Die Misshandlung der Frau im (Fantasy)Roman

  • Es gibt Autoren, die schaffen es, dass ich rot glühende Augen und Dampf in den Ohren bekomme und den Wunsch hege, Bücher gegen Wände zu schmeißen. Bis hierhin: Diese Autoren hat sicherlich jeder. Was mir aufstößt, ist die von Männern ausgeübte Misshandlung von Frauen in Romanen.


    An dieser Stelle kommt meist das Argument mit dem Realitätsanspruch: Das war im Mittelalter so, daher gehört es in historische Romane. Das ist heute so, daher gehört es in zeitgenössische Romane. Okay ... ist ein Totschlagargument, dazu gab es auch schon die ein oder andere Diskussion.


    Aber wo mein Verständnis absolut und vollkommen aufhört, ist bei Fantasy. Wieso, bitte, fühlen sich - meiner Empfindung nach besonders männliche - Autoren in fantastischen Werken genötigt, in denen sie jede Möglichkeit hätten, andere Strukturen aufzubauen, die Frauen dennoch im Allgemeinen zum Opfer zu machen?


    Entweder haben die Frauen von Anfang an wenig in den Welten zu melden, oder sie werden als erstes körperlich angegriffen, sobald irgendwelche Hierarchien zusammenbrechen. Sicherlich, für klassische Fantasy wird meist ein mittelalterliches Setting gewählt, aber das kann doch nicht das Hauptargument dafür sein, Frauen Hochzeiten aufzuzwingen und sie zu schlagen, wenn sie den Mund auftun. Ach ja, und als "Miststück" und "Hure" werden die Frauen in diesen Romanen auch gerne von jedem dritten Mann bezeichnet, besonders dann, wenn sie zu denen gehören, die sich mal wehren. Aber oft auch gerne ohne jeden Grund, einfach nur, weil sie weiblich sind.


    Umgekehrt wäre mir nicht bewusst, dass sich die Frauen in den Romanen so oft abfällig über das andere Geschlecht äußern. Oder dass es mal die Jungs sind, die von den Männern vergewaltigt werden. Nein, darüber schreiben die männlichen Autoren nicht so gerne, wie mir scheint.


    Was sagt mir das? Ist die Phantasie zu begrenzt? Gefällt es den Männern, Frauen schwach darzustellen? Oder soll es die Realität sein, dass Frauen für Männer im Durchschnitt nur etwas zum Draufsteigen und Essen kochen sind, wenn man ihnen gesellschaftlich die Wahl gibt, ganz egal, in welchem Universum? Es kann Drachen geben, Orks, Magie, Unsterbliche ... aber keine Welt, in der die Geschlechter körperlich auf einer Ebene stehen? Oder sich mehr Frauen zu wehren wissen?



    Durch die Diskussion wurde die Erstellung einer Bücherliste für Romane angeregt, in denen es positive, gleichberechtigte Rollenbilder für Frauen gibt.
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    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

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  • Kann mich nicht erinnern in "Herr der Ringe" viel davon gelesen zu haben. :gruebel


    Aber das liegt sicher daran, dass Männer eher ein schwaches Ego haben und sich dann die Frauen nehmen, quälen, niedermachen um stärker zu wirken.


    Du hast recht, in Fantasyromanen könnte das gut mal andersrum sein oder zumindest die Geschlechter sich gegenseitig respektieren ohne sie zu unterjochen.

  • Sehr schwierige Frage, JASS.


    Einem widerspreche ich gleich: auch im Mittelalter war es nicht rundum und immer üblich, dass Frauen misshandelt wurden. Das ist grundfalsch und zeigt nur, daß Wissen über das Mittelater tatsächlich kaum verbreitet ist.
    Das ist ein Bild, das den Leserinnen eingeprägt wurde.
    Die Realität sah anders aus, sie war weit differenzierter.


    Fantasy ist ein interessantes Feld. Es ist, könnte man argumentieren, die Welt unserer Träume. Bloß sind Träume häufiger ein Spegel des Gegebenen und viel seltener ein Weg zu Veränderung.
    In Fantasy-Romanen sind die Frauenrollen genauso eingeschränkt, wie sie in der Realität sind.
    Die Männerrollen sind genauso festgelegt.
    Das eine bedingt das andere.


    Fantasy ist ein äußerst konservatives Genre. Die Welt mag bunt ausgemalt sein, aber das Denken dahinter ist spießig. Das ist ein strukturelles Problem.


    Findus


    In 'Herr der Ringe' kommen nahezu keine Frauen vor. Und wenn, sind sie unglücklich Liebende oder unberührbar mächtige Zauberinnen oder dralle Bauersfrauen, die viele, viele Kinder bekommen. Dazu gibt es noch eine zänkische Alte.


    Wie ich oben sagte: es ist ein strukturelles Problem.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von Findus


    Aber das liegt sicher daran, dass Männer eher ein schwaches Ego haben und sich dann die Frauen nehmen, quälen, niedermachen um stärker zu wirken.



    So sollte sich mal ein Mann über Frauen äußern - man kann sicher sein, dass würde sofort die vereinigten Emanzenheere auf den Plan rufen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Gerade im Fantasybereich gibt es aber auch das andere Extrem, Stichwort Amazonen. Prickelnd finde ich beide Varianten nicht.
    Besonders nervend finde ich die Bücher, in denen die "bessere" Gesellschaft die Gleichberechtigung praktizieren darf und das "einfache Volk" die Mädels an Herd und Putzzeug stellt, zu finden sehr deutlich z. B. bei Zimmer-Bradley und McCaffrey.
    Beides weibliche Autoren, die meiner Meinung nach besser die Chance genutzt hätten zu zeigen, dass es auch anders ginge.

  • JASS


    was mir noch eingefallen ist:


    in aktuellen Heft von 'Federwelt' gibt es einen Artikel von Susanne Pavlovic genau zu dem Themenbreich, Titel: Geschlechterrollen in der Fantasy.
    Der ist recht aufschlußreich, es werden auch Reihen wie die von G.R.R. Martin unter dem Aspekt betrachtet. Er ist allerdings nur kurz, gibt aber einige Denkanstöße.
    Offenbar tut sich in dem Punkt so langsam etwas.



    :wave


    magali

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Hallo, Magali.


    Zitat

    Fantasy ist ein äußerst konservatives Genre. Die Welt mag bunt ausgemalt sein, aber das Denken dahinter ist spießig. Das ist ein strukturelles Problem.


    Gut gesagt. Dass es Ausnahmen gibt, bestätigt diese Regel nur.


    Und sie gilt - vielleicht sogar noch in stärkerem Umfang - eben auch für die so genannten "historischen Romane". Da kommt zur klebrigen Spießigkeit auch noch falsch verstandene Nostalgie hinzu.


    Besonders ärgerlich finde ich allerdings so manch ein "freche, starke Frauen"-Buch. Man wird zunächst mit weiblichen Figuren konfrontiert, die sich durchzusetzen wissen und sogar die Rollenmuster erfolgreich durchbrechen, aber letztlich geht es trotzdem nur darum, den Kerl zu kriegen, wodurch die vermeintliche Rebellion zur Episode wird. :uebel


    Gut, man muss das Zeug ja nicht lesen.

  • Zitat

    Original von Tom


    Besonders ärgerlich finde ich allerdings so manch ein "freche, starke Frauen"-Buch. Man wird zunächst mit weiblichen Figuren konfrontiert, die sich durchzusetzen wissen und sogar die Rollenmuster erfolgreich durchbrechen, aber letztlich geht es trotzdem nur darum, den Kerl zu kriegen, wodurch die vermeintliche Rebellion zur Episode wird. :uebel


    Gut, man muss das Zeug ja nicht lesen.


    Und das nciht nur im Buch auch im TV wird man damit zugeballert, gut dass ich weder das eine lese noch dasn andre sehe. Ist mir zu einfach gestirckt und ebenso unwahrscheinlich.

  • Interessant, dass du grad heute diesen Thread erstellt hast.
    Just heute habe ich mich genau darüber geärgert.


    In meiner aktuellen Lektüre haben die Frauen auch nicht viel zu sagen. Zumindest ist das bis zur jetzigen Seite so.


    Da wird ein 13jähriges Mädchen mit einem fremden älteren Mann verheiratet. Das das nicht freiwillig geschieht ist ja wohl klar.
    Das es dieses im realen Leben auch so gibt lasse ich hier als Argument nicht gelten, zumindest nicht in einem Fantasy Roman.


    Da stürzen sich Horden von Männern auf wehrlose Frauen und missbrauchen sie.
    In meinen Augen wäre das für die weitere Handlung nicht notwendig gewesen.
    Wozu also schreibt der Autor diese Szenen? Wollen die Leser das wirklich so haben?

  • Tilia Salix


    ein Beispiel wäre die 'Black Prism'-Reihe von Brent Weeks.
    Das ist eine tolle Story in einem atemberaubenden Setting. Aber wenn es um Frauen geht, fällt dem Autor vornehmlich Sex ein. Obwohl es Frauen in hohen militärischen Rängen gibt.
    Auch 'starke' Frauen werden als Anziehpüppchen mißbraucht.


    Selbst Richard K. Morgan in seinen Büchern um Ringil Eskiath hat massenweise Szenen, in denen Frauen bloße Objekte sind. Das wird breit auisgemalt, obwohl Morgans Geschichte de facto mit einem großen, großen Tabu des genres bricht. Sein Held ist nämlich schwul. Die zweite Protagonistin ist lesbisch.
    Tatsächlich ist das Buch mit der Konstellation geradezu avantgardistisch.
    Sieht man genau hin, ist es rundum konservativ.


    Im Jugendbuchbereich hat mich 'Die Flammende' von Cashore im Wortsinn mit offenem Mund dastehen lassen, was Mißhandlungen von Frauen dasteht. Inzest war auch darunter. Die Heldin hat vor allem geheult.
    Gruselig.


    Ich lese grad 'Jhereg' von Steven Brunst. Da sind Mißhandlungen von Frauen kein Thema. Brunst bemüht sich auch stark um einen grundsätzlich anderen Weltenentwurf.
    Trotzdem gerät er ein wenig ins Schwimmen bei der Beziehung zwiwchen seiner Hauptfigur und dessen Frau. Seine Vorstellung von der Beziehung innerhalb einer Ehe ist herkömmliche. Keine neue Welt, also.


    JASS' Ausgangsfrage ist ein wenig schief, weil sie Mißhandlungen, vornehmlich Vergewaltigungen in den Mittelpunkt rückt.
    Das Problem ist die Vorstellung von Frauenrollen grundsätzlich in solchen Romanen.
    Wie oft es so, daß die tollste Kriegerin plötzlich jeden Verstand verliert, bloß weil ein Typ auftaucht?


    Sabine_D


    ob das tatsächlich all die, die die Bücher kaufen, auch lesen wollen, bezweifle ich. Die Entscheidung, was verkauft wird, fällt anderswo. Wie man zur Entscheidung kommt, kann ich leider nicht sagen. Ich wundere mich nur.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • @ magali :grin Ich lese die falsche Fantasy. Von Brent Weeks kenne ich nur den ersten Band der Night Angel-Trilogie, und da sind irgendwie alle Opfer ...
    Die Flammende hat mich schon von der Beschreibung so wenig angesprochen, dass ich da die Finger von gelassen habe. Den Rest kenne ich nicht.


    Allerdings klingt es für mich so, als ginge diese einseitige Frauendarstellung einher mit einer Fokussierung auf Sexuelles - sprich der (strahlende) Held errettet das arme Püppchen, welches je nach (Autoren-?)Vorliebe durchaus eine starke Kämpferin sein darf und dann landen sie im Bett. Diese Entwicklung nervt mich allerdings grundsätzlich - es gibt kaum noch einen Thriller/Krimi/historischen Roman, in dem nicht irgendwelche für die Handlung vollkommen überflüssige sexuelle Handlungen ausführlich in wenig ansprechender Form beschrieben werden. Natürlich gehört Sex zum Leben dazu und ich geh ja auch nicht davon aus, dass die Figuren in den Romanen alle enthaltsam leben, aber herrje, ich geh doch auch davon aus, dass die mal auf's Klo gehen, ohne dass das in epischer Breite im Buch ausgeführt wird :rolleyes


    Was die Herren von Winterfell angeht, so bin ich da hin- und hergerissen; ich habe das Buch noch nicht durch und weiß daher nicht, wie sich der Handlungsfaden um die 13jährige entwickelt. Bisher hatte ich allerdings den Eindruck, dass die Szenen eher die Ausnahme und nicht die Regel darstellten.


  • ja aber gerade GRRM zeigt im weiteren Verlauf auch ganz andere und sehr unterschiedliche Frauenfiguren, die auf ganz verschiedenen Ebenen sehr stark sind.

  • Danke für eure Beispiele, magali und Andromeda. :wave GRRM ist bereits mehrfach gefallen, für mich ist auch Terry Goodkind (Das Schwert der Wahrheit) ein Kandidat, den ich auf diese Bank setze.



    Zitat

    Original von magali
    JASS' Ausgangsfrage ist ein wenig schief, weil sie Mißhandlungen, vornehmlich Vergewaltigungen in den Mittelpunkt rückt.
    Das Problem ist die Vorstellung von Frauenrollen grundsätzlich in solchen Romanen.
    Wie oft es so, daß die tollste Kriegerin plötzlich jeden Verstand verliert, bloß weil ein Typ auftaucht?


    Ich wollte auch gar nicht sagen, dass ich es für historisch korrekt halte, wie die Frauenbehandlung in historischen Romanen verarbeitet wird. Davon habe ich, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Ich habe einfach nur die Erfahrung gemacht, dass es in den entsprechenden Diskussionen oft das wichtigste Argument ist zu sagen: Die Zeiten waren für Frauen eben nicht nett.


    Habe ich die Vergewaltigungen so hervorgehoben? Tatsächlich stört mich die gesamte Behandlung: Die Frauen werden nicht ernst genommen, im Willen unterworfen, Zwangsverheiratet, sonst wie verschifft, und bei jeder Gelegenheit grob angefasst. Dazu die abfälligen verbalen Äußerungen. Starke These, aber: Vielleicht würde mich eine Vergewaltigungsszene an sich nicht so stören beim Lesen, wenn ansonsten, wie du es beschreibst, das ganze Rollenbild weniger frauenfeindlich wäre. Und wenn auch mal die Gewalt an Männern thematisiert werden würde, wenn es denn schon 'realistisch' zugehen soll. Denn ich würde ja noch mitgehen, wenn mir der Autor eine Welt präsentiert, die in ihrer Gesamtheit roh ist. Aber nur roh für Frauen? Doch offenbar sind wir bei der Misshandlung von Jungen und Männern bei einem Tabuthema (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel).


    Aber wieso ist Fantasy konservativ? Wieso ist das Denken dahinter spießig? Ist es für den Leser angenehmer, wenn nur die Welt, der Planet, andere Regeln hat und es andere Erfindungen gibt, die gesellschaftlichen Strukturen aber einen hohen Wiedererkennungswert haben?


    Zitat

    Original von Voltaire


    So sollte sich mal ein Mann über Frauen äußern - man kann sicher sein, dass würde sofort die vereinigten Emanzenheere auf den Plan rufen.


    Ich bin mir nicht sicher, ob die Bemerkung von Findus ernst gemeint war(?)


    Zitat

    Original von BelleMorte
    Momentan zermartere ich mir gerade das Hirn. Mir fallen gerade spontan eigentlich zig Gegenbeispiele ein oder zumindest Bücher, wo ich meine, dass sich alles irgendwo die Waage hält. :gruebel


    Ich höre auch gern etwas von den Gegenbeispielen. :wave


    Zitat

    Original von Moloko
    Ich scheine auch die falsche Sorte von Fantasy zu lesen. In meinen Büchern sind die Frauen meisten gleichberechtigt, wenn sie nicht sogar (durch spezielle Fähigkeiten bedingt) dominantere Positionen einnehmen. :gruebel


    Auch hier würde ich mich sehr über die Beispiele freuen. :wave


    Zu GRRM: Ich sage gar nicht, dass die Autoren in ihren Settings keine starken Frauen haben - aber in der Grundsache ist es eine von Männern dominierte Welt, in der die Frau offen wenig Rechte hat. Die Männer sind die Krieger, die Politiker, die Macher. Und sie sehen sich in vielen Fällen als das überlegendere Geschlecht an.


    Zitat

    Original von Tilia Salix
    Vielleicht lese ich die falsche Fantasy, aber so extrem ist mir das in den letzten Jahren eigentlich nicht mehr aufgefallen. David Eddings fand ich, was das Frauenbild angeht, immer katastrophal, aber der ist ja auch schon etwas her. Habt ihr mal ein paar aktuelle Beispiele?


    Ich glaube, die meisten Reihen, die ich bisher gelesen habe, wurden von den Autoren schon vor ein paar Jahren geschrieben oder zumindest begonnen. :gruebel Glaubst du, ich hinke mit der Lektüre einfach 1-2 Jahrzehnte hinterher?

    Es ist erst dann ein Problem, wenn eine Tasse heißer Tee nicht mehr hilft. :fruehstueck

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