Christian Wulff - Ganz oben Ganz unten

  • Titel: Ganz oben Ganz unten
    Autor: Christian Wulff
    Verlag: C.H. Beck
    Erschienen: Juni 2014
    Seitenzahl: 255
    ISBN-10: 3406672000
    ISBN-13: 978-3406672002
    Preis: 19.95 EUR


    Vorausgeschickt sei dies:
    Vielleicht wäre es sinnvoll über dieses Buch erst dann etwas zu schreiben/etwas zu sagen – wenn man es denn auch gelesen hat. Es macht gerade bei diesem Buch wenig Sinn, sich die Meinung der politischen Journaille zu eigen zu machen.


    Christian Wulff hatte jedes Recht dieses Buch zu schreiben, jedes Recht seine Sicht der Dinge darzustellen. Und das macht er sehr sachlich, durchaus auch emotional – aber nie weinerlich. Er steht zu seinen Fehlern, beschönigt nichts – rückt aber trotzdem vieles gerade was von dritter Seite böswillig kolportiert wurde.


    Man darf eines nicht vergessen:
    Wer BILD und SPIEGEL gemeinsam gegen sich hat, kann diesen Kampf nicht gewinnen. Und es war schon erstaunlich wie sich diese Presseorgane die Bälle gegenseitig zugespielt haben. Man wollte Wulff aus dem Amt jagen – war man doch schon gegen seine Kandidatur – und hat es dann ja auch geschafft.
    BILD, SPIEGEL und FAZ hatten immer für Gauck plädiert - ob er seine Sache aber nun wirklich besser macht - dieser pastorale Grüßaugust der Nation.

    BILD und SPIEGEL als höchste moralische Instanz dieses Landes? Geht das überhaupt? Sind doch beide dermaßen verrottet und bösartig, dass man ihnen jegliches Recht auf ein moralisches Urteil absprechen muss. Vielleicht ist es an der Zeit, einmal Kai Diekmann und seine BILD-Clique unter die Lupe zu nehmen, denn sie sind es, die zu einem großen Teil für den Verfall unserer Sitten verantwortlich sind. Anstand und Moral sind für diese Gestalten Fremdwörter.


    Wenn man dieses Buch von Christian Wulff gelesen hat – dann sieht man die Dinge ganz sicher ein wenig anders, wenn man nicht gar zu einer völlig anderen Meinung kommt. Dieses Buch ist auch ein Beleg dafür, wie uns auch die vermeintlich seriösen Medien wie FAZ, SÜDDEUTSCHE und natürlich auch ARD und ZDF täglich neu manipulieren, angeführt durch solche „Sympathieträger“ wie diesen Günther Jauch.


    Wulff beschreibt in diesem Buch wie man ihn von Beginn seiner Amtszeit an fertigmachen wollte. Und er beschreibt auch, auf welche miese Art und Weise das gemacht wurde. So wurden immer wieder Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, Reisen als vermeintliche Vergnügungsreisen bezeichnet, so log diese unsägliche ZDF-Journalistin Schausten öffentlich beim Wullf-Interview („Ich zahle für Übernachtungen bei Freunden immer 150 EUR“) nur um Wulff vorzuführen. Aber diese Lüge war natürlich okay und journalistisch notwendig, sonst wäre ihr ja die „Gesprächsführung entglitten“. Widerlich!


    Christian Wulff räumt aber auch Fehler ein. Manchmal geht er da allerdings ein wenig selbstgerecht zu Werke, stellt sich als allzu naiv da – obwohl er als Politprofi ja nun genau weiß wie der Hase läuft. Man nimmt ihm daher nicht alles ab, was er zu seiner Rechtfertigung vorträgt.
    Was man ihm aber abnimmt ist das Gefühl der Ohnmacht, diesem Medienshitstorm hilflos ausgeliefert zu sein. Und die Krönung ist dann auch das absolut unkorrekte Verhalten der Staatsanwaltschaft Hannover. Da wollte jemand offenbar eine Jagdtrophäe an die Wand nageln.


    Nach der Lektüre dieses Buches müssen einem Zweifel kommen: Zweifel ob Pressefreiheit bedeutet Menschen fertigzumachen, sich Informationen auf kriminelle Art und Weise zu beschaffen, ob die Medien wirklich die moralische Instanz sind, als die sich gern selbst sehen.


    So entblödete sich der Journalist Dirk Kurbjuweit vom STÜRMER äh....tschuldigung vom SPIEGEL folgenden Satz von sich zu geben:
    „Jagdfieber bei der Recherche ist ein geradezu konstituierendes Element der Demokratie.“
    Jagdfieber?
    Sollte es nicht um die Wahrheit gehen – oder geht es wirklich nur um einen Abschuss.


    Interessant vielleicht auch in diesem Zusammenhang ist, dass die taz sich nicht an dieser Jagd auf Wulff beteiligt hat, gerade von dort gab es sehr oft kritische Töne – die man bei der durchgeknallten Grünen Künast so gar nicht hören konnte. Die machte sich wacker mit BILD und SPIEGEL gemein.


    Christian Wulff hat seine Sicht der Dinge dargestellt.
    Sachlich, manchmal etwas selbstgerecht.
    Und vor dem Hintergrund dieses Buches scheint wirklich an der Zeit zu sein, diese ganze Affäre einfach auch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.


    Ein sehr lesenswertes Buch, ein Buch über politische Realitäten in diesem Lande – Realitäten die ganz sicher weiter zur Politiverdrossenheit beitragen.
    Denn wie schreibt Wullf doch:
    „Wenn es nur noch Jäger und Gejagte gibt, dürften sich immer mehr Menschen aus der Politik heraushalten, weil sie sich nur noch als Zuschauer sicher fühlen können.“


    Und was wäre dieses Land ohne die unzähligen Mandatsträger im Bund, Land und in den Kommunen? Menschen die ihre Freizeit für dieses Land opfern – und die von dieser Schmutz-Journaille letztendlich immer wieder durch den Dreck gezogen werden.
    Politik mag ein dreckiges Geschäft sein – aber viel Dreck kommt leider auch von den Medien.


    9 Eulenpunkte für hochpolitisches aber leider auch pessimistisches Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Voltaire vielen Dank für diese überaus gelungene Rezension. :blume


    Mit deinen Aussagen findest du meine volle Zustimmung und triffst den Nagel auf den Kopf. Vielleicht greife ich dann auch mal zu diesem Werk.


    Ich bin mittlerweile auch immer mehr davon enttäuscht wie die Berichterstattung heutzutage läuft und dass man selbst ARD, ZDF, FAZ und Co nicht mehr wirklich als seriös ansehen kann.


    Ich finde es schrecklich, wenn der gute Bürger nicht mehr selber denken und sich eine Meinung bilden soll, sondern etwas vorgesetzt bekommt wie ein kleines Kind und gut ist.

  • Ich vermelde ganz stolz, dass ich soeben "Ganz oben ganz unten" von Christian Wulff ausgelesen hab - mal ein politisches Buch, eigentlich ungewöhnlich für mich, aber es ging dabei ja auch um die Hatz, die ganze Verleumdung, wie vor allem BILD, aber auch andere Medien unseren Bundespräsidenten a. D. fertig gemacht haben! Ich muss ehrlich sagen, ich hab das damals auch alles geglaubt und war froh, dass das "verlogene Weichei" abdanken musste... :yikes Aber nach diesem Buch sieht die Sache komplett anders aus! Wahnsinn, was für eine Macht die Medien haben.


    Finde ich toll von Wulff, dass er dieses Buch geschrieben hat - und übrigens ohne Nachtreten, ohne Jammern usw., wirklich einfach nur alles klargestellt! Und der Freispruch bestätigt ja, dass das alles gestimmt hat.


    Also ein echt lesenswertes Buch!


    10 Eulenpunkte von mir!


    edit:
    Voltaire - tolle Rezension!!! :anbet
    "Der pastorale Grüßaugust der Nation" hat mir besonders gefallen! :lache
    Bin bestürzt, dass auch Dirk Kurbjuweit zu denen gehört hat, ich meine, von dem mal nen guten Roman gelesen zu haben... :gruebel


    edit:
    Wusste ich es doch - den Roman "Angst" hab ich gelesen, der war von Kurbjuweit - und richtig gut!


    Sehr interessant übrigens zu wissen, worum es in dem Buch geht:


    Kurzbeschreibung von amazon
    Das saturierte Leben von Randolph Tiefenthaler scheint mit dem Kauf der schönen Berliner Altbauwohnung seine Erfüllung zu finden. Der Architekt und seine Familie ahnen nichts Böses, als der schrullige Herr Tiberius ihnen Kuchen vor die Tür stellt. Doch bald wird der Nachbar aus dem Souterrain unheimlich. Er beobachtet Tiefenthalers Frau, schreibt erst verliebte, dann verleumderische Briefe, erstattet sogar Anzeige. Die Ehe stürzt in eine Krise, das bloße Dasein des Nachbarn vergiftet den Alltag. Tiefenthaler vertraut lange auf den Rechtsstaat, der aber zeigt sich hilflos gegenüber dem Stalker. Die zerstörte Sicherheit erschüttert Tiefen thaler im Innersten. Denn er kennt die Angst schon lange. Sein eigener Vater ist ein Waffennarr, als Kind musste Randolph schießen lernen und fürchtete stets das Schlimmste. Vater und Sohn sind sich seit Jahren fremd – doch nun bringt die unerträgliche Situation Randolph auf einen entsetz lichen Gedanken ... Dirk Kurbjuweit schildert mit beklemmender Spannung, wie Ohnmacht eine Familie zur Selbstjustiz treibt. «Angst» ist das Psychogramm einer Gewalttat, die Geschichte einer extremen, in ihrer Sprachlosigkeit berührenden Vater-Sohn-Beziehung – und ein erzählerisches Experiment, das die dünne Haut unserer bürgerlichen Zivilisation auf die Zerreißprobe stellt.


    Und ausgerechnet dieser Autor gehört zu den Journalisten, die Wulff gejagt haben!!! :yikes

  • Ganz oben
    Ganz unten
    von Christian Wulff


    Im ersten Teil seines Buches gibt Christian Wulff einen kurzen Übersicht über sein politisches Wirken, um dann im zweiten Teil ausführlich die Hetzjagd der Medien - insbesondere von Bild, Welt, FAZ und Spiegel - zwischen Dezember 2011 und seinem Rücktritt im Februar 2012 und darüber hinaus mit dem folgenden Gerichtsverfahren aus seiner Sicht wiederzugeben..


    Die ganze Problematik wird von Herrn Wulff unbeabsichtigt in einem kurzen Beispiel auf S. 241 f. seines Buches präsentiert:

    Zitat

    Dann kam der Spiegel-Redakteur zur Sache. Er bitte, "noch einmal wohlwollend zu prüfen", ob er nicht doch Einblick in den "Aktenordner der nicht strafrechtlich relevanten Unterlagen" nehmen dürfe. Sollte die Akteneinsicht gewährt werden, sichere er zu, daß der Bericht "sich keinesfalls gegen die aktuelle Landesregierung richten wird." Der letzte Absatz der Mail machte dann unmissverständlich klar, was gemeint war:
    "Vielen Dank auch noch einmal für die Unterlagen über den von McAllister geliehenen VW Golf. Ich habe inzwischen zwar recherchiert, dass der von Herrn Ministerpräsident gezahlte Preis deutlich unter den marktüblichen Konditionen der bekannten Leihwagen-Unternehmen liegt. Derzeit plant der Spiegel allerdings keine Veröffentlichung, weil ich mich um wichtigere Dinge kümmern muss - wie die Causa Wulff."


    Auf der einen Seite stehen also die Politiker, die Vergünstigungen und kleine Aufmerksamkeiten für mehr oder weniger selbstverständlich halten und überhaupt kein Problem damit haben, für etwas weniger zu zahlen als der durchschnittliche Steuerzahler - alles selbstverständlich völlig legal.


    So berichtet Wulff, immer gewissenhaft zwischen Amt und Freunden zu trennen - dieses Bemühen wird ihm auch im Prozess bescheinigt. Dennoch hielt er es für akzeptabel, als Ministerpräsident z.B. bei Siemens um Unterstützung für einen Film seines Freundes David Groenewold zu werben oder bei Air Berlin ein kostenloses Upgrade für einen Urlaubsflug seiner Familie zu akzeptieren. Wie wenig er verstanden hat, worum es geht, zeigt er, als er in seinem Buch darauf hinweist, bei einem anderen Flug mit einer Wirtschaftsdelegation ein Upgrade abgelehnt zu haben, daß aufgrund einer besseren Maschine allen Flugreisenden dieses Fluges zustand. Lediglich die Beamten der Staatskanzlei und Herr Wulff als Delegationsleiter verzichteten auf dieses - nicht persönliche - Upgrade.


    Auch die Erklärungen zu der Aussage im Landesparlament zu seinem Hauskredit halte ich für recht dürftig.
    Erstens sei ja der Vertrag nur mit Frau Geerkens geschlossen worden und auch, wenn er das Haus mit Herrn Geerkens ausgesucht und die Finanzierung mit ihm abgesprochen habe, so sei es doch in allen deutschen Parlamenten Brauch, Fragen nur ganz gezielt und wörtlich - nicht interpretierend! - zu beantworten.
    Zweitens war der Kredit privat und nicht geschäftlich (auch hier: es wurde nur nach einer geschäftlichen Beziehung gefragt) - daß ein Privatkredit in diesem Falle nicht als geschäftliche Transaktion angesehen werden kann, halte ich für sehr wörtlich genommen.
    Drittens hatte Christian Wulff bereits kurz zuvor den Fehler mit dem Flug-Upgrade zugeben müssen, und einen zweiten Fehler einzugestehen, könne zu öffentlichen Irritationen führen...


    Auf der anderen Seite stehen Journalisten, die diese kleinen Episoden nutzen, um Kapital daraus zu schlagen und die Politik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie sind schon lange nicht mehr der berichtende Beobachter (wenn sie es denn überhaupt je waren), aber spätestens im Fall Wulff wurden auch die letzten Skrupel über Bord geworfen, es wurden Kleinigkeiten aufgeblasen, Zusammenhänge herbeikonstruiert und dreist gelogen. Alles nur, um einen unliebsam gewordenen Politiker so schnell wie möglich aus dem Amt zu jagen.


    Es geht gewissen Medien nicht darum, Verfehlungen von Politikern aufzudecken, wie die Journalisten suggerieren („Jagdfieber bei der Recherche ist ein geradezu konstituierendes Element der Demokratie.“) - wie sonst ist zu erklären, daß bei Christian Wulff ein solches Fass aufgemacht wird, beim ehemaligen Minister zu Guttenberg, dessen Verfehlung bei weitem schwerer und eindeutiger beweisbar war, von den gleichen Medien fast bis zum Rücktritt gestützt wurde? Wulff nennt in seinem Buch einen anderen Vergleich - als er sich wegen Bettina von seiner ersten Frau scheiden läßt, kürt ihn die Bild zum durch die Erfahrung Gereiften. Wulff schreibt, er fand es skurril, daß damit jedem glücklich Verheirateten ein Makel angeheftet würde, hat sich die krude Berichterstattung allerdings gern gefallen lassen - solange man "auf Linie" ist, hat man offenbar nix zu befürchten.


    Wulff nennt in seinem Buch übrigens durchaus auch positive Beispiele anderer Medien, die in der ganzen Affäre deutlich sachlicher argumentierten die jedoch zumeist im lauten Getrommel von BILD und Co kaum gehört wurden.


    Ich kann das Buch jedem empfehlen, der einen tieferen Einblick in die Medienlandschaft sucht.

    "Wie kann es sein, dass ausgerechnet diejenigen, die alles vernichten wollten, was gut ist an unserem Land, am eifrigsten die Nationalflagge schwenken?"
    (Winter der Welt, S. 239 - Ken Follett)