Schreibwettbewerb Juli/August 2014 - Thema: "Erinnerungen"

  • Thema Juli 2014:


    "Erinnerungen"


    Vom 01. bis 31. Juli 2014 - 18:00 Uhr könnt Ihr uns Eure Beiträge für den Schreibwettbewerb Juli 2014 zu o.g. Thema per Email an schreibwettbewerb@buechereule.de zukommen lassen. Euer Beitrag wird von uns dann anonym am 1. August eingestellt. Den Ablauf und die Regeln könnt Ihr hier noch einmal nachlesen.


    Bitte achtet darauf, nicht mehr als 500 Wörter zu verwenden. Jeder Beitrag mit mehr als 500 Wörtern wird nicht zum Wettbewerb zugelassen!



    Achtung: Achtet bitte auf die Änderungen! Annahmeschluß ist ab sofort immer am Monatsletzten um 18:00 Uhr und die e-mail Adresse hat sich wie folgt geändert - schreibwettbewerb@buechereule.de

  • von Rumpelstilzchen



    Protokoll Memory-Safe vom 13.2.2023, erste und einzige Sitzung


    Versuchsperson R 27.04.1983, weiblich



    R. wurde über mögliche Risiken des Versuchs aufgeklärt. Medizinische, insbesondere neurologische und psychiatrische Untersuchung ist erfolgt. Keine Traumata bekannt, glückliche Kindheit. Siehe Anlagen.


    R erklärte sich mit einer Übertragung ihrer Erinnerungen auf den Bildschirm einverstanden. Sie kommentiert zunächst in ausgeglichener, glücklicher Stimmung.


    „Ich sehe mich bei der Feier der goldenen Hochzeit meiner Großeltern. Die Eltern meiner Mutter. Ich muss etwa 24 Jahre alt sein, an mein Kleid kann ich mich erinnern, es hatte eine ganz besondere blaue Farbe. Ich bin aufgeregt, weil ich ein Gedicht geschrieben habe, das ich jetzt vortragen will. Weiter. Mein Vater im Krankenhaus, es riecht unangenehm nach Desinfektionsmitteln, beide Beine sind in einer Plastikschiene, Schürfwunden im Gesicht und an den Armen. Er schaut unglücklich aus. Ich beuge mich über ihn, gebe ihm einen Kuss und sage ihm, er könne froh sein, dass er beim Fahrradfahren immer einen Helm trage. Weiter. Ich stehe in der Küche meiner Studenten WG. Ich brülle Bastian, meinen Mitbewohner, an. Er hat mal wieder die ganze Milch verbraucht und keine neue gekauft. Ich kann Kaffee ohne Milch nicht ausstehen. Was wohl aus ihm geworden ist? Weiter.“


    R schweigt. Ihr Gesicht ist fragend, etwas angespannt. Auf dem Bildschirm ist ein kleines, blondes Mädchen zu sehen. Vielleicht vier Jahre alt. Das Kind wird von einer Frau – aufgrund der Ähnlichkeit könnte es die Mutter sein, in einem Autositz festgeschnallt. Das Kind schmollt, wehrt sich, will nicht festgeschnallt werden.


    „Das verstehe ich nicht, ich kenne die Frau gar nicht. Ich habe sie nie gesehen. Aber…..“


    R atmet heftig, beugt sich vor, krampft die Hände in die Stuhllehne.


    Die Perspektive wechselt, zu sehen ist das Auto aus der Sicht des Kindes im Autositz. Die Kleine scheint sich im Sitz nicht wohlzufühlen, der Fahrer redet auf sie ein. Dreht sich zu ihr, scheint einen Scherz zu machen. Er lacht. Verreißt dabei das Lenkrad, das Fahrzeug weicht nach rechts aus, schleudert, kracht frontal in einen Alleebaum, Glasscherben….Aus.


    Frau R schreit, weint. Reißt sich den Datenhelm ab.


    Die Übertragung wird von der Versuchsleiterin abgebrochen.


    Notfallteam alarmiert.


    Frau R wird im Lauf der nächsten sechs Monate von der Psychotherapeutin in etwa 35 Sitzungen behandelt. Es stellt sich heraus, dass sie bei dem Unfall, den sie bei der Gedächtnissicherung erneut erlebt hat, wie durch ein Wunder unverletzt geblieben ist. Beide Eltern sind ums Leben gekommen. Frau R wurde danach adoptiert, die Adoptiveltern hatten ihr davon nichts erzählt.


    Keine längerfristigen Schäden. Frau R möchte keine weiteren Sicherungen durchführen lassen.


    Nichts zu veranlassen, unvorhersehbarer Zwischenfall.


    Dr.Schwarzbach, leitende Ärztin Memory-Safe

  • von Holle



    Der Nordwind hat mir ein Lied erzählt:
    Weidenzweige wurden ausgewählt,
    Geheimnisse ins Ohr zu flüstern,
    Voll Echos, die wie Firnis knistern.


    Der Nordwind hat mir ein Lied gesungen,
    Aufmerksamkeit sich ausbedungen,
    Wispernd in Tönen und Geräuschen,
    Die Hören und Verstehen täuschen.


    Der Nordwind hat mir ein Lied geweint:
    Durch Sepiaregen die Sonne scheint.
    In alten, längst vergangenen Zeiten,
    Winden sich Wege, die heute noch leiten.


    Der Nordwind hat mir ein Lied gedichtet,
    Das jagende Herz sorgsam aufgerichtet.
    Er raunte: „Vergangen, doch nicht verloren!“
    Da habe ich ihm die Treue geschworen.

  • von Suzann



    Sein Blick auf die Anzeigetafel zeigte in leuchtend roten Ziffern den ausgeglichenen Spielstand und die abgelaufene Zeit. Nur noch 23 Sekunden waren zu spielen. Sein Verstand wurde von dem Gedanken beherrscht, dass nur ein Sieg den Turniergewinn bringen würde. Und dafür musste jetzt ein Tor her. Unbedingt. Trotz der kräfteraubenden 59 Minuten spürte der Spielmacher in diesem Moment keine Erschöpfung. Sein Team verließ sich auf seine Führung. Er war es sich nicht bewusst, aber Körpersprache und Blick drückten sein unbedingtes Vertrauen in Fähigkeiten aus, die sie in den vergangenen Monaten in harten, schweißtreibenden Trainingseinheiten perfektioniert hatten.


    Unauffällig zeigte er den letzten Spielzug an, den wichtigsten in dieser Partie. Der Trainer draußen auf der Bank brüllte Anweisungen auf das Feld. Die Worte zogen an ihm vorbei, als wären sie in Suaheli gesprochen. Er war absolut konzentriert und hatte auch seine Mitspieler auf ihn fokussiert. Ihr bester Spielzug würde das Tor bringen, das verdeckte Anspiel an den freigestellten Spieler am Sechsmeterkreis. Dann kam es nur noch auf den Kreisspieler an, aber der Kerl hatte Nerven wie Drahtseile und die Sprungkraft eines Kängurus. Dem gegnerischen Torhüter dagegen war die Nervosität ins verschwitzte Gesicht geschrieben. Vor dem entscheidenden Torwurf musste die Abwehr allerdings durch druckvolles Angriffsspiel vom eigentlichen Vorhaben abgelenkt werden. Viel hing davon ab, dass der Gegner nicht frühzeitig erriet, was sie vorhatten.


    Der Schiedsrichterpfiff gab den entscheidenden Angriff frei. Alles lief wie aus dem Lehrbuch. Jeder Pass saß, die gegnerischen Spieler hielten Stand und dann kam die vorletzte Aktion. Sein Part. Kraftvoll stieg er zum Sprungwurf hoch in die Luft, den Blick fest auf das Tor gerichtet und holte aus. Gegner und Publikum waren nicht überrascht, nein, sie hatten es erwartet, dass er die Verantwortung übernahm. Dementsprechend perplex waren sie, als er scheinbar die Kontrolle über den Ball verlor. Ein kollektives Aufstöhnen kam aus den Reihen der Zuschauer. Das Manöver war aufgegangen. Sein Kreisspieler stand frei, sprang in die Höhe um sich den Ball aus der Luft zu holen, gleichzeitig seinen Körper in Richtung Tor zu drehen und das Ding ins Dreieck zu hämmern. Die Welt ging in Jubel unter.


    Diese letzten Szenen gingen dem mit Glückshormonen zugedröhnten Spielführer in Endlosschleife durch den Kopf, als er auf der Tribüne den schweren Siegerpokal aus geschliffenem Glas über den Kopf hob und die Augen schloss, damit der spritzende Sekt ihm nicht die Sicht nahm.


    Völlig hingerissen lauschte der Junge den Schilderungen seines Vaters über den größten Erfolg in dessen Handballkarriere. Gespannt wartete dieser auf die Reaktion seines Sprösslings. Dem standen die widerstreitenden Gedanken förmlich auf die Stirn geschrieben. Doch schließlich vertrieb Entschlossenheit die Begeisterung aus den Zügen seines Kindes und ungläubig registrierte der Ex-Handballstar den Kommentar seines Juniors:


    „Paps, ich will aber trotzdem lieber Fußballer werden!“

  • von churchill



    Ich spür es noch, als wäre es erst gestern
    gewesen, dass du plötzlich vor mir standest
    und mich so nett und unterhaltsam fandest.
    Sogleich begannen wir, beherzt zu lästern.


    Ich weiß genau, ich konnte dich nicht leiden.
    Du warst ein eitler Pfau, ein bunter Gockel
    und fühltest dich so wohl auf deinem Sockel.
    An fremdem Schaden konntest du dich weiden.


    Sofort erschloss sich mir die Geistverwandte,
    die mein Genie als einzige erfasste.
    Du warst erwählt, mein Leben zu begleiten.


    Obwohl ich dich so scharf und klar erkannte,
    tat ich, wofür ich mich fortan nur hasste:
    Ich lieferte mich aus für alle Zeiten ...

  • von ueberbuecher



    Ich war schon einmal hier.


    Meine Finger bewegen sich in Zeitlupe auf die alte Holztüre zu, deren ehemals helles Braun einer dunkleren Alterstönung gewichen ist. Noch bevor meine Fingerkuppen von der kalten Oberfläche des betagten Holzes willkommen geheißen werden, ereilt mich die Erinnerung an dieses Gefühl von Kälte, Stromschläge abweisender, seltsam pochender Struktur, für jeden Finger einen.


    Hier ist alles alt.


    Ich bin verrückt. An keinem Ort der Welt dürfte ich weniger sein als hier. Seit meiner Kindheit habe ich dieses Haus gemieden, seit...


    Und dennoch stehe ich nun vor dieser Tür und kann nicht verhindern, dass meine Hand langsam den Türknauf umfasst. Wieder empfinde ich Kälte, diesmal völlig real. Ich starre wie hypnotisiert geradeaus und sehe -


    Ich bin wieder acht Jahre alt. Es sind zehn Stufen bis auf den Boden des Kellers. Mit jeder weiteren wird es lauter, dieses schreckliche Geräusch. Ich stehe zitternd auf der letzten Stufe und etwas ¨C ETWAS ¨C zwingt mich, weiterzugehen. Ich möchte schreien, doch meine Stimmbänder versagen mir den Dienst. Dann gehe ich weiter -


    Ich öffne die Kellertür. Ein lautes Knarzen begrüßt mich. Es untermalt perfekt die schwärende Schwärze, welche mich lauernd hinter der Tür erwartet.
    Ich betrete die erste Stufe.


    In der Mitte des Kellers bleibe ich stehen. Später werden die Spuren meiner Angst nicht zu leugnen sein, aber jetzt ist jegliches Denken ausgeschaltet. Mein Körper scheint nur noch aus Augen und zitternden Gliedmaßen zu bestehen. Plötzlich verstummt das Geräusch. Ich richte meinen Blick auf die dunkle Ecke, aus der ich es ¨C diesen LAUT - meinte vernommen zu haben.


    Ich habe die letzte Stufe hinter mir gelassen. Wie konnte ich nur so verrückt sein, mich auf das hier einzulassen. Es ist nichts zu hören. Das war es, was ich mir beweisen wollte. Ich war ein kleiner Junge damals, mit einer völlig übersteigerten Phantasie. Hier ist nichts. Damals nicht und heute nicht. Hier ist niemals etwas gewesen. Jahre der Angst ¨C völlig umsonst. Ich merke, wie ein hysterisches Kichern aus meiner Kehle aufzusteigen droht.


    Das Licht der alten Glühbirne erhellt nur schwach den Raum, Umrisse schälen sich aus der Dunkelheit, eine alte Kartoffelkiste, daneben zwei kaputte Holzstühle, ein Besen...Panik überrollt mich langsam, unaufhaltsam. Ich möchte wegrennen, doch ich bin wie versteinert.Dann sehe ich es.Der Deckel der Kiste.Er öffnet sich.Langsam.Ganz langsam.In meinen Gedanken schreie ich.In meinen Gedanken kreische ich.Doch ich bleibe stumm.Dann erhebt es seine Stimme.


    Das seltsame, widerliche Gegacker kommt aus meiner eigenen Kehle. Ich kann mich nicht mehr beherrschen. Ich muss hier raus, weg, weit fort, warum nur erfüllt mich dieser Ort mit einem solchen Grauen ¨C jetzt, wo ich doch sicher weiß, daß hier gar nicht ist, daß ich all die Jahre vor Phantomen, Hirngespinsten geflüchtet bin?


    Als ich mich umdrehe und die Treppe wieder hinaufstürzen will, höre ich es.


    Unsägliche Laute, die nur vorgeben, menschlich zu sein. Ein modriger, in Fetzen hängender Mund, dessen sandiges Knirschen mich zum Bleiben auffordert:


    „Ich habe auf Dich gewartet.“

  • von Inkslinger



    Fragend schaust du mich an
    Willst von mir wissen, wann
    Wann kam ich zu dem Entschluss,
    Dass es mit uns aus sein muss?


    Es war an einem sonnigen Tag
    Ob es im Mai gewesen sein mag?
    Da kam ich zur Tür herein
    Und der liebe Sonnenschein
    Fiel auf dein Gesicht
    Und du sahst mich nicht.


    Doch ich sah da die große Gier
    Die in deinen Augen schier
    Kam mir entgegen, unversteckt
    Sich nach meinem Geld schon reckt.


    War es eine Halluzination?
    Eine einfache Überreaktion?
    Nein! Ich habe entdeckt,
    Dass kein Freund in dir steckt.


    Ich will das alles nicht mehr,
    Darum gib den Schlüssel her.
    Geh und komm nicht zurück
    Such bei and'ren dein Glück.
    Ich fall' jetzt nicht mehr auf dich rein,
    So wenig Licht bei so viel Schein.

  • von Sinela



    Judith saß in ihrem Sessel und warf einen Blick auf den Kalender. Dieser zeigte den 24. Juli an, das nächste Weihnachtsfest war näher als das vergangene. Sie seufzte. Wo war bloß die Zeit geblieben? Sie hatte soviel vorgehabt in diesem Jahr und nun war schon mehr als die Hälfte davon herum und nichts von dem, was sie sich an Silvester vorgenommen hatte, war in die Tat umgesetzt worden. Na ja, gut, fast nichts, immerhin hatte sie es geschafft, ihre Wohnung neu zu streichen bevor sie an diesem schicksalhaften Tag in die Disco ging. Wo sie ihn traf, ihn, an den sie ihr Herz verlor, obwohl ihr Bauchgefühl sie warnte, aber sie stellte sich taub, wollte nichts hören, auch als ihre Freundinnen sie vor ihm warnten. Sie lachte auf. Hätte sie damals schon gewusst, was sie heute wusste, sie hätte mit qualmenden Socken das Weite gesucht. Dabei waren die ersten Wochen mit ihm sehr schön, voller Harmonie. Sie waren im Ischl zum Ski fahren, tanzten so manche Nacht hindurch, er lud sie ins Restaurant ein, sie radelten an der Mosel entlang, gingen ins Freibad oder an einen See zum schwimmen, und und und. Außerdem half er im Haushalt, brachte sogar den Müll hinunter, ohne dass sie was sagen musste, er erledigte den Großeinkauf für die ganze Woche, kuschelte vor dem Fernseher mit ihr und der Sex …. der Sex war einfach gigantisch. Er gab ihr das Gefühl, etwas ganz besonderes zu sein. Aber dann .......



    Judith stand auf, lief unruhig im Zimmer umher. Von einem Tag auf den anderen veränderte sich sein Verhalten ihr gegenüber, so als sei er ein ganz anderer Mensch. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte sie sich in Sack und Asche kleiden müssen, dabei war er bis dahin immer stolz auf ihre sexy Ausstrahlung gewesen. Er fing an sie zu kontrollieren, rief sie x-mal am Tag in der Firma, in der sie arbeite, an. Die Blicke ihrer Kollegen waren nach einiger Zeit nur noch voller Mitleid, wenn er wieder mal am Telefon war. Sie sollte ihre Freundinnen nicht mehr treffen, nur noch für ihn da sein, den ganzen Abend und das Wochenende zuhause rumsitzen. Am Anfang dachte sie sich noch nichts dabei, er liebte sie halt, aber sein Verhalten wurde immer extremer. Als sie ihn darauf ansprach und ihm sagte, dass es so nicht mehr weitergeht, sie sich von ihm trennen werde, drehte er durch. Judith fühlte die Schläge, die Schmerzen noch heute, wenn sie nur daran dachte. Sie hatte Todesangst und wer weiß, wenn nicht ein Nachbar die Polizei gerufen hätte, hätte er sie vielleicht sogar wirklich totgeschlagen. Sie atmete tief durch – er war Vergangenheit, sie hatte ihn seit diesem Tag nicht mehr gesehen. Nein, sagte sie laut zu sich, sie wollte nicht mehr an ihn denken, wollte ihn und alles, was mit ihm zusammenhing vergessen.

  • von Sonne79



    Momente der Erinnerung,


    aus denen wir neue Kraft und


    Hoffnung schöpfen.


    Momente der Erinnerung,


    von denen wir Zeit unseres Lebens


    zehren können.


    Momente der Erinnerung


    laden uns ein zum Innehalten und


    zurück blicken.


    Momente der Erinnerung


    stimmen uns fröhlich und schenken uns


    ein Lächeln.


    Das Lächeln


    versüßt uns den Tag


    und lässt alles nicht mehr so


    schlimm erscheinen.


    Dank der Erinnerungen,


    die wir ein Leben lang


    in unserem Herzen tragen.


    Momente der Erinnerung.

  • von Fukuro



    Das Wasser spiegelte ihr Gesicht wieder. Was konnte man nur darin finden, dass ein Mann wie Micheal sich darin verlor? Sie hob die Hand und strich sie sich über den Nasenrücken, ihr Spiegelbild tat es ihr gleich. Sie war ihrer Meinung nach zu lang, lief zu Spitz zu. Man könnte meinen, sie hätte die Nase einer Hexe.


    Das ist doch nicht wahr. Außerdem gibt es auch sehr hübsche Hexen. Sie verstehen es, den Männern schöne Augen zu machen und ihnen den Kopf zu verdrehen.


    Sie lächelte und betrachtete im dahinfließenden Bach ihre tief blauen Augen. Es war das einzige, was sie an sich mochte. Das Farbenspiel, wenn die Sonne schien, das Leuchten, wenn sie sich über etwas freute. Der stumme, verträumte Micheal, wenn er sie zu lange ansah.


    Du bist keine Hexe. Du bist ein Engel und du befreitest mich aus meinem Elend der Einsamkeit.


    Sie sah auf und der Wind fuhr ihr durchs Haar, lies es tanzen und ihr Gesicht umspielen. Für ihn hatte sie es länger werden lassen. Oft kuschelte er sich darin hinein wie in ein weiches Kissen. Wie ein kleines Kind.


    Ich liebe dich, Seika*.


    Wieder blickte sie in das klare Wasser und berührte ihre schmalen Lippen.


    Sie sind so weich. So schön, was sie freilassen, wenn sie sich öffnen.


    Dann erhob sie sich und begann zu singen.
    Hinter ihr näherte sich ein dunkelhaariger Mann und Micheal legte seine Arme um ihre Taille. Er lauschte ihrer Musik, die alles frei ließ, was er in sich trug.


    *Seika heißt Leben.

  • von Marlowe



    Ich habe Dir Blumen geschenkt
    Rosen
    wie immer
    ohne Grund, nur so
    als Beweis für
    na, Du weißt schon


    Die Blumen sind schön
    sagst Du
    stellst sie raus in den Flur
    sagst noch
    Rosen, wie immer
    und ich fange an
    und suche den Grund


    Dann vergesse ich die Rosen
    Du auch
    anderes ist wichtig
    Probleme sind der Nachtisch
    bei jedem Essen
    ich trinke ein Glas
    ohne Grund
    wie immer noch ein zweites


    Ein kleiner Streit noch
    ohne Grund
    nur als Beweis für
    na, Du weißt schon


    Grundlos stehen die Rosen im Flur
    wie so oft
    ich sehe sie bewusst
    erst wieder
    als sie verwelkt im Abfall liegen
    suche kurz den Grund
    warum sie von mir mitgebracht
    hier verwelken mussten


    Sie verwelkten für
    na, du weißt schon