Taschenbuch: 92 Seiten
Verlag: Suhrkamp
Im Original erschienen unter dem Titel Dojczland, 2007 (Wydawnictwo Czarne).
Aus dem Polnischen von Olaf Kühl
Kurzbeschreibung:
„Man muß in Tulcea gewesen sein, um den Anblick von Frankfurt am Main bewältigen zu können. Man muß einen Abdruck der rumänischen Steppe im Herzen tragen, um da heil rauszukommen.“ Der Erzähler des Bestsellers Dojczland, ein literarischer Gastarbeiter auf Lesereise kreuz und quer durch die Bundesrepublik, verbirgt nicht, daß er lieber auf dem Bukarester Gara de Nord als am Stuttgarter Hauptbahnhof angekommen wäre. Warum fühlt er sich so unbehaglich? Warum wird er die Ängste nicht los? Und warum rührt ihn der deutsche Papst, der in Auschwitz niederkniet?
Nach Deutschland fahren, das ist Psychoanalyse! So selbstironisch spielt Stasiuk mit Ängsten, Vorurteilen und Klischees, den eigenen, den fremden, daß ihn ein polnisches Skandalmagazin als bezahlten Einflußagenten Berlins anprangerte.
Über den Autor:
Andrzej Stasiuk, der in Polen als wichtigster jüngerer Gegenwartsautor gilt, wurde 1960 in Warschau geboren, debütierte 1992 mit dem Erzählband "Mury Hebronu" (Die Mauern von Hebron), in dem er über seine Gewalterfahrung im Gefängnis schreibt. Stasiuk wurde 1980 zur Armee eingezogen, desertierte nach neun Monaten und verbüßte seine Strafe in Militär- und Zivilgefängnissen. 1986 zog er nach Czarne, einem Bergdorf in den Beskiden. Er ist freier Mitarbeiter bei der Zeitschrift "Czas Kultury" und bei der Tageszeitung "Tygodnik Powszechny". 1994 erschienen "Wiersze milosne i nie" (Nicht nur Liebesgedichte), 1995 "Opowiesci Galicyjskie" (Galizische Erzählungen) und "Bialy Kruk" (Der weiße Rabe, auf Deutsch 1998 bei Rowohlt Berlin erschienen), 1996 der Erzählband "Przez rzeke" (Über den Fluss) und 1997 "Dukla". Zur Zeit arbeitet er an einem Großstadtroman. In seinem eigenen Verlag Czarne brachte er eine Sammlung mit Texten von Zygmund Haupt (1907-75) heraus und leitete dadurch die Wiederentdeckung dieses in die USA emigrierten Autors ein, der als Meister der literarischen Reportage gilt.
Über den Übersetzer:
Olaf Kühl, 1955 geboren, studierte Slawistik, Osteuropäische Geschichte und Zeitgeschichte an der Freien Universität Berlin und ist vor allem als Übersetzer aus dem Polnischen und Russischen bekannt. 2005 wurde er mit dem Karl-Dedecius-Preis für sein polnisch-deutsches Übersetzungswerk ausgezeichnet. Seit 1996 ist er Russlandreferent des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. 2011 erschien Olaf Kühls Debütroman «Tote Tiere».
Mein Eindruck:
In diesem kurzen Reisebuch von nicht einmal 100 Seiten entwirft der polnische Schriftsteller Andrzej Stasiuk sein persönliches Bild von Deutschland, dass er auf zahlreichen Lesereisen und Buchmessenbesuchen kennengelernt hat.
Mehr als deutsche Städte und Dörfer hat Stasiuk besucht. Fast immer ist er mit Zügen unterwegs. Er reist mehr als das er bleibt. Kein Wunder also, dass er oft Hotelzimmer erwähnt, in denen er es doch nicht aushält und schließlich lieber die Städte durchstreift.
Dabei tritt Stasiuk keineswegs als elitärer Schriftsteller auf sondern verhält sich stets wie ein kritischer Beobachter auf. Die Beobachtungen sind nur manchmal von Wodka oder Jim Beam (zur Not auch mal Johnny Walker) beeinflusst.
Alles ist aber stets bei Stasiuk ironisch gebrochen. Wer seine zynische Art mag, wie ich, der wird sich über seine bissigen Bemerkungen über Deutschland amüsieren.
Zitat Seite 15:
“Das war mein deutscher Anfang. Einsamkeit, DDR, Skins,
Suff, Literatur und Holocaust.
Nach Deutschland fährt man nicht ungestraft.”
Sein Deutschlandbild wird vielleicht nicht jedem gefallen, aber man muss sich den Schuh nicht unbedingt anziehen. Ich fühlte mich als Leser ohnehin eher als Komplize des Autoren, der mich übrigens auch stilistisch wieder überzeugte.
Leider ist das Buch aber wirklich nur ein Häppchen. Man bekommt Lust, weiteres von Stasiuk zu lesen.