen Tageszeitungen ablaufen zu lassen, umwummert von dröhnenden Bässen, die mit Lust und voller Wucht in die Magengrube hämmern. Unerbittlich. Lustig. Absurd. Und ungeheuer beängstigend.
Ratz! Fatz! Mats!
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Heavy Metal macht Kopfweh...
Gänsehautmoment bei "Unfinished Symphony", der letzten Nummer, dann ist es vorbei. Ohne Zugabe, aber mit Umarmungen auf der Bühne und einem beseelten Publikum.
Ich war wirklich schon auf vielen Konzerten, aber Massive Attack... das ist eine Welt für sich. Ach was, ein Planet, ein Universum. An so einem Abend kann man noch tagelang um die Häuser ziehen oder einfach nur nach Hause schweben.
Großartig. Eins der besten!