7:10 Stunden
gekürzte Lesung
Sprecherin: Maria Koschny
Hörprobe beim Argon Verlag: *klick*
Zum Autor (vom Verlag)
David Safier ist ein internationaler Bestsellerautor. Seine Romane Mieses Karma, Jesus liebt mich, Plötzlich Shakespeare und Happy Family erreichten Millionenauflagen. Neben seiner Schriftstellertätigkeit arbeitet David Safier als Drehbuchautor. Für seine TV-Serie Berlin, Berlin gewann er den Grimme-Preis sowie den International Emmy. David Safier lebt in Bremen, ist verheiratet, hat zwei Kinder und einen Hund.
Zum Inhalt (vom Verlag)
Die sechzehnjährige Mira schmuggelt Lebensmittel, um im Warschauer Ghetto zu überleben. Als sie erfährt, dass die gesamte Ghettobevölkerung umgebracht werden soll, schließt sich Mira dem Widerstand an. Der kann der übermächtigen SS länger trotzen als vermutet. Viel länger. Ganze 28 Tage.
28 Tage, in denen Mira Momente von Verrat, Leid und Glück erlebt.
28 Tage, in denen sie sich entscheiden muss, wem ihr Herz gehört.
28 Tage, um ein ganzes Leben zu leben.
28 Tage, um eine Legende zu werden.
Meine Meinung
Was für ein Mensch willst du sein?
Der Inhaltsangabe des Verlags passt perfekt zum Buch, das sich eher an Jugendliche und junge Erwachsene richtet.
Im Mittelpunkt steht die 16-jährige Mira, die sich um die Versorgung ihrer Mutter und jüngeren Schwester Hannah kümmert. Miras Mutter hat sich nie vom Selbstmord ihres Mannes erholt, einem Arzt, der nicht damit fertig wurde, dass er seine Familie nicht mehr ernähren konnte. Ihr Bruder Simon arbeitet für die Ghettopolizei und lebt nicht mehr Zuhause. Deshalb arbeitet Mira als Schmugglerin und erfährt durch Zufall von den Plänen der SS, die gesamte Ghettobevölkerung abzutransportieren und auch alle, die im Ghetto bleiben, umzubringen. Sie will nicht nur ihre Familie retten, sondern auch ihren Freund Daniel, der im Waisenhaus lebt...
So wird die junge Zielgruppe angesprochen, deren Eltern den 2. Weltkrieg selbst nicht mehr erlebt haben und auch durch die bewusst moderne Sprache, in der Mira und ihre Freunde miteinander sprechen. Dies mag unpassend wirken, wichtiger war mir jedoch, dass Miras Handeln glaubwürdig für jene Zeit ist und durch den einfühlsamen Vortrag von Maria Koschny hatte ich schnell das Gefühl, Mira selbst zuzuhören.
Immer wieder stellt Mira sich die Frage, was für ein Mensch sie sein möchte und welche Möglichkeiten ihre Umgebung ihr überhaupt lässt. Dabei stehen Miras Ansichten oft im Gegensatz zu denen ihres pazifistischen Freundes Daniel, für den sie ihr Leben geben würde und eigentlich ein Leben an seiner Seite vor Augen hatte, denn trotz des Lebens im Ghetto hofft sie auf eine gemeinsame Zukunft und wegen der Depressionen ihrer alleinerziehenden Mutter sehnt sie sich immer wieder nach Liebe und Geborgenheit bei ihm.
Die Hauptfiguren Mira, Daniel und auch der junge Widerstandskämpfer Amos sind fiktiv, der Leiter des Waisenhauses Janusz Korczak lebte wirklich und ging mit seinen Schützlingen bewusst in den Tod.
Sehr einfühlsam und auch glaubwürdig beschreibt David Safier die Hoffnungen und Ängste von Mira, von ihren Freunden und ihrer Familie, sowie auch das Verhalten der anderen Ghettobewohner und auch der polnischen Widerstandskämpfer. Mira wird als Jüdin in einer Zeit und Umgebung erwachsen, die eher vermuten lassen, dass ihr Leben bald enden wird. Auch andere versuchen auf ihre Weise um das eigene Überleben und das von anderen zu kämpfen, während Janusz Korczak und Daniel auf rein passiven Widerstand setzen, lieber friedlich in den Tod gehen wollen als sich der SS zu widersetzen.
Der jüdische Widerstand 1942/1943 im Warschauer Ghetto war mir zwar vage bekannt, jedoch leider z.B. nie Teil des Geschichtsunterrichts. David Safier lässt die Bevölkerung des Ghettos lebendig werden, das Alltagsleben und dann auch in Extremsituationen, in denen ich mir selbst immer wieder die Frage stellte, wie man selbst gehandelt hätte. Unter solcher Not und später unter ständiger Lebensgefahr. Natürlich kommt auch immer wieder Gewalt vor, jedoch meiner Meinung nach stets passend und angemessen dosiert.
Maria Koschny ist meiner Meinung nach die ideale Sprecherin für die jugendliche Mira, die so gerne noch Kind wäre und sich nach Sicherheit sehnt, aber sowohl viel Verantwortung als auch Risiken auf sich nehmen muss. Insbesondere bei emotionalen Szenen vermittelt Maria Koschny mit viel Fingerspitzengefühl die Gefühlslage von Mira, oft ihre innere Zerrissenheit.
Fazit
Ein empfehlenswerter moderner Roman über den jüdischen Widerstand im Warschauer Ghetto, der sicherlich nicht vergleichbar ist mit den Werken von Zeitzeugen - dies jedoch auch nicht als Ziel hat. Die 16-jährige Mira und ihre Sprecherin Maria Koschny nehmen die Zuhörer mit ins Ghetto und lassen sie teilhaben an dem Leben dort, sowie an der ständigen moralischen Frage, was für ein Mensch man selbst sein möchte. Diese Frage stellte sich nicht nur Mira immer wieder, sondern auch ich selbst.
Ein eindringliches Buch, das vermutlich nicht nur bei der jugendlichen Zielgruppe gut ankommen wird und auf leicht lesbare Weise einen anderen Blickwinkel ermöglicht.
P.S. Leider gibt es bisher keine ungekürzte Fassung, daher habe ich mich doppelt über die Leihgab der gekürzten CD-Version gefreut.
Edit: Titel ergänzt und ISBN des Hörbuchs eingesetzt :-). LG JaneDoe