'Das unerhörte Leben des Alex Woods' - Kapitel 16 - 19

  • Ich finde es phänomenal, auf welch unkomplizierte Weise es das Buch schafft, den Leser dazu zu bringen sich mit solch umstrittenen Dingen wie Sterbehilfe auseinander zu setzen.
    Nach Mr. Petersons missglückten Selbstmordversuchs schafft Alex es ja, ihn dazu zu bringen, die letzte Zeit seines Lebens zu genießen, indem er ihm den Ausweg mit der Schweiz verschafft, wo Sterbehilfe bzw. Beihilfe zum Selbstmord in medizinisch begründeten Fällen ja legal ist.
    Ich bin ja gespannt, welche Hürden sie auf dem Weg dahin noch zu meistern haben - der letzte Satz dieses Abschnitts deutet ja an, dass es nicht ganz so glatt läuft wie gewünscht.

    Ich lese grade:


    Der Herr des Turms - Anthony Ryan
    ________
    Save the earth - it's the only planet with chocolate!

  • Grundsätzlich bin ich immer skeptisch, was die Verarbeitung solch brisanter Themen in der Unterhaltungsliteratur angeht, aber hier ist es wirklich ganz gut gemacht.


    Außerdem bin ich von diesem Abschnitt beeindruckt, wie kompakt der Autor den Verlauf der Krankheit von Mr. Peterson vom ersten Suizidversuch bis den Pakt zwischen ihm und Alex beschreibt, bis es schließlich so weit ist, dass seine Lebensqualität so weit eingeschränkt ist, dass es Zeit wird.

  • Ja, brisante Themen kommen meist mit hoch erhobenem Zeigefinger daher und stoßen mir dann sauer auf. Ein Buch, das mich da positiv beeindruckt hat war Die Entbehrlichen von Ninni Holmqvist.

    Ich lese grade:


    Der Herr des Turms - Anthony Ryan
    ________
    Save the earth - it's the only planet with chocolate!

  • Nachdem ich zuerst ein wenig sauer auf Alex war, weil er sich Mr Petersons ausdrücklichen Wünschen so krass entgegenhandelte, bin ich nun doch froh, das er es getan hat. Zuerst hielt ich sein Handeln für egoistisch, aber es zeigt sich, das er Mr Peterson einen Kompromiss anbieten und ihm so zu noch eine sehr schöne Zeit ermöglichen konnte.


    Mir war schnell klar, eigentlich habe ich schon bei Buchbeginn daran gedacht, das das ganze auf eine Klinik in der Schweiz hinausgelaufen ist. Ich finde es nicht schlimm, das solche Themen in der Unterhaltungsliteratur verarbeitet werden. Ganz im Gegenteil, ich finde, so werden diese schwierigen Themen eher im Bewusstsein der Menschen verankert und kommen so vielleicht aus ihrer Tabuecke heraus. Mir ist diese Thematik schon bei "Ein ganzes halbes Jahr" begegnet.

  • Auch diesen Abschnitt habe ich sehr gerne gelesen. Mir gefällt mit wie wenig Worten die komplexen Themen so dargestellt werden, das man als Leser verständig reagiert. Man kann Alex' Sinneswandel bezüglich seiner Einstellung zur Sterbehilfe sehr gut nachvollziehen und verstehen. Wieso er seine Meinung ändert und vorallem so stark ändert, dass er Isaac am Ende behilflich sein will.
    In diesem Abschnitt gefiel mir auch der Dialog mit Ellie und die Acht-Punkte-Liste, die Alex daraufhin entwickelt. Ich glaube, durch diese Liste wird er sich seiner Einstellung endgültig klar und es verwundert nicht, dass er Isaac am Ende überzeugen kann seine Hilfe anzunehmen. Alex ist wirklich ein erstaunlicher Junge.
    Auch aus welchen Gründen er am Ende die Pflanzenfarm betreut und perfektioniert und mit welcher Begeisterung er dabei ist, ist köstlich zu lesen. Obwohl er selber strikt gegen Drogen ist, begeistert er sich für diese Sache. An dieser Stelle musste ich an das erste Kapitel denken, als ihn die Polizisten gefragt haben welches persönliche Interesse er an den Drogen hat und er antwortet: "Nur ein pharmazeutisches." :rofl

  • Dass es sich um ein Buch zum Thema Sterbehilfe handeln würde, habe ich nicht von Anfang an erwartet. Das ist auch gut so. Wer weiß, ob ich sonst Lust gehabt hätte, dieses Buch zu lesen, denn gerade in den letzten Jahren habe ich mich mit diesem Thema immer wieder konfrontiert gesehen, sowohl in Romanen als auch Filmen und im realen Leben spielt die Auseinandersetzung mit der Frage nach einem würdigen Leben im Alter sowieso eine große Rolle, wenn die eigenen Eltern alt geworden sind.


    Aber es wäre schade gewesen, gerade diesen Roman nicht zu lesen, denn hier wird das Thema sensibel und klug behandelt. Mir gefällt es, dass dieser wunderbare trockenen Humor und die ausführliche und komplexe Darstellung aller Entscheidungsstufen, die unterschiedlichen Empfindungen und die Ausweglosigkeit der Situation nachgezeichnet sind. Was wirklich schlimm ist, wird sehr deutlich in allen Facetten herausgearbeitet, als Mr Peterson im Krankenhaus landet und in die Psychiatrie verlegt wird. Die Aussicht, dass er dort nie mehr herausgelassen werden könnte, nur weil er alt und krank ist, dass ihm die Entscheidungsfreiheit über sein eigenes Leben oder einen freiwilligen Tod genommen wird und er mögluicherweise den Rest seines kurzen Lebens dort verbringen müsste, das ist die Kernfrage. Und die unterschiedlichen Einstellungen und Haltungen dazu werden auf vielschichtige Art und Weise verdeutlicht, hier und auch im folgenden letzten Leseabschnitt.



    Sehr lachen musste ich über das "Gespräch" während des Wasserholens zwischen Ellie und Alex, bei dem es ja etwas rauer zugeht :lache. Das wirft auch ein neues Licht auf die Mutter. Sie trinkt nur Wasser aus der Glastonbury-Quelle. Yo! Ich habe schon viele exentrische Figuren in Büchern und auch im RL kennengelernt, aber diese Eigenheit hatte noch keine davon.
    Und andererseits erscheint die Mutter nun - dank Ellies Ansichten - weniger kühl ihrem Sohn gegenüber. Ellie als Figur in den Roman einzuführen erweist sich hier und auch später als geschickter Schachzug des Autors, denn so können Aspekte, die in anderen Romanen vielleicht sentimental oder kitschig rüberkommen, auf lustig-drastische Art gesagt und gezeigt werden. Ellie's Verhalten zerstört jede Sentimentalität. :grin
    Auch sehr gut gefallen hat mir, dass Mr. Petersen zunächst sehr unsentimental mit seiner Krankheit und dem, was zu erwarten ist, umgeht.
    Das zeigt ja schon die Rede, die er vor dem Leseclub hält.


    Dass sich ein noch nicht 17-Jähriger allerdings das zutraut, was Alex sich hier zutraut, ist sehr ungewöhnlich. Nun war die Figur des Alex Woods vorher so gut aufgebaut, dass ich es ihm glauben konnte, dass er zu dieser Entscheidung kommt. Aus Mitgefühl und Freundschaft.
    Der Pakt, den die beiden schließen, erscheint richtig, es scheint der beste Weg zu sein, ich kann es nachfühlen. Ob es aber dem knapp 17-jährigen Alex gelingen wird, das Ganze auch wirklich zu organisieren und durchzuführen? Nun ja, da man ja das Ende schon am Anfang kennenlernte, ist das keine Frage mehr. Ob es aber auch glaubhaft ausgeführt werden wird, das wird sich zeigen.

  • Herr Palomar


    Das ist gut auf den Punkt gebracht. Genauso empfinde ich es auch.



    Hier noch ein Gedanke zu Kapitel 19:


    Dass Alex die Cannabis-Plantage wieder aufgebaut und die gesamte Ziet über gepflegt hat, obwohl er selbst keinerlei Drogen ohne sehr sorgfältige mehrfache Überprüfung eines Arztes nehmen würde, ist ein skurriles Detail, aber auch ein Zeichen für seine Toleranz gegenüber seinem Freund, die im Laufe der Geschehnisse gewachsen ist. Und auch ein Zeichen seiner Liebe. Zugleich hat diese Sache im Roman die Funktion, noch einmal von der vollen Tragweite dessen, was nun auf Alex und Mr. Peterson zukommt, abzulenken und die Leser/innen ein wenig Luft holen zu lassen, vermute ich.

  • Ich habe auch nicht erwartet, dass es sich in dem Buch um Sterbehilfe handelt.


    Alex hat zwar kein Interesse an Drogen, kümmert sich aber für Mr Peterson um dessen Cannabisplantage. Interssante Details, ich wusste nicht mal, dass die Pflanzen zweigeschlechtlich sind...
    Alex behandelt und züchtet die Pflanzen wie ein Wissenschaftler :lache
    Durch den "Pakt" bekommen sie Zeit und Alex kümmert sich wirklich um alles, in jeder Hinsicht, er lernt sogar Deutsch, damit sie auf dem Weg zu der Schweizer Klinik keine Probleme bekommen.
    Blöderweise kommt der Sturz dazwischen, selbst die besten Pläne funktionieren nur, wenn das Schicksal mitspielt....

  • Zitat

    Original von ginger ale
    Dass sich ein noch nicht 17-Jähriger allerdings das zutraut, was Alex sich hier zutraut, ist sehr ungewöhnlich. Nun war die Figur des Alex Woods vorher so gut aufgebaut, dass ich es ihm glauben konnte, dass er zu dieser Entscheidung kommt.


    Da kann ich nur zustimmen. Nur durch die detaillierte und kluge Einführung von Alex und seinem Charakter wirkt die Figur überzeugend. Aber genau dadurch gewinnt das Buch an Glaubwürdigkeit.

  • Zitat

    Original von ginger ale
    Dass sich ein noch nicht 17-Jähriger allerdings das zutraut, was Alex sich hier zutraut, ist sehr ungewöhnlich. Nun war die Figur des Alex Woods vorher so gut aufgebaut, dass ich es ihm glauben konnte, dass er zu dieser Entscheidung kommt.


    Ich habe auch hin und wieder das Gefühl, das Alex zu erwachsen beschrieben ist. Aber in der Tat ist er eine so ungewöhnliche Figur, von Anfang an gewesen und eingeführt, das man doch alles eine Entwicklungen glauben kann. In manchen Situationen merkt man schon, das er noch ein wenig kindliches in sich hat, z.B. als er den Ernst der Krankheit nicht hinnehmen wollte oder auch seine Reaktion nach Mr Petersons Selbstmordversuch. Das er ihm dadurch wertvolle Lebenszeit verschafft hat, hat er sich ja erst später klargemacht.

  • In diesem Abschnitt rettet Alex Mr. Peterson das Leben nach einem Selbstmordversuch. Die beiden treffen eine Abmachung bezüglich des weiteren Lebens Petersons.


    Alex ist für sein Alter sehr erwachsen, manchmal erwarte ich im nächsten Moment einen unsympathischen Klugscheißer. Dies jedoch hat Gavin Extence meiner Meinung nach gut vermeiden können. :fingerhoch


    :lesend

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Ich habe aufgrund der recht fließenden Handlung und des keiner Zeit zäh wirkenden Erzählweise schon wieder über den Abschnitt hinweggelesen, sodass ich hier nur etwas zögerlich schreiben werde, bevor ich zu viel verrate.


    Mir gefällt Alex total, er wird sympathisch dargestellt und hat seine Ecken und Kanten. Auch ich habe hin und wieder gedacht, dass er zu reif dargestellt wird, aber bei Bekanntwerden der schweren Krankheit von Mr. Peterson hat man seine fehlende Reife doch ein wenig erkannt.


    Der Einblick in die psychiatrische Abteilung wirkte recht amüsant aber meiner Meinung nach wenig realistisch.


    Insgesamt gefällt mir das Buch aber nach wie vor super. :-)

  • Sterbehilfe als Thema hatte ich hier nicht erwartet. Es scheint die gleiche Klinik in der Schweiz zu sein, die auch eine tragende Rolle in "Ein ganzes halbes Jahr" spielte.
    Bei der Aussicht, dass PSP im Durchschnitt in drei bis zehn Jahren zum Tode führt, wobei schluckstörungsbedingte Lungenentzündungen, Stürze und Infektionen zu den häufigsten Todesursachen zählen, kann ich Mr. Petersons Entscheidung verstehen.


    Alex ist mit seinen 17 Jahren seiner Jugend weit voraus. Ein Junge, der wissbegierig, sensibel und wirklich nie als Angeber daherkommt, dafür ist er viel zu sympathisch. Ein besonderer Mensch.


    In dem Buch finde ich bemerkenswert, dass Alex viel erzählt, dass es wenig wörtliche Rede gibt, und doch ist gerade das so fesselnd. Es wird nie langweilig, man lernt nebenbei etwas und die Seiten fliegen nur so dahin.


    Als nächstes kommt "Die Flucht" - oha, ich sehe schon Alex mit quietschenden Reifen davon brausen und Mr. Peterson, der sich auf dem Beifahrersitz bekreuzigt. :lache

  • Sterbehilfe als Thema hätte ich früher auch gemieden, doch schon "Ein ganzes halbes Jahr" hat mir gezeigt, dass es auf die Herangehensweise ankommt.



    Minusch - In der Schweiz ist Dignitas ansässig, deshalb fahren viele Menschen dorthin.Ich glaube, das ist keine bestimmte Klinik. :wave


    Dass Alex Mr. Peterson an seinem Suizid hindert, ist erst einmal eine ganz normale Reaktion und der Einstieg für ihn, sich überhaupt mit dem Thema auseinanderzusetzen.


    Ich finde es bedenklich, wenn in Büchern mal eben eine "gute" Kombination an Medikamenten genannt wird, mit denen ein Suizid versucht wird. Jemand, der depressiv ist, wird es sich merken... :rolleyes
    Und ich bin immer wieder erstaunt, dass so viele Leute meinen, sie müssten Paracetamol schlucken, um sich umzubringen, und dass Autoren es dann auch noch in ihren Büchern erwähnen. Man müsste auf die Packungsbeilage schreiben, wie "toll" es ist, wenn sie wieder erwachen und einen fiesen Leberschaden haben, oder in ein qualvolles Leberversagen rutschen, das mal nicht eben ganz bequem nach einer halben Stunde den Suizid vollendet.


    Ein wenig schade finde ich, dass nicht genauer auf diesen Lesezirkel eingegangen wird. Das läuft leider nur am Rande ab und das hätte es meiner Meinung nach verdient, etwas mehr ausgearbeitet zu werden.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Sterbehilfe als Thema hätte ich früher auch gemieden, doch schon "Ein ganzes halbes Jahr" hat mir gezeigt, dass es auf die Herangehensweise ankommt.


    Minusch - In der Schweiz ist Dignitas ansässig, deshalb fahren viele Menschen dorthin.Ich glaube, das ist keine bestimmte Klinik. :wave


    Danke, genau diesen Verein meinte ich. Dignitas wird als Sterbehilfe-Klinik beschrieben. Bis jetzt wurde noch kein Name genannt, aber es gibt nur diese dort.

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Ein wenig schade finde ich, dass nicht genauer auf diesen Lesezirkel eingegangen wird. Das läuft leider nur am Rande ab und das hätte es meiner Meinung nach verdient, etwas mehr ausgearbeitet zu werden.


    Da hätte ich als Vonnegut-Interessierter auch mehr von vertragen können, hätte im Detail ausgearbeitet aber wahrscheinlich die restliche Handlung zu sehr aufgehalten.


    Das gute Tempo des Romans ist meiner Auffassung nach stimmig!

  • Zitat

    Original von Eskalina
    Ich finde es bedenklich, wenn in Büchern mal eben eine "gute" Kombination an Medikamenten genannt wird, mit denen ein Suizid versucht wird. Jemand, der depressiv ist, wird es sich merken... :rolleyes


    Ich habe den gleichen Gedanken gehabt, diesen aber schnell wieder verworfen. Jemand, der sich tatsächlich umbringen möchte, findet sowieso ganz sicher Mittel und Wege.