Bäume reisen nachts - Aude le Corff

  • Inhalt:


    „Manon geht zum Zimmer der Eltern. Sie öffnet die Tür, die über den weißen Teppich schabt, jeden Tag mit der Hoffnung, ihre Mutter zu sehen.“ (S. 8)


    Vor einigen Monaten hat Manons Mutter die Familie verlassen. Und nicht nur Manon, sondern auch ihr Vater Pierre leidet unglaublich unter dem Verlust. So sehr, dass er auch keine Kraft mehr hat, sich um seine achtjährige Tochter zu kümmern. Und so sitzt Manon jeden Tag allein unter der Birke im Garten, liest und spricht mit den Ameisen und Katzen.
    Dieses Bild rührt den etwas kauzigen, ehemaligen Lehrer Anatole, so dass er sich irgendwann zu ihr setzt und beginnt, ihr aus „Der kleine Prinz“ vorzulesen. Die gemeinsame Lesezeit wird zur Routine und Manon und Anatole zu Freunden.
    Und so ist es für Manon selbstverständlich, dass Anatole sie, ihren Vater und ihre Tante schließlich auf der Suche nach ihrer Mutter begleitet…


    Meine Meinung:


    „Er ist wie aus der Welt gefallen.“ (S. 13)


    Ich glaube, was mich an diesem Buch am meisten begeistert hat, ist seine Sprache. Mit wenigen Worten beschreibt die Autorin sehr eindrücklich die Traurigkeit von Pierre und die Einsamkeit und Unsicherheit von Manon.


    Es ist rührend mit anzusehen, wie sich zwischen Manon und Anatole erste vorsichtige Bande spannen, denn Anatole ist im Umgang mit anderen Menschen eher unbeholfen, weiß anfangs gar nicht, wie er mit der Nähe und Zuneigung von Manon umgehen soll.


    Wie ein roter Faden ziehen sich Vergleiche zu „Der kleine Prinz“ durch das Buch und obwohl ich die Geschichte nicht komplett kenne, hat mich das nie gestört. Ich finde, Aude Le Corff gibt immer genau so viel an Hintergrundinformationen, wie man braucht, um eben auch die kleinen Analogien zu verstehen.


    Ein möglicher Kritikpunkt ist sicherlich, dass sich die Autorin im Verlauf der Geschichte nicht nur auf Manon und Anatole oder auf die gemeinsame Suche nach ihrer Mutter konzentriert, sondern auch noch Themen mit einbezieht, die das Buch eigentlich etwas sprengen. Mich hat das vor allem irritiert, aber ich kann gut verstehen, wenn es andere Leser wirklich stört.


    Und doch ist es einfach eine sympathische, buntgemischte Truppe, die sich schließlich gemeinsam in ein Auto quetscht und die lange Reise von Frankreich nach Marokko antritt, um Manons Mutter zu finden. Mir hat es unheimlich Spaß gemacht, die vier auf dieser Reise zu begleiten, die für manche gleichzeitig eine Reise ein Stückchen mehr zu sich selbst ist. Einzig und allein der Schluss hat mir nicht wirklich gut gefallen, so dass ich doch nur sehr gute 7 von 10 Sternen vergeben mag.

  • Suhrkamp Insel Verlag


    Der Autor


    Aude Le Corff wurde 1977 in Tokio geboren und studierte Psychologie und Wirtschaft. 2009 begann sie ihr mit dem Prix ELLE ausgezeichnetes Blog „Nectar du Net“. Bäume reisen nachts ist ihr Debütroman. Aktuell lebt sie mir ihrer Familie im französischen Nantes.


    Bäume reisen nachts


    Manon fühlt sich einsam und allein. Seit ihre Mutter sie und ihren Vater verlassen hat, sitzt sie unter einer riesigen Birke im Garten. Ihr Vater Pierre kümmert sich um nichts mehr und verwahrlost zusehends. Sie sitzt unter dem Baum, wippt vor und zurück, liest Bücher und spricht mit den Ameisen. Der mürrische Rentner Anatole, der seit einigen Monaten ebenfalls in Manons Haus wohnt, beobachtet sie dabei und fühlt sich seltsam berührt. Eines Tages gesellt er sich zu ihr und beginnt ihr den „kleinen Prinzen“ vorzulesen. Manon blüht immer mehr auf. Als eines Tages Briefe von ihrer Mutter aus Marokko eintreffen, bricht Pierre zusammen mit seiner Tochter Hals über Kopf auf und macht sich auf eine abenteuerliche Reise quer durch Europa. Die Reisenden erleben jede Menge Höhen und Tiefen, während sie dem Ziel ihrer Reise immer näher kommen.


    Fazit


    Ein wahnsinnig emotionales und berührendes Buch, welches den Leser von der ersten Seite an in seinen Bann zieht. Manon und Anatole geben ein wunderbares Protagonistenpaar ab. Die ruhige und zutief traurige Manon, die ihre Freizeit nur noch mit Zangsneurosen, Büchern und Tieren verbringt und dabei darauf bedacht ist, ihrem Vater möglichst aus dem Weg zu gehen. Und Anatole, der den ganzen Tag mürrisch vor sich hinredet und keinen Sinn mehr für die Schönheiten des Lebens hat. Die beiden Nebendarsteller sind der verlassene Ehemann Pierre, der im Leben keinen Sinn mehr sieht, seit ihn seine Frau Anais in einer Nacht und Nebelaktion verlassen hat und Sophie, die Schwester von Anais. Zu viert geben sie ein ungleiches Quartett ab, welches sich nun auf eine Reise quer durch Europa macht. Jeder einzelne von ihnen ein Unikat auf seine Weise. Während sich Sophie und Pierre gegenseitig hochschaukeln und Manon den Kopf einzieht, wird Anatole immer mehr zum beruhigenden Mittelpunkt, der in jeder Situation einen kühlen Kopf bewahrt und die Gemüter immer wieder beruhigen kann.


    Der Schreib- und Erzählstil der Autorin ist sehr angenehm und lässt den Leser schnell ins Geschehen einsteigen. Schon ist man mittendrin in der zerütteten Gefühlswelt von Pierre und Manon. Die Reise quer durch Europa wird nicht nur von vielen amüsanten Situationen untermalt, sondern zeigt auch die Entwicklung von Manon und vor allem von Anatole, der immer mehr zu seiner früheren Jugend zurück findet.


    Ein toller Roman über die tiefe Freundschaft ungleicher Menschen, über Familie und den Mut eines kleinen Mädchens Träume in Wirklichkeit zu verwandeln. „Der Roman, der ganz Frankreich verzaubert hat“, hat auch mich verzaubert und wird sicherlich noch viele weitere Leser faszinieren. Ein wunderbarer Roman, der von mir 5 von 5 goldenen Büchern verdient hat.


    http://immer-mit-buch.blogspot…nachts-aude-le-corff.html

  • Trotz der Kürze der Geschichte, ist sie unerwartet tiefgründig. Bei so wenigen Seiten habe ich nie hohe Erwartungen an ein Buch, denn ich denke mir: Was kann auf den wenigen Seiten denn so supertolles passieren? Jeder Charakter war auf seine Art besonders und man wollte unbedingt wissen, wie es denjenigen ergeht. Das Buch ist leicht zu lesen und der Schreibstil hat mir gut gefallen. Meine Erwartungen (ich hatte keine) wurden somit auch übertroffen, denn der Autor hat so einige schöne Gedanken mit in das Buch eingebracht. Das Ende allerdings hat mir nicht optimal gefallen.