Ikonomou, 1970 in Athen geboren, ist Übersetzer, Journalist und Schriftsteller. Seine Geschichten spielen im Alltag. Der ist wenig freundlich zu den Menschen, die Ikonomou zeigt. Arbeitslosigkeit, soziale Unsicherheit gefolgt von Verlustgefühlen prägt die Figuren, beeinflussen ihr Handeln, oft mit einer Zwanghaftigkeit, die die Handlung einzelner Geschichten an den Rand einer tragischen Handlung bringt, so unabänderlich scheinen die Zustände.
Die vorliegenden Geschichten spielen in und um Piräus, wo Ikonomou lebt. Die Menschen, die er zeigt, sind verarmt oder sie stehen kurz davor, ins ökonomische Nichts zu fallen. Sie hungern, eine Geschichte erzählt von einem Vater, der versucht, für seinen kleinen Sohn etwas Eßbares aufzutreiben, zwei andere handeln von den Problemen, die man hat, wenn man medizinische Versorgung braucht, die aber unbezahlbar ist. Zu Geld zu kommen ist die eigentliche Triebkraft, es scheint das einzige, das das Überleben sichert.
Dazu sind alle Mittel recht, der Gier nach Geld fällt nacheinander alles zum Opfer, Freundschaft, Anstand, Respekt, Liebe. Die Verrohung zu zeigen ist dabei nicht Ikonomous Anliegen. Worauf er abhebt, ist der falsche Traum, der seine Figuren beherrscht.
‚Wenn es uns besser geht, werden wir besser sein‘, dieser Überzeugung hängen sie fest an. So malen sich in einer Geschichte Männer, die Andersdenkende drangsaliert und einen davon ermordet haben, aus, wie großzügig sie sein werden, wenn sie nur erst reich sind. Sie werden Unternehmen gründen und Arbeitsplätze schaffen. Und natürlich werden sie dann die, die sie eben noch zusammengeschlagen haben, einstellen und bestens bezahlen.
Manche von Ikonomous Figuren trinken, aber dieses Leiden ist nichts gegen das Leid, das sie empfinden angesichts der Aussichtslosigkeit von Liebe, egal, ob zu einer Frau oder einem Elternteil. Die Menschen können sich nichts mehr geben. Alle wissen, daß man etwas unternehmen muß, gegen die Ungerechtigkeit angehen. Aber was schreibt man auf ein Plakat, wo es doch so viel gibt, gegen das man unbedingt protestieren muß? Ein Mann zerbricht sich die ganze Nacht darüber den Kopf, denkt sich eine Parole aus, verwirft sie, überlegt sich die nächste. Auf dem Plakat steht am Ende nichts. Das Elend ist so umfassend, daß Worte nicht mehr reichen.
Die Geschichten sind verortet, wer Piräus kennt, wird wohl jede einzelne Straße, jedes Plätzchen finden. Für Leserinnen hierzulande gibt es die Namen der Straßen. Oft sind sie nach Helden der jüngeren griechischen Geschichte benannt, Widerständler gegen die deutsche Besatzung im zweiten Weltkrieg, gegen die Militärdiktatur, Namen von Politikern, die für bürgerliche Ordnung und einen gewissen Wohlstand stehen. Wo sind sie geblieben? Wo ihre Leistungen? Die Ziele und Vorstellungen scheinen verschwunden, der Blick von Ikonomous Figuren auf die Welt ist ein Blick ins Leere.
Die nehmen mir Stück für Stück meine Welt weg heißt die letzte Geschichte, die Geschichte einer Enteignung eines Hauses für den Neubau der neuen Durchgangsstraße. Der Titel ist nur eines der Themen, um die sie alle kreisen, aber er trifft eine Kern. Ikonomous Menschen sind Beraubte.
Die fünfzehn Geschichten zeigen eine Entwicklung in Griechenland aus den letzten gut zehn Jahren, sind also nicht allein unter Hinblick auf aktuelle Ereignisse zu sehen. Sie sind bedrückend, scheuen nicht vor starken Gefühlen. Was erzählt wird, kann nicht mit Abstand berichtet werden. Es geht um Menschen.
Übersetzt aus dem Neugriechischen wurden die Geschichten von Birgit Hildebrand.