Schon der Titel reizt, er enthält einen Widerspruch. Faulheit ist ein Zustand, der nicht eben angesehen ist. Und darüber ein Lob?
Die beiden Herausgeber haben sich in der Literatur umgesehen, der deutschen vor allem, aber auch der englischen, französischen, russischen, italienischen und spanischsprachigen. Herausgekommen ist ein buntes, sehr, sehr buntes, Kaleidoskop von Teilchen, die im weitesten Sinn mit Faulheit zu tun haben.
Der Begriff läßt sich, sieht man genau hin, nicht leicht fassen. Geht es um Müßiggang, Arbeitsverweigerung, Muße, Ruhebedürfnis, Kontemplation oder Abkehr vom Weltlichen? Zeitweise, hin und wieder oder für immer? Geht es um Urlaub oder eine Lebenseinstellung?
Es gibt ein Nachwort, aber die beiden Herausgeber verweigern eine Definition – aus Faulheit. Wie ernst das gemeint ist, läßt sich nicht recht feststellen. Das Nachwort hat eher etwas Literaturwissenschaftliches, der eine Herausgeber ist Germanist, der andere Romanist. Inwieweit sie sich diesen zusätzlichen und zum Teil persönlichen Eindrücken zu einigen wenigen Texten widmet, muß die Leserin selbst entscheiden.
Bleiben die ausgewählten Texte selbst. Zusammenpassen tun sie nicht, zu unterschiedlich sind Entstehungszeit, Vorstellung von Faulheit, Stil und Ausführung. Natürlich gibt es einen Ausschnitt aus Eichendorffs Taugenichts, natürlich begegnen wir Oblomow und Lafargue. Kritik am Zustand gibt es auch, Lessings ‚Lob der Faulheit‘, das wohl den Titel der Sammlung geliefert hat, ist eigentlich das Gegenteil. Auch Hans Sachs‘ Schlaraffenlandlied verweist deutlich auf die unguten Folgen von Faulheit. Was das Märchen von Hans im Glück dabei zu suchen hat, ist schon klarer, Botes Eulenspiegelgeschichte aber zeigt nicht gerade einen, dem materielle Werte egal sind. Im Gegenteil tritt Till als gewiefter Unternehmer auf, innovativ, bereit zu Investitionen und unter eigenem Einsatz schröpft er andere, macht Gewinn und vermehrt ihn. Jean Pauls Schulmeister Wutz kann auch nicht als Faulpelz oder Müßiggänger gelten, schreibt er sich doch eine eigene Welt, gleich, ob Roman oder Philosophie. Wenn das kein Fleiß ist, was ist es dann?
Chesterton hält einer seiner Predigten zur Rückkehr zu echter Moral, Hesse bringt auf anregende Weise Künstler und Müßiggang zusammen. Gedichte von Ringelnatz, H.C. Artman, Sarah Kirsch (die einzige Frau in diesem Band, sind Frauen nicht faul?), Neruda, Brecht oder Lenau, Ausschnitte aus Dantes Fegefeuer, jede und jeder beleuchtet einen eigenen Aspekt zum Thema. Es gibt Skurriles und Komisches, eine kleine Geschichte von Italo Calvino etwa, dessen Held die schwierige Frage lösen muß, was wichtiger ist, eine Frau im Arm haben oder ein Buch lesen.
Altmodisch, um es vorsichtig auszudrücken, mutet der kleine Text von Walter Serner an, der ‚die Faulheit‘ ‚des‘ Asiaten lobt. Solche zeitgebundenen Vorurteile sind mit Vorsicht zu genießen, ebenso wie der Hinweis auf ‚den faulen Neger‘, der im Nachwort aus heiterem Himmel auftaucht. Da wäre bei der Auswahl etwas mehr Vorsicht am Platz gewesen. Faulheit als stereotype Schuldzuweisung an andere Völker hat mit dem, um das es hier geht, nichts zu tun.
Die Zusammenstellung ist vor allem anregend, wo findet man Schnurre und Boris Vian, Kurt Marti, Wolfgang Hildesheimer und Anatole France zusammengeworfen? Man kann sich mit unterschiedlichen Aspekten von Faulheit auseinandersetzen, man kann Autoren kennenlernen, die einer bis dato nicht begegnet sind, man kann die Anthologie als Weg zu neuen literarischen Entdeckungen nutzen. So gesehen sind Anthologien keineswegs etwas für Faule, wie die beiden Herausgeber am Ende mit etwas lahmem Humor behaupten.
Seltsame Auswahl, aber keine Schande für ein Bücherregal, umso weniger, wenn man sie als Einstieg in die Literatur nützt.