Die letzte Siedlerin – Elizabeth Moon

  • OT: Remnant Population 1996


    Eine landwirtschaftliche Kolonie auf einem ungenannten Planeten soll geschlossen werden, die SiedlerInnen evakuiert. Die Gründe sind ökonomischer Natur, wir befinden uns in einer Welt, in der große Konzerne damit Profite machen, KolonistInnen von Planet zu Planet zu schicken, sie dort so lange etwas an – oder abbauen zu lassen, bis ein anderes Produkt mehr Profit verspricht, und sie dann weiterzubefördern. Ausgebildet werden die KolonistInnen meist auf Kosten der jeweiligen Konzerne, auch die Kosten für Transport und die Einrichtung der jeweiligen Kolonie werden übernommen. Die SiedlerInnen zahlen das als Schulden ab, ein Leben lang, oft über Generationen.
    Ofelia, längst grauhaarig geworden, gehört zu einer solchen Familie von KolonistInnen. Inzwischen arbeiten schon ihre EnkelInnen für den Konzern, (zu) dem sie gehört. Ofelia hat ihr Leben nur gehorcht, getan, was der Konzern, ihr Vater, dann ihr Mann ihr zu tun befahl. Inzwischen entscheidet ihr Sohn. Die Schwiegertochter kann sie nicht leiden, zu den Enkeln hat sie kaum Kontakt. Und nun hat der Konzern beschlossen, die Siedlung aufzulösen.


    Unvermutet wächst in Ofelia Widerstand. Fast ihr ganzes Leben hat sie an diesem Ort verbracht, die Gräber ihrer Familie sind hier. Vor ihr liegen dreißig Jahre Kälteschlaf in einem Raumschiff auf dem Weg zur nächsten Kolonie. Sie bezweifelt, daß sie den Kälteschlaf überleben wird, nicht nur, weil sie schon älter ist, sondern weil sie sich für den Konzern nicht mehr lohnt. RentnerInnen sind in seiner Rechnung nicht unbedingt vorgesehen.


    Da sie ohnehin sterben muß, beschließt Ofelia ihren Tod selbst in die Hand zu nehmen. Sie wird auf dem Planeten bleiben, koste es, was es wolle. Vor der Einsamkeit hat sie keine Angst, sie war ihr Leben lang von Menschen umgeben, die sie auf Trab gehalten haben. Sie hat mehr als genug davon. Allein sterben scheint ihr geradezu Freiheit zu sein.
    Es gelingt Ofelia tatsächlich, dem erzwungenen Abflug zu entgehen. Sie ist selig. Was sie nicht weiß, ist, daß der Konzern auch geplant hat, eine neue Kolonie auf dem Planeten einzurichten. Was weder sie noch der Konzern wissen, ist, daß es auf dem Planeten eine eigene Lebensform gibt. Die fängt an sich zu regen und zwar sehr aggressiv. Ofelia, die fest mit dem Tod gerechnet hat, findet auf einmal ihr Leben ziemlich wichtig.


    Moon entwirft ihre Welt und die Figuren darin mit Schwung und Farbenreichtum. Das gleiche gilt für die Charakterzeichnung. Sie schwelgt geradezu in Ofelias Begeisterung für autarkes Leben. Das teilt sich beim Lesen unmittelbar mit. Wer je geträumt hat, auf einer einsamen Insel zu leben, kann sich hier lesend austoben, während sie Ofelias Tageslauf in der verlassenen Kolonie folgt.
    Moon liegt ihre alte Heldin sehr am Herzen, sie nimmt sich des Problems von Menschen, die aus Altersgründen abgeschoben werden, gründlich an. Das entsprach auch dem Zeitgeist der späten 1990er, als die Geschichte erstmals erschien. Moon scheut sich nicht vor Gefühlen, deswegen gerät so manches, vor allem zum Schluß hin, eine Spur pathetisch.


    Die Alien-Population ist gleichfalls geschickt entworfen, ein bißchen knuffig geraten sie bei aller Fremdheit aber doch. Der Gedanke dahinter, die Beziehung zwischen Menschen und dem schwer erfaßbar Fremden ist klassisch, aber die Begegnung und ihre Folgen trotz leichter Sentimentalitäten sind gut gestaltet. Spannung hat die Handlung immer, auch wenn viel reflektiert und sehr viel beschrieben wird, um deutlich zu machen, worum es gerade geht. Es gibt Tragisches. Die Auflösung ist schön, hat ihren eigenen Witz, der Schluß ist rührend, ohne peinlich zu sein. Moon glaubt an die Menschen.


    Aufregend und gemütlich zugleich, eine typische Mischung für Romane von Elizabeth Moon, einschließlich einer willensstarken, aufrechten und in so manchen Zügen originellen Heldin.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Gelesen habe ich die englische TB-Ausgabe.


    Der Originaltitel gefällt mir auch besser, weil er doppeldeutig ist. Es ist ja nicht nur Ofelia, die bleibt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Gern geschehen!
    :-)


    Ich habe den Roman vor Jahren zum erstenmal gelesen, ihn für die Rezi aber noch einmal vorgekramt, weil ich ja auch in ginger ales Sammelthread zu feministischen Büchern den Titel genannt habe.
    Dabei habe ich festgestellt, daß sich das Buch problemlos mehrfach lesen läßt. Man entdeckt immer neue Seiten daran. Er gefällt mir nach wie vor sehr gut.
    Zeit zum Lesen liefert der Verlag aber leider nicht mit.
    :lache



    :wave


    magai

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus