Erstmals erschienen 1986
Bettina ist schon sechzehn, als sie an die Staatliche Ballettschule nach Berlin kommt, alt für eine Tänzerin. Ballettunterricht hatte sie, seit sie ein kleines Mädchen war, aber Tänzerin zu werden, dazu konnte weder sie sich noch die Familie sich für sie durchringen, obwohl Bettina körperliche Eignung und das nötige Talent hatte. Es war ein netter Traum. Dann plötzlich wurde es zum brennenden Wunsch. Die Eignungsprüfung kam eben zur rechten Zeit, sie erwies, daß Eignung und Talent immer noch vorhanden sind.
Klassische Tänzerin allerdings kann Bettina nicht mehr werden, aber zeitgenössischer oder moderner Tanz stehen als zukünftige Arbeitsbereiche offen. Die Lehrzeit in Berlin trifft Bettina und mit ihr sechs andere Mädchen, die die Aufnahmeprüfung geschafft haben, mit aller Härte. Sie müssen in wenigen Monaten lernen, was andere von Kleinauf gelernt haben, den glatten Ablauf der Positionen, die französischen Ausdrücke, den Zusammenhang mit der Musik. Vor allem müssen sie lernen, was für ein Unterschied es ist, wenn man sich auf dem Weg zur Profitänzerin gemacht hat. Selbstzweifel sind vorprogrammiert. Vom Heimweh, vor allem bei Bettina, gar nicht anzufangen.
Bettina ist aber auch in dem Alter, in dem man sich ernsthaft die Frage nach Liebe und zukünftiger Partnerschaft stellt. Als sie Arne kennenlernt, scheint das Leben gut zu werden. Dann geht Arne zur NVA. In Berlin ist aber noch Chris, der zudem mehr Verständnis für Bettinas zukünftige Karriere zu haben scheint.
Grasmeyer schreibt einen klassischen Ballettroman mit ungewöhnlichen Themen. Schon der Umstand, daß ein Mädchen so spät erst die Profi-Laufbahn einschlägt, bringt andere als die bekannten Probleme. Die Protagonistin macht aus der Pubertät erste Schritte ins Erwachsenenleben. Sie löst sich vom Elternhaus und von vielen Kinderträumen, muß eine eigene Persönlichkeit entwickeln. Die Härte des Berufsalltags ist immer gegenwärtig, Tanz ist Hochleistungssport. Grasmeyer schwärmt nicht vom ästhetischen Resultat, sie zeigt das Leben im Übungssaal mit all den wenig schönen Details.
Am Beispiel von Bettina werden auch Fragen wie die Rolle von Kunst und Künstlerin in der Gesellschaft diskutiert. Braucht man Ballett? Was soll die Schinderei? Ist es ein ‚vernünftiger‘ Beruf? Wie kombiniert man ihn mit dem privatleben? Was bedeutet Freundschaft, was Kollegialität? Jedes der Mädchen hat eine eigene Position dazu, die sich im Lauf der Geschichte dann wieder und wieder ändert. Alle machen Entwicklungen durch, Fehler miteingeschlossen. Das gilt auch für Bettina.
Grasmeyer erzählt die Geschichte eines Reifeprozesses einer sehr jungen Frau mit ungewöhnlicher und überzeugender Konsequenz, ehrlich und ohne verklärende Romantik.
Ich habe das schwammige Bild verlinkt, weil das schöne keine ASIN hat.