'Das unerhörte Leben des Alex Woods' - Kapitel 20 - Ende

  • Nun habe ich das Buch zu Ende gelesen und bin erst einmal ziemlich sprachlos. Aber ich versuche mal, meine etwas unsortierten Gedanken hier aufzuschreiben, auch wenn es schwer ist. Eventuelle ungeschickte Formulierungen bitte ich schon im Voraus zu entschuldigen.


    Die Flucht mit all den Hindernissen ist so spannend, dass ich die ganze Zeit mitgefiebert habe. Die Szene im Laden, als er von Ellie erwischt wird, war wieder einmal großartig.
    Dass es nicht um die Frage des Todes geht, sondern darum, dass das Leben vor dem Tod noch einen Wert haben kann, wenn man sich dafür entscheidet, ab einem Punkt, an dem man das Leben als unwürdig empfindet, freiwillig in den Tod zu gehen, wurde schon in den vorhergehenden Gesprächen zwischen Alex und Mr. Peterson sehr gut verdeutlicht. Das trägt zu einer Klärung bei, die sehr tiefgehend ist, jedenfalls empfinde ich es so. Dieses Grundeinverständnis zwischen Alex und Peterson ist an vielen Stellen des weiteren Geschehens spürbar und lässt alles so friedvoll erscheinen, obwohl es ziemlich viel Action gibt.
    Dass der Ablauf des Geschehens in der Schweiz so detailliert und eher nüchtern dargestellt wird, kam mir sehr entgegen. Alex, der darauf besteht, deutsch zu sprechen, während der Rezeptionist des Hotels in Zürich stur weiter englisch mit ihm spricht (S.143) und all die anderen Kleinigkeiten, mit denen das Besondere seiner Persönlichkeit weiterhin durchgängig gestaltet ist, ließ weiterhin jederzeit deutlich werden, dass Alex kein normaler 17-Jähriger ist. Und nur so blieb er für mich noch halbwegs glaubwürdig in seiner Rolle als kompetenter und ernsthafter Begleiter mit väterlichen Qualitäten, als Reiseführer, Freund und Sterbebegleiter.


    An zwei Stellen hatte ich kurzzeitig dann doch Zweifel. Als Alex in Zürich nach dem vorher auswendig gelernten Stadtplan den Weg sucht und findet, und in Gedanken beschreibt, wie er vorher wochenlang jeden Tag eine halbe Stunde die Einzelheiten des Stadtplans auswendig gelernt bzw. sich eingeprägt haben will, dachte ich kurzzeitig: Das kannn nicht sein. Er hat sich also gleichzeitig um die Cannabis-Plantage gekümmert, Mr. Peterson täglich stundenlang Gesellschaft geleistet, die Theoriefragen für den Füherrschein gebüffelt, heimliche Fahrstunden
    und offizielle Fahrstunden genommen, Deutsch gelernt, die Flucht durch und durch geplant mit Fahrzeiten der Fähren und allem Drum und Dran u n d die Schule besucht u n d seiner Mutter Normalität vorgespielt, dazu täglich seine Meditationsübungen durchgehalten und ist abends immer pünktlich um halb elf ins Bett gegangen? Und klar, natürlich hatte er bei all dem auch noch Zeit, den Züricher Stadtplan auswendig zu lernen?
    Das erscheint mir doch mehr als fragwürdig. Die Figur des Alex Woods bewegt sich die ganze Zeit auf einem schmalen Grat. Hier aber wirkte sie schließlich überfrachtet, so dass die Glaubwürdigkeit leidet.
    Sehr merkwürdig fand ich es außerdem, dass Alex im Hotel ein eigenes Zimmer hat, dort einschläft und den pflegebedürftigen Mr. Peterson zwölf Stunden sich selbst überlässt, ohne ihm dies vorher anzukündigen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Das dies auch keine Folgen hat, Mr. Peterson trotz seines zuvor beschriebenen Gehbehinderung, des sehr schlechten Gleichgewichtsgefühls und der Sehstörungen nicht stürzt, sondern alleine klar kommt, ist ziemlich unwahrscheinlich.


    Trotz dieser beiden Schnitzer finde ich, dass auch das Ende dieses Romanes insgesamt gelungen ist. Es wird in aller Genauigkeit und im Detail gezeigt, was passiert, wenn sich jemand zu diesem Schritt entschlossen hat. Was mich überzeugte oder beruhigte, ist, dass jederzeit, auch in letzter Sekunde, ein Zurücknehmen dieser Entscheidung möglich ist. Dass auf diese Freiheit, es sich doch noch anders zu entscheiden, immer wieder bis zm Schluss von der Sterbebegleiterin angesprochen wird, finde ich sehr wichtig. So wird deutlich, dass niemand, der sich vielleicht auch einmal für diesen Weg entscheiden wird, Angst haben muss, dass das nicht mehr rückgängig zu machen sei.
    Außerdem durfte ein Gespräch mit Alex nicht fehlen. Dieses führt Herr Sch. voller Anteilnahmen und mit dem Hinweis, dass eine Umkehr immer noch möglich ist, nimmt er Alex den Druck, bei siener Entscheidung bleiben zu müssen. So etwas ist grundlegend wichtig,damit die Freiwilligkeit jederzeit gewährleistet bliebt. Ich finde gut, dass das so klar wird.


    Mir gefiel, dass Alex in den letzten 10 Minuten keine Worte findet und Mr.Petersen ihm auf einem Zettel schreibt, dass er nichts sagen muss. Das zeigt das tiefe Verständnis des einen für den anderen. Auch dass Alex genau die richtige Musik findet, als Peterson sich dazu nicht mehr in der Lage fühlt... ein einfaches und glaubwürdiges Bild für einen friedlichen Abschied vom Leben.


    Zuguterletzt bin ich erleichtert gewesen, dass es für Alex schließlich doch glimpflich ausgegangen ist. Wie seine Mutter im Polizeirevier auftritt, das war noch einmal ein furioses Finale, wie ich es gar nicht mehr erwartet hätte. Ich fand diese Szene wunderbar.



    Edit: mehrfache Korrektur von Tippfehlern und sprachlichen Ungenauigkeiten.

  • Ich bin auch durch mit dem Roman und war sehr zufrieden.


    Ob es eine Fortsetzung des Buches geben könnte? Unwahrscheinlich, aber ich hätte nichts dagegen, mehr von Alex Woods zu lesen. Auf jeden Fall bin ich aber gespannt, was von dem Autor zukünftig noch kommen wird. Die Erwartungen an ihn dürften sehr hoch sein.

  • Ich habe das Buch auch beendet und es hat mir außerordentlich gut gefallen.


    Ein kleiner Kritikpunkt - oder sagen wir ein wenig ins Stocken kam ich, als ich erfuhr, dass Alex sowohl deutsch gelernt, als auch den Stadtplan von Zürich auswendig gelernt hat. Das kam mir dann doch etwas zuviel/ zu weit hergeholt vor. Alex ist ein spezieller Charakter und das mit der Sprache für einfache Gespräche (Essen bestellen, Hotellobby etc.) hätte ich noch abgenommen. Aber den Stadtplan mit allen Straßen auswendig lernen? :yikes Das hätte man für mich weglassen können. Ich mag daran glauben, weil ich mir das Buch gerne glaubwürdig erhalten möchte, aber so richtig realistisch erscheint mir das nicht mehr.
    An dieser Stelle kann ich ginger ale also nur zustimmen: "Das erscheint mir doch mehr als fragwürdig. Die Figur des Alex Woods bewegt sich die ganze Zeit auf einem schmalen Grat. Hier aber wirkte sie schließlich überfrachtet, so dass die Glaubwürdigkeit leidet."


    Bis auf dieses erschien mir die Geschichte aber realistisch und gut recherchiert und ich habe die Lektüre sehr genossen. Durchaus ein empfehlenswertes Jugendbuch!


    Eine Fortsetzung gibt es hoffentlich nicht. So gerne, wie ich Alex Woods habe und so gut wie mir die Geschichte gefallen hat, habe ich das Gefühl, dass eine Fortsetzung das Ganze nur kaputt machen würde, weil die Geschichte, die es zu erzählen gab erzählt ist.

  • Wupps, schon ausgelesen!



    Ich hatte mich auch gefragt, woher Alex die ganze Zeit nahm um soviele verschiedene Dinge zu tun. Sich aber einen Stadtplan einzuprägen finde ich da nicht das schwierigste. In der Tat tue ich gelegentlich auch so etwas. Und Alex Gehirn arbeitet ja sowieso anders. Er scheint ja außerordentlich intelligent bzw hochbegabt.



    Das er Mr Peterson so lange alleine läßt, ist tatsächlich nicht ganz logisch. Er muss ja auch zur Toilette usw. Aber es wurde auch nie expliziert gesagt, wie viel er tatsächlich noch alleine tun kann. In seinem Haus war er ja auch gewiss länger Zeit alleine. Aber solche Unschärfen kann ich bei Büchern wegstecken. Schließlich gehen ja Buchfiguren irgendwie nie zur Toilette.


    Ich fand die Beschreibung des Sterbens angenehm verhalten und sachlich. Bei "Ein ganzes halbes Jahr" habe ich bei der Sterbeszene Rotz und Wasser geheult. Und das tue ich nicht gerne. Ich empfand die Beschreibung hier sehr angenehm und auch angemessen. Halt nicht so tränendrüsendrückend. Hat mir gefallen. Auch den Text, den Alex dem einschlafenden Peterson vorlas, war sehr passend und schön.


    Das Buch endet so schlicht und irgendwie mittendrin, wie es begonnen hat. Es hat mir sehr viel Freude gemacht, das Buch zu lesen. Das Buch beschreibt tiefgründige Ideen sehr leicht und locker und ich hoffe, das der Autor sehr produktiv bleiben wird und noch viele weitere schöne Bücher schreiben wird. Ob von Alex oder von anderen Dingen.


    Ich danke nochmal Wolke und auch dem Verlag für dieses schöne Lesevergnügen. Schade, das es so rasch vorbei war, aber andererseits hatte es auch genau die richtige Länge.

  • Das Buch ist ein weiteres Lese-Highlight in diesem Jahr. Und wieder einmal ein Buch einer Leserunde. :-]


    Die letzten Kapitel ließen sich zügig weglesen wobei das eigentlich im gesamten Buch der Fall war. 5 Tage ein Buch zu lesen ist für mich mal wieder super, das Buch hat mir bestens aus einer Leseflaute verholfen.


    Das Thema ist eher traurig aber die Tatsache der Sterbehilfe und damit die Möglichkeit, jemanden friedlich und selbstbestimmt sterben zu lassen hinterlässt eher einen zufriedenen Leser. Auch das Testament ist ein sehr schönes Ende.


    Mr Peterson aber auch Alex selbst sind tolle Personenzeichnungen, die noch einen bleibenden Eindruck hinterlassen werden. Diese gewissen Ecken und Kanten verleiht nicht jeder Autor seinen Charakteren. Und dass es Leute gibt, die Straßennamen auswendiglernen wollen und auch können, möchte ich an dieser Stelle mal bestätigen. :grin

  • Bin leider auch fertig. Das Buch hat mir sehr gut gefallen.
    Die Szene wo sich Alex Mutter für ihn auf dem Polizeirevier einsetzt, fand ich gelungen, da war sie mir gleich wieder sehr sympathisch.
    Ich finde mit dem Thema Sterbehilfe wird sehr sensibel umgegangen. Alex hat Mr Peterson noch zu ein paar schönen Monaten verholfen, in denen er selber sich auch gut auf den Abschied vorbereiten konnte. Hr Peterson konnte selbstbestimmt in Würde sterben.
    Ich wüsste natürlich gern, wie es mit Alex, Ellie und der Mutter mit ihrem Hexenladen weitergeht. Ob er nun von dem hinterlassenem Geld Physik studiert oder letztendlich doch Neurologe wird.
    Wie Alex das alles zeitlich hinbekommen hat, habe ich mich auch gefragt. Deutsch gelernt, Cannabisplantage, Lesezirkel organisieren, Schule und sich um Mr Peterson kümmern...
    Das Hr Peterson in dem Hotelzimmer 12 Stunden allein war, kam mir auch etwas seltsam vor. Aber vielleicht hat er auch geschlafen? Immerhin als er in das Haus gehen wollte, brauchte er Alex Unterstützung, also konnte er eigentlich allein nicht mehr laufen. Andererseits mobilisieren Kranke manchmal noch all ihre Kräfte und bevor er im Krankenhaus war, musste er auch allein klarkommen.

  • Leiderleider ist das Buch zu Ende, es hat mir sehr gut gefallen!


    Alex fährt mit Mr. Peterson in die Schweiz um dessen Wunsch zu erfüllen: Zu sterben, wenn er es noch selbst entscheiden kann.


    Ich bewundere Alex für seinen Mut, mit dem er Mr. Peterson in seinem Entschluss unterstützt, das war sehr sehr reif für einen 17jährigen.


    Dass Alex Mutter ihn so unterstützt, als er wieder nach Hause kommt fand ich ganz stark. Ich hatte mit mehr Vorwürfen gerechnet :wow


    Danke an Wolke und den Verlag, dass ich an dieser Leserunde teilnehmen durfte! :knuddel1

    Mögen wir uns auf der Lichtung am Ende des Pfades wiedersehen, wenn alle Welten enden. (Der Turm, S. King)


    Wir fächern die Zeit auf, so gut wir können, aber letztlich nimmt die Welt sie wieder ganz zurück. (Wolfsmond, S. King)


    Roland Deschain

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Ich fand auch, dass es wunderbar erzählt war und dass es den schmalen Grat zwischen gelegentlichem Humor, Dramatik und informativer Erzählweise gut gemeistert hat.


    Gavin Extence hat einen einnehmenden Schreibstil, hoffentlich bekommt man bald noch mehr von ihm zu lesen.


    In den letzten Zügen erinnerte mich das Buch immer mehr an "Ein ganzes halbes Jahr", da gab es schon einige Parallelen.


    Das mit dem Auswendiglernen usw. habe ich mir so erklärt, dass Alex alles perfekt machen wollte für Mr. Peterson, Alex ist so ein spezieller Charakter, der etwas ganz oder gar nicht macht.
    Dass die Mutter zuletzt doch durchblicken ließ, wie gut sie ihren Sohn kennt, war zwar ein Lichtblick, dennoch verstehe ich solche Eltern oder Elternteile oft nicht. Warum konnte sie ihm das die ganze Zeit nicht zeigen? Er ist doch ein ganz lieber Junge. Da geht noch mehr, finde ich.


    Ein berührendes Buch, das nachdenklich macht und aus dem ich einiges gelernt habe.

  • Zitat

    Original von ginger ale
    Sehr merkwürdig fand ich es außerdem, dass Alex im Hotel ein eigenes Zimmer hat, dort einschläft und den pflegebedürftigen Mr. Peterson zwölf Stunden sich selbst überlässt, ohne ihm dies vorher anzukündigen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen. Das dies auch keine Folgen hat, Mr. Peterson trotz seines zuvor beschriebenen Gehbehinderung, des sehr schlechten Gleichgewichtsgefühls und der Sehstörungen nicht stürzt, sondern alleine klar kommt, ist ziemlich unwahrscheinlich.


    Aber er hat doch erst 12 Stunden geschlafen, nachdem Mr Peterson tot war. Vorher waren die beiden doch die ganze Zeit zusammen. Meinst du die Stelle auf S. 457?

  • Stimmt. Nach der Fahrt in die Schweiz im Hotel steht da:
    " 40 Stunden ohne Schlaf hängten sich mit einem Mal an meine Augenlider....
    .....schlief in meinen Kleidern auf dem Bett ein. Ich schlief tief und traumlos."
    Wieviele Stunden steht nicht da. Das steht erst da, wo er die Asche schon abgeholt hat, Seite 457.
    Ich habe das unbewusst auch auf den Erschöpfungsschlaf nach den 40 Stunden Wachsein ausgedehnt. Nach so einer Gewalttour hätte ich sicher 24 Stunden geschlafen.
    Alex war zu aufgedreht, völlig unter Strom, dann auch noch der Besuch bei CERN, die Touren durch die Schweiz, vor dem eigentlichem Termin, erstaunlich wie er das alles geschafft hat.


  • Doch, ganz unten auf S. 457 steht, dass er volle 12 Stunden geschlafen hat, aber das war nach Mr Petersons Tod.

  • Zitat

    Original von Minusch


    Doch, ganz unten auf S. 457 steht, dass er volle 12 Stunden geschlafen hat, aber das war nach Mr Petersons Tod.


    Ja, das meine ich doch :gruebel
    Vorher stand nur da, tief und traumlos und noch angezogen.


    S.457 war das erste Mal, das die Schlafdauer angegeben wurde und da war Mr Peterson schon eingeäschert .

  • Zitat

    Original von LyFa
    Ja, das meine ich doch :gruebel
    Vorher stand nur da, tief und traumlos und noch angezogen.


    S.457 war das erste Mal, das die Schlafdauer angegeben wurde und da war Mr Peterson schon eingeäschert .


    Oh ja, das meinte ich auch, sorry. ;-)


    Aber vielleicht meint ginger ale etwas anderes? Müssen wir mal abwarten.

  • Ich bin auch durch und musste den letzten Abschnitt in einem Rutsch lesen :-)
    Das Buch hat mir sehr gut gefallen, zumal ich auf so ein ernstes Thema gar nicht eingestellt war und diese Wendung für mich sehr überraschend kam.
    Das Thema der Sterbehilfe wurde in meinen Augen sehr sensibel behandelt.


    Ok, ich fand auch nicht alles so 100% glaubwürdig (Auswendig lernen des Stadtplanes ect.), aber ich kann über solche Kleinigkeiten gut hinwegsehen und hake das als schriftstellerische Freiheit ab :grin


    Elli war in meinen Augen überflüssig, sie hatte keine tragende Rolle und hat mich eher nur genervt. Dagegen war ich über die Kehrtwende der Mutter erfreut, die zu Alex stand und sich für ihn eingesetzt hat.


    Zitat

    Original von Darcy
    Ich fand die Beschreibung des Sterbens angenehm verhalten und sachlich. Bei "Ein ganzes halbes Jahr" habe ich bei der Sterbeszene Rotz und Wasser geheult. Und das tue ich nicht gerne. Ich empfand die Beschreibung hier sehr angenehm und auch angemessen. Halt nicht so tränendrüsendrückend.


    Das mag vielleicht daran liegen, dass bei "Ein ganzes halbes Jahr" ein junger Mann die Entscheidung traf, der sein Leben noch vor sich hatte. Auch, wenn er natürlich gehandicapt war, hätte er durchaus noch Lebensqualität und Freude am Leben haben können. Hier haben wir es mit einem alten Mann zu tun, der eine unheilbare Krankheit hatte, die ihn über kurz oder lang zum kompletten Pflegefall gemacht hätte. Der Tod war eine Erlösung.


    Alles in allem ein tolles Buch und ich freue mich, dass ich es mit euch gemeinsam lesen durfte. Vielen Dank an Wolke und den Verlag!

  • Minusch : Okay, dann habe ich das mit dem langen Schlaf wohl falsch verstanden. Also doch kein Schnitzer des Autors, eher meiner :grin Asche auf mein Haupt.


    Original von Minusch:

    Zitat

    Dass die Mutter zuletzt doch durchblicken ließ, wie gut sie ihren Sohn kennt, war zwar ein Lichtblick, dennoch verstehe ich solche Eltern oder Elternteile oft nicht. Warum konnte sie ihm das die ganze Zeit nicht zeigen? Er ist doch ein ganz lieber Junge. Da geht noch mehr, finde ich.


    Ich finde gar nicht, dass die Mutter zu unterkühlt oder immer nur kalt ist und ihm nicht zeigt, dass sie ihn liebt. Ich meine mich zu erinnern, dass schon gleich zu Anfang sehr deutlich wird, wie sehr sie sich um ihn sorgt, als er im Krankenhaus liegt, und auch danach - sie lässt ihn nicht aus den Augen, hat ihn immer bei sich. Alex reagiert auf ihre Überfürsorglichkeit - aus seiner Sicht gesehen - genervt. Zwar weiß er, dass das so richtig ist, aber auf der emotionalen Schiene ist es für ihn trotzdem nicht richtig. Ich würde es als Mutter auch so machen, wenn mein Kind einen derart schweren Unfall gehabt hätte und ich wüsste, dass in seinem Gehirn möglicherweise Spätfolgen entstanden sein könnten.
    Dass die Mutter zeitweise unterkühlt dargestellt wird, aus Alex Sicht, wohlgemerkt, habe ich so verstanden, dass er sich darauf fokussiert hat, vor allem auf das zu achten, was ihn an ihr nervt. Über die angenehmen Seiten seiner Mutter erzählt er einfach nichts. Das ist etwas, was Mütter von Jungen ja im Allgemeinen erleben müssen, wenn die Jungen beginnen, sich von ihrer Mutter (innerlich) zu lösen und die Mütter ihnen nicht den Freiraum dazu geben. Hier in diesem Fall k a n n die Mutter ihm ja nicht den normalerweise notwendigen Freiraum lassen, sie muss in seiner Nähe sein, extra mit ihm umziehen und sich mit ihm in die enge Wohnung quetschen, immer da sein... Und es ist Alex selbst, der in die Schachtel ziehen will, die Mutter ist davon ja nicht so begeistert.
    Die Entwicklung der Mutter-Sohn-Beziehung ist in diesem Falle durch den Unfall erheblich gestört, viel zu nah und Alex kapselt sich ein. Ich wette, dass die Mutter oft genug versucht, liebevoll und ermutigend auf Alex einzugehen. Aber er ist es, dem das viel zu eng ist, wie er ja an verschiedenen Stellen auch andeutet. Ist ein Sohn aber so "stachelig", so spürt die Mutter diese Abwehr und es ist nur klug, wenn sie sich dann (innerlich) etwas zurückzieht, die Ablehnung des genervten Sohnes als Übergangsphase möglichst gelassen zu ertragen versucht und abwartet, bis der Sohn von selbst wieder mehr Nähe und Zuwendung zulassen kann oder sich sogar wünscht.
    Dass die Mutter eine sehr eigene Marke ist, finde ich im Übrigen auch gut, denn mir geht es gewaltig gegen den Strich, wenn Mütter (in Romanen und auch sonst) immer noch an den stereotypen Idealen der immer nur guten (heiligen) Mutter gemessen werden.
    Alle anderen Rollen in diesem Roman sind ziemlich skurril und überspitzt gezeichnet, warum also nicht auch die der alleinerziehenden Mutter, die einmal total überfürsorglich, ein anderes mal wieder zu kaltschnäuzig reagiert und zudem auch noch so einige "Macken" hat? Ich musste jedenfalls oft schmunzeln, und ich finde es auch wichtig, dass sie sich ab und zu wie ein autoritärer Vater benimmt, ein Machtwort spricht, so als ob sie gar nicht verstünde, wie ihrem Sohn zumute ist. Das ist nichts weiter als klare Grenzen zu setzen. Vielleicht übertreibt sie es, klar, als skurille Figur... Aber Jugendliche in der Pubertät brauchen Eltern, an denen sie sich reiben und ausprobieren können, und in diesem Falle muss die Mutter die Rolle von Vater und Mutter zugleich übernehmen.
    Im Übrigen reagiert sie auf die Beziehung, die ihr Sohn zu Mr. Peterson entwickelt mit Toleranz und Offenheit, und das ist ein sehr klares Zeichen dafür, dass sie ihren Sohn liebt. Sie lässt ihm damit den Vater, den er sich selbst gesucht hat und kann Macht abgeben. Sie könnte ja auch ganz naders reagikeren auf einen Vietnam-Kriegsveteranen, denn im Allgemeinen werden diese von der "normalen" Bevölkerung als unheilbar kranke, verrückte und nicht mehr zu rettende Outkasts angesehen, die gefährlich werden könnten. Sicherlich kein ganz einfacher Schritt für eine Mutter, eine so enge Beziehung ihres Sohnes zu diesem Mann zuzulassen, den sie ja nicht gut kennt ud daher auch nicht so wirklich einschätzen kann.
    Dass Alex über lange Jahre seine Mutter nicht so richtig einschätzen kann und befürchtet, dass sie ihn nicht verstehen und alles verschlimmern würde, das ist dank seiner Pubertät und seiner besonderen Situation normal und verständlich. Als Leserin muss ich das aber nicht genauso sehen, sondern mache mir so meine eigenen Gedanken und Hinweise darauf, dass die Mutter eigentlich sehr okay ist, wenn es darauf ankommt, gab es im Roman meines Erachtens auch genug.


    Insofern ist es nur konsequent, dass am Ende des Romanes deutlich wird, dass die Mutter, wenn es darauf ankommt, wie eine Löwin um ihren Sohn kämpft. Dass sie ihn die ganze Zeit vorher natürlich auch geliebt hat, nur dass ihr Sohn das eben nicht realisieren oder nicht zulassen konnte oder wollte, wird ja auchvon Alex selbst erkannt.

  • Beim Urteil über die Wunderlichkeit der Mutter muss man die Erzählperspektive und die Sicht des Lesers unterscheiden. Ob die Mutter nun Opernsängerin oder Hebamme ist, für einen Jungen in der Pubertät muss sie zwangsläufig sonderbar bis peinlich sein. Dass sie Alex' Beziehung zu Peterson zulassen kann, macht sie für mich zu einer starken, liebenswerten Person. Mir würden alle möglichen Begründungen einfallen, mit denen Eltern den "Einfluss" einer so ungewöhnlichen Beziehung verhindern könnten und wollten. Und wie ginger sehr eindringlich beschrieben hat, dem Sohn einer allein erziehenden Mutter würde damit die Möglichkeit genommen, von einem Mentor eine gewisse Zeit auf seinem Lebensweg begleitet zu werden.

  • Es heißt ja nicht, dass die Mutter ein schlechter Mensch ist, und es ist auch klar, dass ein Teenager die eigene Mutter anders sieht.
    Mir war sie trotzdem nicht allzu sympathisch, natürlich hat sie Angst um ihren Jungen und sorgt sich nach dem Unfall um ihn, aber ihn dauernd im Laden zu lassen, hat ihm sicher auch in sozialer Hinsicht nicht gut getan, das fördert doch das Ganze noch, dass er zum Einsiedler wurde. Auch wenn von ihm selbst und durch die schulischen Umstände die Anleihen dafür da waren.


    Des Weiteren machte Mutterliebe für mich deutlich mehr aus, nämlich, diese zu zeigen. Deswegen traute er sich auch nicht, ihr es persönlich zu erzählen, was er mit Mr Peterson vorhatte. Ihre Reaktion dann, dass sie es ihm erlaubt hätte, kam auch für mich unverhofft, weil man sie einfach nicht so eingeschätzt hätte.


    Miteinander reden wäre oft für die Figuren der Bücher sehr hilfreich, dann würden nicht solche Situationen entstehen. Dass sie eine starke Frau ist, ist umunstößlich, deswegen wirkte sie aber auf mich trotzdem nicht besonders einnehmend.
    Und dass sie diese Freundschaft erlaubte, war sicher vielen Dingen geschuldet: Alex tat etwas Nützliches, war beschäftigt, konnte von ihm lernen, seine Schuld abarbeiten etc.
    Vielleicht hat sie auch ihre Karten befragt, ob es eine gute Idee sei. :grin

  • Zitat

    Original von Minusch
    Des Weiteren machte Mutterliebe für mich deutlich mehr aus, nämlich, diese zu zeigen.


    Das mag theoretisch und im Leben mit kleinen Kindern so sein - aber nicht im Zusammenleben mit einem männlichen Pubertierenden. :lache

  • Zitat

    Original von Buchdoktor


    Das mag theoretisch und im Leben mit kleinen Kindern so sein - aber nicht im Zusammenleben mit einem männlichen Pubertierenden. :lache


    :lache *Bilder im Kopf hab*