Manche Arbeitslose nicht flexibel genug?

  • Iris, das war aber eine Entscheidung der Stadt, dass der Mediamarkt dort aufmachen darf! Bei uns wollte auch einer aufmachen und dazu noch ein IKEA. Und unsere Stadt hat sich dagegen gestellt, weil sie die kleineren Betriebe nicht gefähren wollten. So sind diese beiden Märkte in ein leeres Industriegebiet gezogen, dass neu angelegt wurde und gefährden so keinen Ort unmittelbar.


    Ich denke, das alles ist eine Kettenreaktion. Wenn der eine Betrieb nicht mehr genug einnimmt, macht er zu --> Arbeitslose --> Kein Geld --> kaufen günstiger ein usw..


    Aber ich werde deshalb nicht aufhören bei Aldi einzukaufen. Ich finde das nicht der Endverbraucher für die Fehler verantwortlich gemacht werden kann, die die Firmen hiermit begehen. Jeder muss natürlich schauen wo er bleibt. So auch der Endverbraucher. Und so leid es mir tut, ich kann es mir nicht leisten, nur teure Produkte zu kaufen. Und ich bin auch nicht bereit dazu.

    Auch aus Steinen,
    die dir in den Weg gelegt werden,
    kannst du etwas Schönes bauen

    Erich Kästner

  • Zitat

    Original von Branka
    Iris, das war aber eine Entscheidung der Stadt, dass der Mediamarkt dort aufmachen darf! Bei uns wollte auch einer aufmachen und dazu noch ein IKEA. Und unsere Stadt hat sich dagegen gestellt, weil sie die kleineren Betriebe nicht gefähren wollten. So sind diese beiden Märkte in ein leeres Industriegebiet gezogen, dass neu angelegt wurde und gefährden so keinen Ort unmittelbar.



    Sorry, aber das ist leider kompletter unsinn! Da ich selbst eine Weile Kommunalpolitik gemacht habe, weiß ich, wie schwierig es ist, Betriebsansiedlungen zu verhindern. Das geht nur über entsprechende baurechtliche Vorschriften, die dann aber für alle gelten.


    Und gerade das Aussiedeln der großen Märkte auf die grüne Wiese ist der Kardinalfehler schlechthin. Nichts ist den großen Anbietern lieber. Eine Unmenge Parkplätze, gute Anfahrmöglichklichkeiten - und die Innenstädte veröden.



    Zitat

    Aber ich werde deshalb nicht aufhören bei Aldi einzukaufen. Ich finde das nicht der Endverbraucher für die Fehler verantwortlich gemacht werden kann, die die Firmen hiermit begehen.


    :wow


    Zitat

    Jeder muss natürlich schauen wo er bleibt.


    Super! Jeder gegen jeden und Gott gegen alle! Raus mit den Ellbogen!

  • Zitat

    Original von Branka
    Aber ich werde deshalb nicht aufhören bei Aldi einzukaufen. Ich finde das nicht der Endverbraucher für die Fehler verantwortlich gemacht werden kann, die die Firmen hiermit begehen. Jeder muss natürlich schauen wo er bleibt. So auch der Endverbraucher. Und so leid es mir tut, ich kann es mir nicht leisten, nur teure Produkte zu kaufen. Und ich bin auch nicht bereit dazu.


    Natürlich kannst Du preisbewußt einkaufen, damit handelst Du ganz im Sinne der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs. Der Endverbraucher handelt nicht falsch, wenn er billig einkauft.


    Aber gerade deshalb müssen die Firmen auf ihre Kostenstruktur achten. Schizophren ist es also, billig einkaufen zu wollen und gleichzeitig den deutschen Unternehmen vorzuwerfen, dass sie billig produzieren wollen.


    Genauso wie Du begehen auch die Firmen keinen Fehler, wenn sie auf ihre Ausgaben achten!

  • Was ja in den europäischen Statistiken auffällt, ist dass die Deutschen grundweg weniger für hochwertige Nahrungsmittel als die übrigen Europäer. Gerade hochwertige Nahrungsmittel werden aber oft im Umland hergestellt, weil sie sehr frisch sein müssen.


    Wo Europa durchweg wettbewerbsfähig ist, sind die sogenannten Luxusgüter, aber die kauft eben auch nur ein Segment der Bevölkerung im Binnenmarkt - der Rest geht nach Fernost und sonstwohin.

  • Zitat

    Original von Iris
    Die umdeklarierten Markenwaren, die du bei Aldi kaufst, stammen aus der Überproduktion bei den Markenherstellern. Um Lagerkosten zu vermeiden (die zum allergrößten Teil nämlich aus Personalkosten bestehen), wird der Lagerüberschuß weit unter Preis an Aldi weitergegeben.


    Liebe Iris,


    kannst Du mir erklären, wieso Lagerkosten zum allergrößten Teil aus Personalkosten bestehen??


    Überproduktione und Lagerhaltung ist nach meiner Erfahrung totes Kapital.
    Läger funktionieren durch die Technik meist vollautomatisch mit einem Minimum an Personal. Außer dem Kapital für die eingelagerte Ware sind die nächsthohen Kosten die Miete und Energie-Kosten.


    Bitte um Aufklärung


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Original von Obelix
    1980 war Irland das Armenhaus des freien Europas, das irische BIP pro Einwohner lag ca. 50% unter dem deutschen; inzwischen liegt Irland im pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt mehr als 20% über Deutschland (selbst wenn man die alten Bundesländer betrachtet, ist Irland vorbeigezogen), und die irische Wirtschaft wächst weiterhin dreimal schneller als die deutsche.


    Richtig, nur zu welchem Preis.
    Der amerikanische Arbeitgeber meiner Frau hat vor 2-3 Jahren eine ganze Menge Support- und Stabsabteilungen nach Irland ausgelagert.
    Laut firmeninternen Auswertungen hat sich die Leistung dieses Centers gegenüber dem in Deutschland am Anfang um mehr 50% verschlechtert und ist heute bei 80% angelangt. Was dort nicht mehr geleistet wird, muß hier in Deutschland neben der normalen Tätigkeit zusätzlich erbracht werden.


    Zur Übergabe und Einarbeitung mußte meine Frau 2 Monate nach Irland. Ich habe sie dort eine Woche in Dublin besucht und mich auch mit ihren Kollegen unterhalten und war natürlich auch in vielen Geschäften.
    Die Preis sind annähernd den unseren, nur die Löhne bei Weitem nicht, geschweige von den Sozialleistungen. Es gibt jede Menge junger Familien, die, obwohl verheiratet, bei einem Elternteil wohnen, da sie sich keine eigene Wohnung leisten können. Und das sind keine Einzelfälle.
    Es geht dem Land durch die Steuergeschenke an die Firmen zwar wirtschaftlich besser, nur nicht im gleichen Maße der Bevölkerung.


    Und das schönste, das Unternehmen überlegt derzeit dieses Center in Dublin wieder zu schließen, da in Südostasien Arbeitskräfte noch billiger sind.


    Auch über einige andere Länder, die Du erwähnst, habe ich ähnliches gelesen. Nur da ich die Berichte nicht greifbar habe, kann ich dazu nichts sagen, melde nur meine Zweifel an.


    LG Dyke

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Zitat

    Original von Iris


    Das einzige Problem ist, daß wir dadurch einen Riesensack neuer Probleme kriegen würden: Die Halbierung des Bruttogehaltes würden die meisten Haushalte nicht verkraften, die Kaufkraft würde schlagartig völlig wegbrechen, damit die Konjunktur -- und da wären sie wieder, die 5 Mio Arbeitslosen.


    Nur mit dem kleinen Unterschied, daß dann Menschen mit Arbeit und Menschen ohne Arbeit ungefähr gleich arm wären.



    Ich denke nicht, daß das Bruttogehalt halbiert werden müßte. Das Rechenbeispiel ist irgendwie falsch. Deutschland hat ungefähr 83 Millionen Einwohner. Ca. 30 Prozent davon sind Rentner. Die Zahl der Kinder, die man noch abziehen müßte, ist mir leider nicht bekannt.
    Aber gehen wir einfach mal davon aus, daß 35 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten. Dann braucht niemand auf seinen halben Lohn verzichten, sondern einfach ein paar Stunden weniger in der Woche arbeiten und dementsprechend weniger verdienen.


    Mich wundert es sehr, daß aber genau das Gegenteil passiert und die 40 Stunden Woche wieder angestrebt wird. Und viele dazu auch noch Überstunden machen müßen. Da läuft doch irgendetwas falsch!

  • Das Problem ist aber, dass uns eingeredet wird, dass wi alle MEHR Stunden pro Woche arbeiten müssen und LÄNGER auf unserer Rente warten sollen und WENIGER Urlaub nehmen usw.


    Wie ausgerechnet dadurch die Zahl der Arbeitslosen abnehmen soll, dass diejenigen die Arbeit haben sich gegenseitig ausstechen, verstehe ich nicht ganz.


    Ich glaube, die von Arbeitsgeberverbänden angepeilte Lösung sieht in etwa so aus: Führt sie Sklaverei wieder ein und alle bekommen Arbeit!

  • Stimmt genau! Rabat. Ist das nicht schon ein Contradicio? So ein Schwachsinn!


    Außerdem verlieren wir mit der Globalisierung doch noch mehr Arbeitsstellen. Deutschland hat für viele Firmen keine guten Standortfaktoren zu bieten. Z.B. gibt es mehr als genug qualifizierte Arbeitskräfte, aber nicht genug BILLIGE Arbeitskräfte. Und wenn sogar deutsche Firmen ins Ausland siedeln, kann man ja schlecht erwarten, dass es im Inland besser wird mit der arbeitslosigkeit.
    Die Schuld dann einfach den Arbeitslosen, die doch dann unflexibel seien, in die Schuhe zu schieben, das ist doch blödsinnig!

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Das Problem ist aber, dass uns eingeredet wird, dass wi alle MEHR Stunden pro Woche arbeiten müssen und LÄNGER auf unserer Rente warten sollen und WENIGER Urlaub nehmen usw.


    Wie ausgerechnet dadurch die Zahl der Arbeitslosen abnehmen soll, dass diejenigen die Arbeit haben sich gegenseitig ausstechen, verstehe ich nicht ganz.


    Zitat

    Original von Merlin
    Stimmt genau! Rabat. Ist das nicht schon ein Contradicio? So ein Schwachsinn!


    Außerdem verlieren wir mit der Globalisierung doch noch mehr Arbeitsstellen. Deutschland hat für viele Firmen keine guten Standortfaktoren zu bieten. Z.B. gibt es mehr als genug qualifizierte Arbeitskräfte, aber nicht genug BILLIGE Arbeitskräfte.


    Auch hier muß ich widersprechen.


    In einer Volkswirtschaft ist die "Menge an vorhandener Arbeit" keine fixe Größe, sondern sie hängt extrem stark von vielen Randbedingungen ab. Arbeitszeitverkürzungen hat es in der Vergangenheit in Deutschland ja sehr viele gegeben - und jedesmal ist die Arbeitslosigkeit danach angestiegen. Auch bei Arbeit gilt ein ganz wichtiges Grundprinzip: der Preis beeinflußt Angebot und Nachfrage. In Deutschland ist Arbeit extrem teuer - hohe Löhne (die wünschenswert sind) kombiniert mit sehr hohen Lohnnebenkosten.


    Das Senken der Kosten für Arbeit führt zu mehr Arbeitsplätzen - die Mechanismen könnte ich bei Bedarf auch gerne etwas detaillierter erläutern. Arbeitszeitverkürzung bei konstantem Lohn erhöht aber den Preis der Arbeit, und Preissteigerungen erhöhen nicht die Nachfrage!


    Ein Senken der Löhne würde zwar den Preis für Arbeit senken, hätte aber negative Auswirkungen auf die Binnennachfrage - rein volkswirtschaftlich wäre das schon zweischneidig. Außerdem würden sich sinkende Löhne unmittelbar negativ auf unseren Wohlstand auswirken - das kann nicht das Ziel sein.


    Eine Erhöhung der Arbeitszeit (sei es über Wochenarbeitszeit oder Jahresurlaub) bei unverändertem Lohn aber senkt den Preis für Arbeit, ohne Binnennachfrage und Wohlstand negativ zu beeinflussen.



    Deutschland hat übrigens eine Menge exzellenter Standortfaktoren. Einer davon ist die hohe Qualifikation der gut ausgebildeten Menschen.


    >>Z.B. gibt es mehr als genug qualifizierte Arbeitskräfte, aber nicht genug BILLIGE Arbeitskräfte.<<


    Diese Aussage ist genau falsch. Wir haben zu viele billige (= schlecht ausgebildete) Arbeitskräfte, für die keine Nachfrage besteht, weil ihre Arbeit in Deutschland zu teuer ist. Niedrigqualifizierte Arbeiter haben in Deutschland oft keine Chance, durch ihre Arbeit ihre Lohnkosten zu erwirtschaften. Was wir in Deutschland brauchen, sind möglichst hoch qualifizierte Arbeitskräfte, die das hohe Lohnniveau rechtfertigen!

  • Oh Obelix, du liest dich wie dein Namensvetter, als er in die Produktion einstieg und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge erklären sollte. :lache
    Die Senkung der Lohnnebenkosten, und deren gab es in der letzten Zeit schon einige, brachte bisher noch keinen einzigen Arbeitsplatz. Ebensowenig brachten steuerliche Erleichterungen solche Arbeitsplätze. Aber etwas anders passierte, das genau weitere Stellen vernichtete, nämlich die Verunsicherung des Verbrauchers und die Einkommensverringerung.
    Wenn mehr als 5 Mio Menschen plötzlich mit nur 4,25 Euro pro Tag wirtschaften müssen, dann darf sich niemand mehr beschweren, wenn kein Geld mehr in den Läden bleibt. Einfache Formel: Kein Geld> kein Konsum> kein Wirtschaftsleben! Und nicht nur das Geld der Arbeitslosen fehlt, die anderen bunkern ihr sauer Verdientes, sofern bei den gestiegenen Belastungen noch etwas überbleibt, um in den zu erwartenden Notzeiten wenigstens was zum Überbrücken zu haben. Eigentlich eine logische und vorausschauende Verhaltensweise.
    Übrigens, nicht nur die "einfachen" Arbeiter stehen heute zuhauf auf der Straße, der Trend hat sich längst auch auf die akademischen Berufsgruppen ausgeweitet. Deine ganzen Aussagen klingen mir eher nach einem politischen Statement denn den tatsächlichen Abläufen im Lande.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Demosthenes
    Oh Obelix, du liest dich wie dein Namensvetter, als er in die Produktion einstieg und betriebswirtschaftliche Zusammenhänge erklären sollte. :lache


    Daumen rauf! Du wirst mir ja noch sympathisch! :grin

  • Zitat

    Original von Rabarat
    Daumen rauf! Du wirst mir ja noch sympathisch! :grin


    Das würde ich allerdings im Kopf nicht aushalten. :lache

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Zitat

    Original von Ines als Gast
    @Demo


    ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, in Deutschland von "Notzeiten" zu sprechen.


    Erzähl das einem Hartz IV-Empfänger, der gerade sein Umfeld verloren hat, in einem Ghetto für Arbeitslose haust und von täglich 4,25 Euro vegetieren muß.

    Demosthenes :write
    Aus dem Klang eines Gefäßes kann man entnehmen, ob es einen Riß hat oder nicht. Genauso erweist sich aus den Reden der Menschen, ob sie weise oder dumm sind.

  • Hallo, Ines.


    Zitat

    ich glaube nicht, dass wir das Recht haben, in Deutschland von "Notzeiten" zu sprechen


    Wenn Du damit meinst, daß es "echte" Not nur dann gibt, wenn man - wenn überhaupt - verschimmelte Lebensmittel essen muß, jederzeit Gefahr läuft, von einem Schergen der Regierung vergewaltigt/exekutiert/inhaftiert zu werden, seine Meinung nicht sagen darf, ohne Behandlungsmöglichkeit mit einer Krankheit dahinsiecht, bereits mit HIV geboren wurde, jede Nacht vom eigenen Vater/Bruder/Onkel mißbraucht wird - dann würde ich auch sagen: Von Notzeiten darf nicht gesprochen werden, wenn damit die wirtschaftliche Situation in Deutschland gemeint ist. Aber Not bedeutet auch: Schlechter als zuvor. Und: Ich habe keine Möglichkeit. Mir sind alle Chancen genommen. Ich sterbe nicht, ich hungere nicht, ich werde nicht verfolgt, und im Krankheitsfall wird sich jemand um mich kümmern. Aber damit hat es sich auch. Diese Art von Not greift derzeit verstärkt um sich. Perspektiv- und Chancenlosigkeit ist ein Notzustand.

  • Tom ,


    ja, da gebe ich dir in jedem Punkt Recht. Die Entwürdigung und den Verlust der Selbstachtung eines Hartz IV-Empfängerns ist eine große Not. Keine Frage. Aber darüber habe ich mich schon ein paar Seiten weiter vorn ausgiebig ausgelassen.


    Ich meinte jedoch nur die materielle Seite, die Absicherung der existentiellsten monetären Bedürfnisse, dazu ärztliche Behandlung, Schulbesuch usw.


    Warum hat eigentlich bisher noch kein deutscher Autor darüber geschrieben? Oder habe ich es nur nicht mitbekommen.