Verlag: Heyne
Seiten: 333
Rückentext:
Der Tag, an dem das Ende beginnt ...
Berlin im Oktober: Eine rätselhafte Krankheit ist ausgebrochen. Die Infizierten fallen in ein Koma und erwachen dann wieder - regiert vom rasenden Instinkt zu töten. Die Bevölkerung ist verunsichert: Angeblich sind nur Menschen mit Migrationshintergrund betroffen. Kreuzberg und Neukölln gelten als kontaminiert, der Senat errichtet eine Mauer um das betroffene Gebiet. In diesen dunklen Stunden erhält der Journalist Robert Truhs einen politisch hochbrisanten Hinweis, der die noch bestehende Ordnung endgültig kippen könnte...
Packend, aktuell, außergewöhnlich: Peter Huths großer Berlin-Thriller ist ein gnadenlos scharfer Kommentar zur Lage der Nation.
Der Autor:
Peter Huth, geboren 1969 in Kleve/Niederrhein, arbeitete als Journalist und Autor in Köln, Hamburg, Warschau, Marrakesch und heute in Berlin. Er veröffentlichte mehrere Sachbücher, darunter den autobiografischen Bericht „Infarkt“. Seit 2008 ist Huth Chefredakteur der B.Z. Seine Leidenschaft für Musik lebt er als Teilhaber des Progressive-Rock-Labels Giant Electric Pea sowie als Tourmanager für die britische Band IQ aus. Huth lebt mit seiner Familie in Berlin.
Meine Meinung:
Ich bin auf dieses Buch aufmerksam geworden durch ein Facebook-Posting von Kai Meyer (der auch das Nachwort geschrieben hat). Seine Beschreibung der Handlung klang durchaus interessant und ich habe „Berlin Requiem“ spontan gekauft.
Zombies sind grad recht in Mode wie es scheint, „The Walking Dead“ hat diese Vertreter des Horror-Genres salonfähig gemacht und in den Mainstream geholt. Und nun kommt dieses Buch und siedelt die Zombie-Apokalypse also in Deutschland an, genauer gesagt, in Berlin. Auch das gab es schon (der Film „Rammbock“ z.B. hat mir wirklich gut gefallen), aber der Autor Peter Huth bringt eine neue Komponente ins Spiel, die „Berlin Requiem“ auch etwas von einem Polit-Thriller verleiht: Was wäre, wenn es nur Menschen bekommen könnten, die aus der Türkei, Arabien, dem Libanon oder ähnlichen Ländern kommen? Wie würde der Rest von Berlin, der Rest von Deutschland, reagieren? Nicht nur wird wieder eine Mauer errichtet (diesmal um die Bezirke Neukölln und Kreuzberg) sondern es entbrennt eine öffentliche Debatte um das „Türken-Gen“ und was man mit „denen“ denn jetzt machen soll.
Mitten in diesen Geschehnissen stehen der Journalist Peter Truhs und seine On-Off-Geliebte Sarah Samir, ebenfalls Journalistin, und versuchen ihren Teil dazu beizutragen, die Wahrheit ans Licht zu bringen auch wenn man sich damit mit dem nach einem großen Skandal wieder aufgestiegenen mächtigen Mann in Berlin – Olaf Sentheim – anlegen muss. Für Sarah, die halb Libanesin ist, ist es auch eine ganz persönliche Frage. Ist tatsächlich etwas dran an diesem Gerede vom Türken-Gen? Oder ist es nur ein weiterer Versuch, die Menschen gegen die Ausländer in ihrer Mitte aufzuhetzen? Da verliert einer der wachhabenden Polizisten am Rand der sogenannten „Kontrollierten Zone“ die Geduld. Er will aufräumen da drin und nicht nur auf die schießen dürfen, die sich torkelnd der Absperrung nähern. Er schnappt sich seine Waffen und springt hinein, auf die andere Seite.
Die Geschichte ist spannend aufgebaut. Es scheint zu Beginn noch so etwas wie Normalität diesseits der Mauer zu herrschen. Kein Grund zur Panik, wir können es ja nicht bekommen, es geht tatsächlich mehr darum ob die Betrachtung zur Entstehung des „Lazarus-Virus“ nun politisch korrekt ist oder nicht. Aber spätestens ab dem Zeitpunkt wo uns Peter Huth mitnimmt in die Straßen der Kontrollierten Zone geht es nur noch ums Überleben.
Die Schilderung der Zombies, ihres Verhaltens und der Art wie sie sich „verwandeln“ weicht angenehm ab vom üblichen Einheitsbrei und fordert den Leser durchaus auch dazu auf, sich seine eigenen Gedanken zu machen. Für mich gab es auf jeden Fall genug Stellen wo ich tatsächlich Mitleid mit den Zombies hatte. Bei „The Walking Dead“ gab es mal den schönen Spruch „Bekämpfe die Toten. Fürchte die Lebenden“ und das passt auch auf diese Geschichte sehr gut.
Probleme hatte ich eher ein bisschen damit, dass mir praktisch keine der im Buch auftauchenden Personen sympathisch war, ob nun Robert, Sarah, Christian, Ben oder sonstwer der Protagonisten (ich mochte exakt zwei Figuren, und die starben sehr sehr schnell). Da die Geschichte mir aber gefallen hat, konnte ich das großteils ausblenden. Was hingegen einen gewissen Nerv-Faktor entwickelt hat, waren die immer und immer und immer wieder angedeuteten Geschehnisse von Warschau. Etwas weniger oft hätte es auch getan, noch dazu wo es eigentlich für die Geschichte keine wirklich große Rolle gespielt hat wie ich fand. Im letzten Drittel des Buches wird der Leser dann endlich aufgeklärt.
Bei einigen der erwähnten Personen (vor allem den Politikern) ließ Peter Huth Ereignisse aus unserer Realität mit einfließen. So lassen die Geschehnisse um Olaf Sentheim sicher nicht zufällig an Thilo Sarrazin denken oder die beiläufige Erwähnung eines ehemaligen Ministers an Karl-Theodor zu Guttenberg. Ich glaube, dass auch noch einige Anspielungen in diesem Buch versteckt sind, die ich vermutlich gar nicht begriffen habe. Was mich allerdings amüsiert hat, war die Namenswahl für zwei nicht unbedeutende Polizisten: Fegin und Seiks. Welche besondere Beziehung Peter Huth wohl zu Oliver Twist hat?
Es gibt auch sprechende Namen wie z.B. Truhs, was doch sehr nach dem englischen Wort "truth" klingt.
Kurz zur Aufmachung: Das blutverschmierte Foto von Berlin auf dem Cover macht sich sehr gut und die Karte der gesperrten Bezirke auf der Innenseite verleihen einen groben Überblick wo sich Personen im Buch gerade befinden. Ich mag diese Art von Zusatzmaterial.
Fazit: Gut geschriebener Zombie-Thriller der den Leser dazu auffordert sich Gedanken zu machen und Denkweisen kritisch zu hinterfragen. Neben der dominierenden Geschichte stören die nicht sehr sympathisch wirkenden Figuren nur unwesentlich. Ich gebe 8 von 10 Punkten.