Bittere Lügen - Karen Perry

  • Originaltitel: The Innocent Sleep (2014)
    Scherz Verlag 2014, 397 S.



    Über den Inhalt:
    In Sekundenbruchteilen liegt ihr Leben in Schutt und Asche. Harry und Robin haben bei einem schrecklichen Erdbeben ihren dreijährigen Sohn Dillon verloren. Auch fünf Jahre später überschattet der unfassbare Verlust, das Gefühl der Ohnmacht und Schuld jede Minute ihres Zusammenlebens. Bis zu dem kalten Wintertag, als Harry denkt, Dillon in Dublin auf der Straße gesehen zu haben. Seither ist er von dem Gedanken besessen, dass sein Sohn noch leben könnte. Und er ist bereit, bis zum Äußersten zu gehen, um die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen. Mit unvorstellbaren Folgen …


    Über die Autorin:
    Karen Perry – hinter diesem Namen verbergen sich die Autoren Karen Gillece und Paul Perry. Karen und Paul stammen beide aus Dublin, wo sie auch heute mit ihren Familien leben. ›Bittere Lügen‹ ist ihr erster gemeinsamer Roman.


    Meine Meinung:
    Vor fünf Jahren haben Harry und Robin ihren kleinen Sohn Dillon in Tanger bei einem Erdbeben verloren. Harry hatte ihn schlafend allein gelassen und das Haus war eingestürzt. Nun leben sie in Dublin in der Hoffnung, dass sie ihre Beziehung retten können und Harry sich von der immensen Last seiner Schuld befreien kann. Stattdessen reißt die alte Wunde wieder auf, als Harry davon überzeugt ist, Dillon auf der Straße gesehen zu haben. Kann sein Sohn tatsächlich noch am Leben sein oder leidet er an Wahnvorstellungen?


    Harry und Robin scheinen ihr gemeinsames Leben nach dem schrecklichen Erlebnis in Marokko in den Griff bekommen zu haben. Das meint man zumindest zu Beginn des Buches. Doch es wird schnell deutlich, das gar nichts in Ordnung ist. Und nun ist Harry nicht von dem Glauben abzubringen, seinen tot geglaubten Sohn gesehen zu haben und die Welt der beiden droht erneut auseinander zu brechen.


    Die Geschichte wird aus der Sicht von Harry und Robin geschildert, beide erzählen in der Ich-Form. In abwechselnden Kapiteln betrachten wir Ereignisse, Emotionen und verdrängte Schuldgefühle durch ihre Augen. Das Buch hat mich an Gillian Flynns Roman „Gone Girl“ erinnert. Beide Romane haben das Bild einer Ehe zum Thema, in der nicht alles ist, wie es den Anschein hat. Die Struktur ist sehr ähnlich, wechselnde Kapitel aus der unterschiedlichen Perspektive eines Ehepaares.

    Die Rückblenden in die Zeit in Tanger, mal eindringlich, mal eher vage, decken Fakten auf, die die komplizierte Beziehung von Harry und Robin erklären. Auch wenn beide Ehepartner sich weiterhin belügen - nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst - als Leser erkennt man nach und nach die Wahrheit. Es lässt sich genug zwischen den Zeilen lesen, so dass die Auflösung keine allzugroße Überraschung mehr birgt.


    Mitgefühl mit einem Paar zu haben, das sein Kind auf so tragische Weise verliert, ist selbstverständlich, wirkliche Sympathie konnte ich für beide nicht aufbringen. Besonders Harry war mir von Anfang an unsympathisch. Wer gibt seinem 3-jährigen Kind eine Schlaftablette, damit er den Abend ungestört verbringen kann?
    Seltsam distanziert bleiben die Protagonisten während des gesamten Romans. Ich hatte das Gefühl, aus großer Entfernung auf die Geschichte draufzuschauen, ohne dass irgendwelche Emotionen bei mir angesprochen wurden. Zum Ende hin entwickelt die Geschichte eine nicht zum bisherigen Verlauf passende Dynamik und wartet dann doch noch mit einer überraschenden Wendung auf. Die letzte Szene ist etwas merkwürdig geraten und passt nur deshalb zum übrigen Roman, weil es wie die Geschichte insgesamt von dem profitiert, was unausgesprochen bleibt.


    Durch die sich nach einigen Kapiteln einschleichende Vorhersehbarkeit wird der Roman nicht wirklich spannend, ich würde ihn auch eher als Psychodrama denn als Thriller bezeichnen. Ich habe das Buch trotzdem in die Krimi/Thriller-Rubrik eingestellt, weil es auf anderen Internetseiten auch so einsortiert wird.

  • Vielen Dank für Deine tolle Rezi.


    Zitat

    Original von JaneDoe
    Durch die sich nach einigen Kapiteln einschleichende Vorhersehbarkeit wird der Roman nicht wirklich spannend, ich würde ihn auch eher als Psychodrama denn als Thriller bezeichnen. Ich habe das Buch trotzdem in die Krimi/Thriller-Rubrik eingestellt, weil es auf anderen Internetseiten auch so einsortiert wird.


    Dies kann ich voll und ganz unterschreiben, ich habe bis zum Ende vergeblich auf den "thrill" gewartet.

  • Hier auch meine rezension:


    Ich hatte das Glück und durfte Bittere Lügen vorablesen. Ob ich es mir selbst gekauft hätte weiß ich nicht. Am Anfang ist das Buch zwar sehr gut und flüssig zu lesen aber nicht wirklich fesselnd. Die Kapitel werden wechselweise aus Robins und Harrys sicht erzählt. Leider konnte ich mit keinem der Protagonisten eine sympathie aufbauen. Sehr interessant fand ich die Rückblenden in die Vergangenheit, die das ein oder andere Geheimnis eines der Protagonisten ans Tageslicht befördern und das Buch zunehmend spannend werden lassen. Gegen Ende hin hat man bereits eine Vermutung wie das ganze enden könnte, jedoch nimmt die geschichte dann nochmals eine interessante und unerwartete Wendung und lässt manche Personen in einem völlig anderen Licht erscheinen.


    Bittere Lügen ist ein (gegen Ende hin) spannender Psychothriller, der fast ganz ohne Blut und Brutalität auskommt, was der Spannung jedoch nichts abtut. Ich kann das buch für alle die es nicht so blutig mögen nur empfehlen!

  • Anfangs habe ich mich schwer getan mit den Sprechern Anna Thalbach und Roman Knizka. Sie erschienen mir nicht richtig passend zu den beiden Charakteren Robin und Harry. Mit der Zeit hat mich das allerdings immer weniger gestört. Auch erschien mir das Hörbuch teils etwas langatmig, aber gegen Ende wurde sehr deutlich, warum einige Passagen so langatmig sein mussten. Die dort erfahrenen Details machten die Geschichte einfach glaubwürdiger. Ich fand es sehr spannend zu sehen, wie sich aus den subjektiv erzählten Handlungssträngen langsam ein Drama entwickelte, entstanden aus jahrelang gelebten Lügen und Geheimnissen vor den Personen, die man am meisten liebt. Manchmal scheint die Wahrheit einfach zu schwer zu ertragen, so das man lieber mit der leichteren Lüge lebt. Erst am Ende zeigt sich, das die Wahrheit vermutlich der "bessere" Weg gewesen wäre. Aber um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man halt manchmal erst die Grausamkeiten des Lebens ertragen.
    Mich hat dieses Familiendrama wirklich gefesselt.