Mr. Lamb - Bonnie Nadzam

  • Mr. Lamb - Bonnie Nadzam


    dtv 2014
    Titel der amerikanischen Originalausgabe: Lamb
    Übersetzt von Susanne Höbel
    239 Seiten


    Inhaltsangabe des Verlags
    Ein älteres halbwüchsiges Mädchen schikaniert ein jüngeres - sie solle den Alten da vorn doch mal um ein paar Zigaretten anschnorren. Tommie hat Sommersprossen und trägt falsche Wimpern, und als Lamb ihr, statt die Zigaretten rauszurücken, ein gefaktes Kidnapping vorschlägt, um diesen Gören mal ein bisschen einzuheizen, willigt sie ein. Dass sie sich wiedersehen, ist zunächst Zufall. Bald aber redet Lamb, ausgelaugt und einsam wie er ist, sich ein, er könne Tommie eine andere Vorstellung vom Leben nahebringen, indem er ihr die Schönheit und Erhabenheit der Wildnis in den Rocky Mountains zeigt. Ein Akt der Mitmenschlichkeit, der schließlich auch ihn selbst heilen könnte? Tommie, schwankend zwischen Vertrauen und Verletzlichkeit, fühlt sich angezogen von Lambs fragwürdiger Zuwendung: eine Dynamik von Anziehung und Bedürftigkeit, von Grenzüberschreitung und Manipulation entsteht ...


    Die Autorin
    „Lamb“ ist der erste veröffentlichte Roman von Bonnie Nadzam. Sie hat Literatur und Umweltwissenschaften studiert.


    Eigene Einschätzung
    David Lamb, ein Mann Mitte 50. Die Ehefrau hat ihn verlassen, gerade ist sein Vater gestorben. Seiner Freundin macht er vor, er sei noch verheiratet und müsse auf seine Frau Rücksicht nehmen.
    An einer Bushaltestelle wird er von einem Mädchen angesprochen. Sie soll ihn, als Mutprobe, um Zigaretten bitten. Ihre Freundinnen bleiben im Hintergrund, machen sich lustig über sie. Der Mann verwickelt das Mädchen in ein Gespräch, simuliert mit ihrem Einverständnis eine Entführung und bringt sie nach Hause.
    Am nächsten Tag kehrt er zu der Bushaltestelle zurück und trifft sie tatsächlich wieder. Tommie ist elf Jahre alt, klein, mager. Die Sachen, die sie anhat, passen ihr nicht. Er lädt sie zum Essen ein. Bringt sie wieder nach Hause.
    Nach mehreren Treffen schlägt Lamb dem Kind vor, ihr die Rocky Mountains zu zeigen. „Eine kleine geheimnisvolle Reise in deinem geheimnisvollen Leben.“ Das Mädchen stimmt zu und die beiden machen sich auf den Weg.
    Lamb verwöhnt das Kind, kauft ihr passende Kleidung, das Essen, das sie haben will. Er erzählt ihr von einem anderen Leben, von Abenteuern. Tommie fasst Vertrauen zu dem Mann. Erzählt aus ihrem Leben. Scheinbar richtet er sich nach ihren Wünschen, verspricht, ihr einen Flug nach Hause zu bezahlen, wenn sie zurück will. Immer deutlicher wird dabei, wie geschickt Mr. Lamb die kleine Tommie manipuliert. Sie dazu bringt, sich seinen Wünschen anzupassen.
    Zwischendurch Szenen wie aus dem Märchen. Der freundliche Mann, der dem kleinen Mädchen eine neue Welt zeigt, grandiose Natur und wie man darin zurechtkommt. Sie umsorgt und behütet wie ein liebevoller Onkel.
    Immer wieder erklärt er ihr, wie wichtig es ist, dass sie beide ehrlich zueinander sind. Dabei ist er es, der sie immer wieder belügt, ihr einen falschen Namen nennt.
    Beinahe unerträglich ist diese Spannung für die Leserin. Was für ein Spiel spielt dieser Mann? Was hat er tatsächlich vor? Weiß er es selbst?
    Die Sprache ist zeitweise wunderschön, fast poetisch. Beschreibt die unberührte Natur, die Einsamkeit. Eine echte Idylle. Wenig später taucht wieder die unterschwellige Angst auf. Wer ist dieser Mann wirklich? Mr. Lamb oder doch der Wolf im Schafspelz?


    Mir geht das Buch noch lange durch den Kopf. Die Szenen, die von der Freundschaft erzählen, zwischen einem Mann und einem Kind. Und die anderen, die verstörenden, die von einem Mann berichten, der seine Überlegenheit ausnutzt.
    Und ich bin und bleibe ambivalent, auch jetzt, nachdem ich das Ende kenne. Hin und hergerissen zwischen Faszination und Abscheu.