Titel: Der Mann mit der Ledertasche
OT: Post Office
Autor: Charles Bukowski
Übersetzt aus dem Englischen von: Hans Hermann
Verlag: Kiwi
Erschienen als TB: September 2004
Seitenzahl: 203
ISBN-10: 3462034308
ISBN-13: 978-3462034301
Preis: 7.99 EUR
Früher nannte man es mal „Underground-Literatur“. Heute jedoch ist Charles Bukowski einer der meistgelesenen zeitgenössischen Autoren und verfügt über eine große Anhängergemeinde.
In seinem Roman „Der Mann mit der Ledertasche“ lässt Bukowski sein Alter Ego Henry Chinaski von der Leine. Ein Mann, versoffen und immer auf der Suche nach dem nächsten Fick, der sich mehr schlecht als recht durchs Leben schlägt. Das Besondere an diesem Roman ist die Authenzität des Erzählten. Da werden die miesen Arbeitsbedingungen bei der US-Mail beschrieben, die Lahmarschigkeit der Gewerkschaften und die menschenfeindliche Behandlung der Mitarbeiter. Es ist ein harter Job – auf den man nach der Philosophie des Unternehmens auch noch besonders stolz zu sein hat.
All das schildert Bukowski in der ihm eigenen offenen und gnadenlosen Sprache. Und er beweist, dass ihm in diesem Genre der Fick-, Saufen- und Bierschiss-Romane eigentlich niemand das Wasser reichen kann.
Aber hinter all der Derbheit und der „Leck-mich-am-Arsch-Stimmung“ die Bukowski so meisterhaft zu beschreiben weiß, verbirgt sich aber auch eine resignative Traurigkeit, ein Sichabfinden mit der bestehenden Situation, eine verlachte Hoffnungslosigkeit. Chinaski ist kein emotionaler Krüppel – nur will er eben das Unglück und die Traurigkeit – auch der anderen Menschen – nicht an sich heranlassen. Er versucht all das was ihn emotional fordert zu ersäufen. Und so ist er meist besoffen und muss dann eben auch erleben, dass man im Suff oftmals keinen hoch bekommt – und zudem muss er sich von seiner Bettgesellin dann auch sagen lassen, dass sie nicht gern in Konkurrenz zu einem Whisky stünde.
Charles Bukowski hat dieses Buch so um 1969 geschrieben. Und er lässt uns einen Blick in die „soziale Unterschicht“ werden – ein Blick, der sich wahrscheinlich auch nicht von einem heutigen Blick unterscheiden würde. Wer einmal unten angekommen ist, der verleugnet es oft und lässt sich dabei vom Alkohol helfen.
Dieses Buch sagt mehr über die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse aus, als es so manches hochnässige Soziologenbuch schaffen würde.
Interessant auch Bukowskis Frauenbild. Frauen geniessen bei ihm einen ganz besonderen Status. Auch wenn ihn in erster Linie Titten, Arsch und Beine interessieren – so verbirgt sich hinter dieser vermeintlich frauenfeindlichen Haltung auch eine Fürsorglichkeit, die deutlich wird als eine ehemalige Lebensgefährtin stirbt, als eine Ehefrau die Scheidung einreicht und als er der Mutter seiner Tochter bei der Entbindung zur Seite steht.
Ein sehr lesenswertes Buch, ein Buch das in meinen Augen zu den besten zeitgenössischen Romanen gehört, die je geschrieben wurde. Ein Autor der das Leben so beschreibt wie es ist. Ein Autor der nichts beschönigt oder verklärt. Ein grandioses Buch. 10 Eulenpunkte.