Zoë Ferraris: Wüstenblut
Pendo 2014. 384 Seiten
ISBN-13: 978-3866123755. 19,99€
Originaltitel: Kingdom of Strangers
Übersetzerin: Karin Dufner
Verlagstext
Ibrahim Zahrami von der Mordkommission Dschidda steht vor einem Rätsel: Ein Beduine hat in der saudi-arabischen Wüste ein geheimes Grab entdeckt. Neunzehn Frauen fanden auf mysteriöse Weise den Tod. Ein Serienmörder muss vollkommen unbemerkt über mehrere Jahre sein Unwesen getrieben haben. Als neunzehn Frauenleichen gefunden werden, ist Ibrahim Zahrami alarmiert - die Zahl 19 hat im Koran eine wichtige Bedeutung. Hat er es mit einem Fanatiker zu tun? Und warum fehlt allen Frauen eine Hand? Gleichzeitig plagt Zahrami privat noch eine ganz andere Sorge: Seine Geliebte, die Undercover-Agentin Sabina Gampon, ist spurlos verschwunden und er kann sie nicht mal als vermisst melden, da auf Ehebruch die Todesstrafe steht. In seiner Verzweiflung vertraut er sich seiner Kollegin Katya an, einer der wenigen Frauen der Polizeistation. Doch Katya, die auf Hochtouren in beiden Fällen ermittelt, merkt nicht, wie sich langsam die Schlinge um ihren eigenen Hals immer enger zieht …
Die Autorin
Zoë Ferraris hat ein Jahr lang in einer strenggläubigen muslimischen Gemeinde in Dschidda, Saudi-Arabien, gelebt, bevor sie ihr Romandebüt »Die letzte Sure« schrieb. Für »Die letzte Sure« wurde sie mit dem Mystery Fiction Award der Santa Barbara Writers Conference ausgezeichnet. Zoe Ferraris hat einen MFA der Columbia Universität in New York. »Wüstenblut« ist ihr dritter Roman.
Inhalt
Zoë Ferraris Krimi könnte mit seinem klischeehaften Buchcover und dem irreführenden deutschen Titel falsche Erwartungen wecken, handelt das Buch doch von der Suche nach einem Serienmörder im Saudi-Arabien der Gegenwart. Von dem Fall, den Polizeiinspektor Ibrahim Zahrani und sein Team zu lösen haben, war ich trotz des sonderbaren ersten Eindrucks schnell gefesselt.
Südlich von Dschidda werden in der Wüste insgesamt 19 Frauenleichen gefunden. Die Getöteten sind junge Fremdarbeiterinnen aus Asien, wie sich herausstellt. Eines der Opfer ist bereits seit circa 10 Jahren tot, doch keine der Frauen wurde bisher als vermisst gemeldet. Der Täter hat offensichtlich mit der Anordnung der Leichen eine religiöse motivierte Botschaft in den Sand geschrieben; Assoziationen zu einem Koranvers drängen sich den Ermittlern auf. Obwohl es nur schwer ins Selbstbild der Saudis passt, dass Gewalt und Unmoral in ihrem Land nicht allein ein Import aus den USA sind, sondern wohlhabende Saudis Straftaten begehen, vermuten die Ermittler einen Serienmörder. Der aktuelle Fall muss erhebliches Aufsehen erregt haben; denn aus den USA wird eine FBI-Spezialistin für Serienmorde hinzugezogen.
In Zahranis Team arbeitet als Kriminaltechnikerin Katya Hijazi, die ihrer Ansicht nach die Ermittlungen schneller vorantreiben könnte, wenn sie auf dem Dienstweg endlich alle Informationen zu dem Fall erhalten würde. Die Verhältnisse zwischen Männern und Frauen in Zahranis Ermittler-Gruppe bilden anschaulich die Situation in Saudi-Arabien ab. In der Öffentlichkeit und im Beruf ist der Kontakt zwischen Frauen und Männern, wie er in anderen Ländern selbstverständlich ist, undenkbar. Weibliche und männliche Leichen werden in getrennten Räumen obduziert. Für Katya muss ein abgetrennter Arbeitsplatz eingerichtet werden, um die Moral zu wahren. Ein normaler kollegialer Kontakt zu ihren Kollegen wird durch die automatisch unterstellte Unmoral unmöglich. Trotz aller Hindernisse ist Katya entschlossen, an der Polizeiakademie zu studieren und später selbst bei der Mordkommission zu arbeiten. Zahrani selbst bringt die Ermittlungen ins Stocken, weil zunächst geklärt werden muss, welche Rolle seine sorgsam verheimlichte Geliebte in dem Serienmord-Fall gespielt haben könnte. Weit über ihre dienstlichen Kompetenzen hinaus stürzt Katya sich forsch in die Ermittlungen, mit allen Hindernissen, die die Moralgesetze ihres Landes ihr dabei in den Weg legen. Katyas Konflikt, wie sie je Familie und Beruf miteinander vereinbaren wird, gibt dabei Einblick in die Lebensumstände moderner saudischer Frauen. Selbst wenn ihr zukünftiger Mann ihr vor der Ehe das Blaue vom Himmel versprechen würde, hätte er nach der Hochzeit das Gesetz auf seiner Seite, falls er ihr eine Berufstätigkeit schlicht verbieten wollte.
Fazit
Ferraris Kriminalfall und seine Auflösung fand ich höchst interessant und im großen Ganzen spannend. Neben der auf mich sehr glaubwürdigen Figur der Katya sind die Nebenfiguren der Autorin jedoch eher flach geraten. Ibrahim ist besitzergreifend und eifersüchtig, Katyas Zukünftiger ist besitzergreifend und eifersüchtig, … Die FBI-Spezialistin für Serienmörder, Dr. Charlie Becker, wirkt in ihrer Reaktion auf die lokalen Sitten völlig unbedarft und daher für ihren Einsatz unqualifiziert. Missfallen hat mir die unterschwellige Herablassung, die die Figuren in ihren Urteilen übereinander zeigten. Durch diese sprachliche Lässigkeit verschwamm für mich die Grenze zu stark zwischen den offiziellen Moralgesetzen und dem, was Einzelpersonen konkret für ungehörig halten. Zum Eindruck der sprachlichen Lässigkeit trägt bei, dass Ferraris ihre Figuren sich mit Miss, Mister und Detective ansprechen lässt. Die arabischen Begriffe dafür würden an die Geduld ihrer Leser keine unzumutbaren Ansprüche stellen.
Insgesamt ein gelungener Krimi mit einem ungeschickt gewählten Äußeren.
7 von 10 Punkten