Steffen Kopetzky – Lost/Found
• Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
• Verlag: btb Verlag; Auflage: 1. Auflage (22. September 2005)
• ISBN-13: 978-3442751396
• Preis: 4,50 Euro (HC), 6,99 Euro (ebook)
Klappentext:
Steffen Kopetzky erzählt vom Vergnügen des Findens und vom Schrecken des Verlusts. Und davon, dass die Dinge nicht so sind, wie sie scheinen. Welch Katastrophe es sein kann, wenn etwas lang Vermisstes sich plötzlich einfindet. Oder welch Glück, aus seinem Leben plötzlich ausgesperrt zu sein, weil man den Schlüssel verloren hat ...
»Lost/Found« ist eine Momentaufnahme dessen, was an einem Tag weltweit verloren geht – und gefunden wird. An der Küste Tunesiens steht ein Flüchtling vor der existentiellen Vernichtung durch den Verlust seines Handys, in Berlin verliert ein Pechvogel seinen Ausweis ausgerechnet am Ort seines Verbrechens. Durch den Tod ihres letzten Sprechers geht der Menschheit eine Sprache verloren, eine Frau verliert die Hoffnung, jemals ein Kind empfangen zu können und eine Studentin ihren dringend benötigten Job.
Steffen Kopetzky zeigt eine Welt, in der den Dingen eine allzu große Bedeutung beigemessen wird, bis die Handelnden entdecken, dass ihr Leben durch ganz andere Koordinaten bestimmt wird. Rührend tragisch, herrlich komisch, wunderbar überraschend und bemerkenswert temporeich gelingt dem Autor von »Grand Tour« mit »Lost/Found« ein literarisches Fundstück.
Zum Autor:
Steffen Kopetzky (* 26. Januar 1971 in Pfaffenhofen an der Ilm) studierte Philosophie und Romanistik in München, Paris und Berlin. Seit 1993 lebte er zunächst als freier Schriftsteller in Berlin und inzwischen wieder in seinem Geburtsort in der Hallertau (zwischen München und Ingolstadt). Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Steffen Kopetzky ist Verfasser von Romanen, Hörspielen, Radio-Features und Theaterstücken. Während seine ersten beiden Romane in spielerischer Form Kopetzkys enorme Belesenheit präsentieren, handelt es sich bei Grand Tour um ein ausuferndes, postmodernes Erzählwerk, in dem der Autor u. a. persönliche Erfahrungen als Schlafwagenschaffner sowie als Baldreit-Stipendiat in Baden-Baden verarbeitet.
2008 war er künstlerischer Leiter der Biennale Bonn.
Seit 2007 ist Steffen Kopetzky in der Kommunalpolitik seiner Heimatstadt Pfaffenhofen a. d. Ilm engagiert. Bei den Kommunalwahlen 2008 wurde er als Parteiloser auf der Liste der SPD in den Stadtrat gewählt und ist dort als Referent für Kultur tätig.
Meine Meinung:
Diese Kurzgeschichtensammlung ist ein Genuss. Sprachlich sind die Texte exzellent und vielseitig, jeweils dem Sujet angepasst. In ihrer Thematik könnten sie nicht unterschiedlicher sein:
- Die Sprache der Liebe
Eine Frau, die verzweifelt alles versucht, schwanger zu werden.
- Verdammtes Material
Ein Mann, der durch Zufall an eine Information gerät, von der er sich Profit verspricht.
- Die Kunst der Preisfindung
Ein Mann, der sich zurückbesinnt an einen Tag in seiner Jugend, der sich als Wendepunkt für seine berufliche Laufbahn herausstellte.
- Die Falte
Ein Jugendlicher, der seine Cousine zur seltsamen Lehrerin Mrs. Itagaki begleitet und eine wundersame Entdeckung macht.
- Eine Nacht in Kali Yuga
Ein Sprachwissenschaftler, der in Tanger verzweifelt mit einer Entscheidung ringt, die seine berufliche und private Zukunft betrifft.
- Der Alte im grünen Gewand und die Kappe des Chauffeurs
Der Nigerianer Yannik versucht seine schwangere Cousine Lina nach Europa zu bringen.
- Deutsche Mechanik
Ein Künstler, der Plastiken fertigt, steht kurz davor ein monumentales Werk fertigzustellen.
Einzeln gelesen sind sie schon ein Genuss, doch der eigentliche Clou besteht darin, dass die Kurzgeschichten alle miteinander in Verbindung stehen. Dem Autor ist eine hervorragende Plotkonstruktion gelungen und am Ende erkennt man das große Ganze, das hinter diesen Einzelteilen steht. Ein Plädoyer dafür, dass alles im Fluss ist und miteinander in Verbindung steht, unbemerkt und unerkannt vom Individuum.
Wie der Titel präzise aussagt, geht es um das Verlieren und Finden im Leben, aber auch um die Möglichkeit der Gleichzeitigkeit. Alle, die etwas verloren haben, haben etwas anderes dazugewonnen. Oftmals ohne sich dessen bewusst zu sein. Der Leser kann dies von seinem Beobachtungsposten aus wahrnehmen und es liegt etwas Hoffnungsvolles, Aufmunterndes in diesen Gleichungen. Verlieren und finden kann man die verschiedensten Sachen: Materielles, aber auch Ansichten, Hoffnungen, Vorstellungen und Wünsche. Dieses Buch beschreibt nichts weniger als die Mechanismen des Lebens. Texte, die nachhallen, über die es nachzudenken lohnt. Großes Kino.
Ich gebe 10 von 10 Eulenpunkten.