"Bis zur letzten Stunde" von Traudl Junge

  • Hitlers Sekretärin, Traudl Junge, erzählt ihr Leben.


    Traudl Junge war 22 und träumte von einer Karriere als Tänzerin, als die große "Chance" kam: Adolf Hitler stellt sie als Sekretärin ein. Von 1942 bis zu seinem Tod war sie an seiner Seite, tippte Reden, Briefe und zuletzt sein "politisches Testament".
    Nach Kriegsende wird sie sich der Verbrechen des Regimes bewußt und schreibt 1947 ihre Erinnerungen nieder, getrieben von der Frage, wie sie so naiv sein konnte.


    Andre Heller hat übrigens eine 90minütige Doku daraus gemacht, die auch schon mehrmals im Fernsehen lief.


    Ich habe diese Autobiographie in einem Rutsch weggelesen. Besonders angenehm fand ich, daß sie sich nie verteidigt oder so tut, als hätte sie nie was geahnt. Während ihrer Tätigkeit hat sie vielleicht zu sehr in diesem Zentrum der Macht gelebt, so daß sich mit dem nötigen Abstand die schreckliche Realität erst nach und nach offenbart hat.


    Sehr lesenswert!!
    Grade als TB erschienen.

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Fritzi ()

  • Um dieses Buch schleiche ich schon lange herum!


    Da es nun als TB erhältlich ist, wurde die broschierte Ausgabe reduziert!


    *hab's schon auf meinen Amazon-Wunschzettel gesetzt*

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich setze das einfach mal hier ins Topic rein, weil es auch irgendwie zum Thema dazugehört!


    Hier die Amazon-Kurzbeschreibung:
    Traudl Junge, geboren 1920, war von Herbst 1942 bis zum Zusammenbruch der Nazi-Herrschaft die Privatsekretärin von Adolf Hitler. Sie arbeitete mit ihm in der Wolfsschanze, auf dem Obersalzberg, im Sonderzug und zuletzt im Führerbunker der eingekesselten Hauptstadt. Sie war es auch, der Hitler sein Testament diktierte. Für den gleichnahmigen Film, der 2002 uraufgeführt wurde, sprach sie mit Andre Heller über ihr sehr spezifisches Leben. Das Hörbuch basiert auf der Tonspur des Films. Eine bewegende Dokumentation, in der sich Traudl Junge den Alpdruck ihres Lebens von der Seele redet, ohne sich hinter Rechtfertigungen zu verstecken.


    Ich kenne diese CD leider nicht, sie hört sich aber sehr, sehr interessant an und ist soeben zu einem weiteren Posten auf meinem wohl an die 100 Posten umfassenden Amazon-Wunschzettel geworden.


    Kennt jemand die CD und kann was dazu sagen?


    Fritzi, wäre die CD vielleicht auch was für Dich (auch wenn es eine CD ist ;))?

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • @ BatCat :
    Danke, daß Du die ISBN noch nachgetragen hast... is irgendwie bei mir durchgeflutscht....



    Und Danke für den CD-Tip ! Kann man sich mal wünschen ! ;)

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • So schnell kann's gehen... also, gestern abend habe ich nun das Buch gelesen. Sehr fesselnd, sehr interessant - auch wenn ich mich ständig gefragt habe, wieviel sie denn nun wirklich geahnt hat.


    Denn bei aller Jugend, politischem Unwissen und bei aller isoliertheit im Umkreis des Führers kann ich mir dennoch nicht vorstellen, daß sie bis kurz vor dem Ende wirklich das ahnungslose Lämmchen war, als das sie sich beschreibt.


    Andererseits denke ich mir, gerade im Umfeld des Führers wird eine gewisse Vogel Strauß-Haltung gesund für den eigenen Job und sein Leben gewese sein.


    Schwierig, schwierig... Schuld an den Verbrechen des Führers hat sie nicht, sie war ja nur seine Privatsekretärin und ein viel zu kleines Licht (sie wurde ja auch nur als Mitläuferin verurteilt). Mit der moralischen Schuld mußte sie aber zeitlebens selbst fertig werden. Eigentlich ein verdorbenes Leben...


    Gutes Buch!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Ich habe das Buch gleich nach Erscheinen kaufen müssen ... als 1960er-Jahrgang bin ich schulseitig NS-Zeit-gepeinigt, da interessiert einen das Thema.
    Werde mir auch den Film Der Untergang "antun", der auch auf Traudl Junges Erinnerungen beruht.


    Ich bin der Überzeugung: Solange wir Hitler als "Monstrum" und "einmaliges" oder gar "typisch deutsches Phänomen" ansehen, wird es aus aller Welt schreckliche Greuel zu berichten geben.
    Schier unglaublich und dennoch vollkommen logisch, daß dieser Mensch ein überzeugter Vegetarier war, der sich davor graute, was man Tieren in Schlachthöfen antat ....

  • Zitat

    Original von Iris
    Ich habe das Buch gleich nach Erscheinen kaufen müssen ... als 1960er-Jahrgang bin ich schulseitig NS-Zeit-gepeinigt, da interessiert einen das Thema.
    Werde mir auch den Film Der Untergang "antun", der auch auf Traudl Junges Erinnerungen beruht.


    Da ich den Film-thread nicht verfolge (weil ich den erst lese, wenn ich den Film selber gesehen habe) , hier mal meine Frage: hast Du den Film schon gesehen ?

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Zitat

    Original von Fritzi
    Da ich den Film-thread nicht verfolge (weil ich den erst lese, wenn ich den Film selber gesehen habe) , hier mal meine Frage: hast Du den Film schon gesehen ?


    Klar, die Rezi stammt schließlich von mir. :grin
    Ich finde ihn überaus sehenswert -- aber es ist schwere Kost. Nicht wegen gezeigter Greuel, sondern weil hier bildlich umgesetzt wird, was Traudl Junge berichtete und was (nicht nur, aber vor allem) Joachim Fest und Sebastian Haffner in ihren Büchern schrieben.


    Diese andere, stark verarbeite Sichtweise tut meiner Ansicht nach richtig gut. Es wird keine Schuldzuweisung praktiziert, keine Kollektivschuld verkündet, nicht pauschalisiert, sondern messerscharf dokumentiert ...

  • hat mich dieses buch.
    ich würde es vom informationsgehalt her in eine reihe stellen wollen mit greens "holocaust", uris`"exodus" und forsyths "akte ODESSA".
    jedes auf seine art zeigt mE sehr gut, was damals geschah und wie manches hat geschehen können, wie man schuldig werden konnte oder nichts sehen wollen konnte...
    den film habe ich noch nicht gesehen.
    ich geh nicht gern ins kino:-)

  • Ich lese das Buch auch gerade und es gefällt mir total gut. Hab ich mir vor 2 Jahren glaube ich mal gekauft.
    Kann auch nur wieder bestätigen, dass es sehr fesselnd ist. Bin gerade beim Kapitel "In der Wolfsschanze".
    Es bewegt mich schon ein wenig, wie beschrieben wird, wie Adolf Hitler mit den Sekretärinnen und besonders mit Traudl Junge umgegangen ist, man könnte echt meinen, in seinem Inneren ist eine große Leere und er sehnte sich irgendwie auch nach menschlicher Zuneigung - so in etwas würde ich es beschreiben.


    Lese gleich wieder weiter. :wave

  • das Buch habe ich auch gelesen - eine ganze Weile, bevor der Film in die Kinos kam aber dennoch gut genug um zwischen Film und Buch vergleichen zu können. Wie so oft, sagt mir das Buch noch mehr zu (obwohl der Film m.E. großartig und absolut sehenswert ist). Dadurch, dass ich für das Buch eben doch länger brauchte, als für den Film, hatte ich mehr Gelegenheit, über das Gelesene nachzudenken.


    Mich hat vor allem fasziniert, wie naiv Traudl doch war - aber sehr glaubwürdig naiv. Oft frage ich mich, haben die Menschen es wirklich nicht gewusst oder nicht wahr haben wollen? Ihr nehme ich es ab!

  • Habe das Buch jetzt ausgelesen.
    Es hat mir sehr sehr gut gefallen!


    Am Anfang wie gesagt habe ich noch gedacht, dass Hitler ja eine sehr nette, ich sage sogar "liebenswürde" Person war. In meinen Augen echt gar nicht vorstellbar, nach allem, was ich bisher über ihn gehört, gelesen und gesehen habe. Wie der nette Nachbar, Kollege, Freund, den man sich so vorstellt.
    Dies ist bisher das einzige Buch für mich, das ihn von einer ganz anderen Perspektive erscheinen lässt.
    Und doch wendet sich das Blatt allmählich nach den ersten 120 Seiten. Das hat mich dann schon geschockt aber es war auch sehr interessant und ich habe noch ein wenig mehr über diese Person erfahren.
    Das er sich als ein "Genie" bezeichnet hat, unglaublich. Was hat Hitler eigentlich in seinem Tiefsten gedacht? Er wusste sicherlich, dass er nicht korrekt handelt aber er war fest von sich überzeugt und von seinem Tun.
    Seine Persönlichkeit möchte ich in einem Zitat aus diesem Buch noch einmal wiedergeben:
    "Ich wäre kein guter Familienvater, und ich halt es für verantwortungslos, eine Familie zu gründen, wenn ich mich meiner Frau nicht in genügendem Maße widmen kann. Außerdem möchte ich keine eigenen Kinder. Ich finde, die Nachkommen von Genies haben es meist sehr schwer in der Welt. Man erwartet von ihnen das gleiche Format wie das des berühmten Vorfahren und verzeiht ihnen den Durchschnitt nicht. Außerdem werden es meist Kretins."


    Beim Lesen dieses Abschnitts konnte ich nur mit dem Kopf schütteln.


    Er hat auch nicht viel oder gar nichts von der Kirche gehalten. Das wird besonders deutlich durch folgendes Zitat (auch aus diesem Buch), dass ich hier unbedingt erwähnen möchte:
    "Die Wissenschaft ist sich nicht darüber im Klaren, aus welcher Wurzel das Geschlecht der Menschen entspringt. Wir sind wohl das höchste Entwicklungsstadium irgendeines Säugetieres, das sich vom Reptil zum Säugetier, vielleicht über den Affen zum Menschen entwickelt hat. Wir sind ein Glied der Schöpfung und Kinder der Natur, und für uns gelten die gleichen Gesetze wie für alle Lebewesen. Und in der Natur herrscht das Gesetz des Kampfes von Anfang an. Alles Lebensunfähige und alles Schwache wird ausgemerzt. Erst der Mensch und vor allem die Kirche haben sich zum Ziel gesetzt, gerade das Schwache, das Lebensuntüchtige und Minderwertige künstlich am Leben zu erhalten".


    Hier wird das besonders deutlich meiner Meinung nach, dass Adolf Hitler sehr bestrebt war, alles, was nicht rein und arig ist, wie z.B. die Juden auszurotten.
    Jetzt habe ich alles verstanden, den Sinn seines Handels (bzw. einen wirklich Sinn gibt es da wohl nicht ;-) )



    Und Traudl Junge als Sekretärin Hitlers wird sicherlich nicht sonderlich viel von den Fassaden mitbekommen haben, das glaube ich ihr auch. Aber ein wenig absurd ist es schon finde ich, dass sie sozusagen mehr seine "Gesellschaftsdame" war, denn es gab ja größtenteils weniger zu "Schreiben" und sie haben mehr beieinander gesessen um Essen und zum Tee.


    Das Buch ist sehr schön geschrieben. Ich kann Traudl Junges Ängste und Depressionen auch jahrelang nach ihrem Dienst in der Reichskanzlei sehr gut verstehen. Sie konnte bestimmt mit diesem Buch etwas von ihrem Leben "abschütteln" und ich bin froh, dass wir jetzt dieses Werk lesen dürfen.

  • Das Buch habe ich nicht gelesen, aber ich stelle mal eine Rezi von mir zu dem Film (bzw. der CD) hier rein:


    André Hellers Film „Im toten Winkel“, ein 90minütiges dokumentarisches Interview mit Hitlers Privatsekretärin Traudl Junge, die von den letzten Kriegstagen im Führerbunker erzählt, berührt nicht.
    Er trifft einen wie ein unvermittelter Schlag in die Magengrube.


    Hineingeraten war Traudl Junge in den innersten Kreis der Naziführung durch ein bisschen Naivität. Weil sie Hitler nicht als brüllenden Mörder erlebte, sondern als „freundlicher, älterer Herr“ mit sanfter Stimme in einer harmlos-friedlichen Atmosphäre. Der seinem Hund Kunststücke beibringt, über Blähungen klagt, der seine Knie hässlich findet und Blumen in seinem Arbeitszimmer nicht erträgt, weil er „keine Toten“ um sich haben will. Sie sucht väterliche Zuwendung bei ihm. Reflektiert ihre Erziehung des sich Fügens und Opfer Bringens als junges Mädchen. Hitler wurde zu einer Art Ersatzvater für sie.


    Was sie an der Quelle der Information, und doch im toten Winkel erlebte? Über Juden sei nie geredet worden, prekäre Themen wurden tabuisiert: “Hitler hat nie eine zerstörte Stadt gesehen.“ Ein wahnwitziger Versuch die Illusion einer Normalität aufrecht zu erhalten bis zuletzt.


    Der Film dokumentiert die unglaubliche Banalität des Bösen. Hitler als erbärmliche kleinbürgerliche Figur. Genau das ist das erschütternde an diesem Film: Das Böse ist nicht dämonisch und plakativ. Traudl Junge erzählt: „Nie hatte ich das Gefühl, dass er bewusst verbrecherische Ziele verfolgt, für ihn waren das Ideale“, “abstraktes Gebilde, der einzelne Mensch hat bei Hitler nie eine Rolle gespielt.“
    Junge habe ihr Bild von Hitler nicht zerstören wollen: „Er war ein Verbrecher, ich habs nur nicht gemerkt.“ und versucht sich zu rechtfertigen: „Aber es waren ja Millionen, die es nicht gesehen haben“.


    Wie erkennt man das Böse?


    Es verstört mich immer wieder zutiefst, was Menschen glauben, wenn sie es glauben wollen, und was Menschen nicht sehen, wenn sie es nicht sehen wollen, und wie leicht sie zu manipulieren sind.
    Sie glauben zum Beispiel an die Illusion mit Krieg Frieden zu schaffen. Auf allen Kanälen bietet man Todesangst als Entertainment, die Freude am gequälten Mensch.
    Wenn wir die Welt täglich erfolgreich zerstören und Menschen verhungern lassen, die nicht verhungern müssten bei einer gerechteren Verteilung der Ressourcen, oder, sagen wir mal, einer geringfügigen Verringerung der weltweiten Rüstungsausgaben, können wir nachher nicht mal sagen, wir hätten es nicht gewusst.
    Vielleicht passiert das Böse ja weniger aus Überzeugung als aus Feigheit und Bequemlichkeit.


    Und wie schafft man das Gute?
    Vielleicht indem man sich engagiert. Wie Heller das tut mit diesem Film und in politischen Aktionen und Texten gegen Haider zum Beispiel.
    Und für das, woran er glaubt. Um die Menschen ein bisschen mehr mit sich selbst zu versöhnen.
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