Es war einmal eine karierte Reisetasche
Hier stand ich nun, auf dem Boden, zwischen all den anderen. Die Luft war stickig. Mich hatte leider noch niemand angefasst. Dabei griffen ständig viele Hände links und rechts um mich. Doch ich, ich stand einsam in der Mitte und war traurig. Niemand wollte mich haben. Dabei war ich doch eine Reisetasche und wollte die Welt erkunden. Kein Mensch streckte die Hand nach mir aus. Täglich kamen hunderte von Kunden ins Sportgeschäft. Oft fragte ich mich, wieso man mich nicht in einem großen Kaufhaus untergebracht hatte. Nein, stattdessen lagerte ich nun schon einige Monate hier, im kleinen Sportgeschäft in der Fußgängerzone. Es war zum heulen.
Vorhin kam eine Mutter mit einem Jungen vorbei, der unbedingt eine Sporttasche brauchte. Da gab es eine, wo ein Fußball abgebildet war. Sofort griff der Junge danach und weg war sie.
„Schönen Tag noch“, rief die Tasche uns zu und winkte fröhlich auf dem Weg zur Kasse. Danach kam ein junges Mädchen mit ihrer Oma, die ein Blümchenmuster wählte.
„So. Oma. Jetzt habe ich eine wundervolle Tasche, wenn ich die Ferien bei dir verbringe.“
„Ätsch. Ich bin nun auch weg. Und du bist immer noch hier. Viel Spaß noch.“
Traurig blickte ich mich um. Schwarz/weiß kariert zu sein, schien wohl aus der Mode. Ich blinzelte zu den unifarbenen Kollegen. Sie hatten noch bessere Chancen als ich, weil sie oft die Lieblingsfarben der Kinder trugen. Aber für mich interessierte sich einfach niemand. Die Tage zogen ins Land. Lange Zeit schlief ich und blickte gar nicht erst auf, wenn wieder jemand neben mir herausgezogen wurde. Die Sprüche der anderen konnte ich sowieso nicht mehr hören. Da war es auch egal. Vielleicht, vielleicht hatte irgendwann doch jemand Mitgefühl, schnappte mich und trug mich hinaus in die weite Welt. Wunschdenken.
Eines Tages kam ein Mädchen mit ihrer Mama in den Laden und sie kamen schnellen Schrittes auf uns zu.
„Was für eine Tasche willst du denn? Guck mal da, die pinke mit den Sternen ist doch toll“, sagte die Mutter. Das Mädchen jedoch schenkte diesem Objekt keinen Blick. Sie musterte, ich glaubte es kaum, doch sie musterte tatsächlich mich.
„Mutti schau doch. Da die karierte Tasche. Die ist schön.“
„Ach. Was willst du denn mit der schwarz/weiß Karierten. Du brauchst eine Tasche mit Pepp. Sabrina.“
Das Mädchen betrachtete mich weiterhin.
„Na los. Hol mich. Hol mich. Ich will unbedingt hier raus und bin schon lange genug in dem stickigen Loch gefangen.“
„Mutti. Ich möchte diese Tasche. Sie sieht so praktisch aus.“ Wieder zeigte das Mädchen auf mich. Ich schloss die Augen und zuckte zusammen, als mich kleine Hände vom Boden zogen. Endlich konnte ich durchatmen. Tat das gut. Freiheit.
„Nein Sabrina“, schimpfte die Mutter und zog ihre Tochter einfach von mir weg. Zudem gab sie mir noch einen Schubs mit dem Fuß, sodass ich wieder im Regal verschwand.
„Aua“, schluchzte ich.
Die beiden verschwanden im Ladeninneren wo weitere Kollegen schlummerten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie wieder kamen. Erneut kam Sabrina auf mich zu und zog mich heraus. Diesmal hielt ich die Luft an. Zu früh freuen, wollte ich mich nicht. Vielleicht gab es doch noch eine Chance.
„Mama. Mama bitte.“ Sabrina öffnete den Reißverschluss, was mich erneut durchatmen ließ. „Das ist die schönste Tasche im ganzen Laden. Sie hat irgendwas Besonderes. Bunte, oder unifarbene Taschen haben doch alle.“
„Wenn es denn unbedingt sein muss“, seufzte die Mutter.
„Ja Mutti.“
„Gut. Dann kannst du sie gleich heute Abend packen, damit du sie mit in den Urlaub nehmen kannst. Groß genug ist sie ja. Da bekommst du locker für zwei Wochen Kleidung unter und auch einige Spielsachen.“
„Mutti Danke.“
„Ja, ja, schon gut.“
Innerlich machte ich Luftsprünge. Endlich kam ich aus dem Laden raus.
„Ätsch. Ich habe es euch gesagt. Irgendwann komme ich hier schon raus. Nun ist es soweit und gleich Morgen geht es in Urlaub“, rief ich fröhlich und machte mich über die Kollegen, die nun ihrerseits ihre Köpfe hingen ließen lustig.
Alleine der Gang aus dem Laden bis zum Auto tat unheimlich gut. Frische Luft. Frische Luft war eine Wohltat. Ich freute mich auf die Ausflüge die ich mit Sabrina machen durfte. Noch mehr, dass die Reise schon Morgen beginnen sollte und ich heute Abend schon gepackt wurde. Auch, wenn ich noch keine Ahnung hatte, wo es hin ging war ich gespannt und freute mich, die Welt zu entdecken.
(c) Sonne79 / 23.04.2014
Edit: als anstatt wie.