Kurzbeschreibung von amazon.de
»Gewissermaßen in Widerlegung des bekannten Wortes von Karl Kraus, daß ihm zu Hitler nichts mehr einfalle, legt der deutsch-britische Publizist Sebastian Haffner ein neues unorthodoxes Buch über den deutschen Diktator vor, in welchem der Autor demonstriert, daß man sehr wohl noch in ganz anderer Weise an das Hitler-Phänomen herangehen kann, als das in der Literaturflut der letzten Jahre geschehen ist.« Mit diesen Worten eröffnete die Neue Zürcher Zeitung ihren Kommentar zum Erscheinen des weithin aufsehenerregenden Hitler-Buches. Kaum ein herausragender Rezensent ließ es sich nehmen, den Band demonstrativ ausführlich zu besprechen. Monatelang führten die Anmerkungen des kenntnisreichen Außenseiters die Bestsellerlisten an. In sieben eigenständigen Kapiteln mit den Titeln 'Leben', 'Leistungen', 'Erfolge', 'Irrtümer', 'Fehler', 'Verbrechen' und 'Verrat' versucht der Autor, das Phänomen Hitler von verschiedenen Seiten, unter verschiedenen Aspekten und an verschiedenen Schlüsselstellen seiner Lebenskonstellation zu erhellen - einer Lebenskonstellation, die uns mit ihren abrupten Brüchen und Sprüngen und ihren politischen Erlösungs- und Rettungsmythen noch immer Rätsel aufgibt.
Rezension
Adolf Hitler ist und bleibt das historische Trauma der Deutschen. Der Mann aus Braunau am Inn, Österreicher, wegen geringer Führungsstärke im Ersten Weltkrieg nur Gefreiter, fasste den sprichwörtlich gewordenen Entschluss, Politiker zu werden, und stürzte erst Deutschland, dann Europa in tiefe Dunkelheit. Sein Name ist verbunden mit dem Massenmord an Europas Juden, Stinti und Roma, Homosexuellen, Andersdenkenden. Wie soll man sich einer solchen Figur historisch unbefangen nähern? Wie ihre Erfolge und Leistungen wertneutral herausstellen, ohne zu verurteilen? Sebastian Haffner hat diesen Versuch in seinem kurzen Buch von 1978 gestartet und er ist ihm gelungen.
Wissenschaftlich ist Haffners Buch teilweise natürlich überholt, teilweise hat er die Meinungsmehrheit der Geschichtswissenschaft gegen sich (bspw. bei der Frage, wann sich Hitlers mörderischer Antisemitismus entwickelte oder der Frage nach den Gründen für die Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten). Doch davon ab es ist beeindruckend, wie Haffner auch nur gut 200 Seiten ein dunkles Phänomen erklären kann. Unterteilt in Unterabschnitte – Leben, Leistungen, Erfolge, Irrtümer, Fehler, Verbrechen, Verrat – arbeitet der Autor die Person, den Politiker, den Verbrecher Hitler ab. Nähert sich meiner Distanz, die für deutsche Historiker ungewöhnlich ist, weil sie nichts von der erdrückenden Last spüren lässt, die die Deutschen nach wie vor mit ihrer menschgewordenen Katastrophe verbinden.
Haffners Stil ist schlicht, verständlich ohne platt zu wirken. Er nennt die Dinge beim Namen, ohne sich einer wissenschaftlichen Ausdrucksweise zu bedienen. Selbstverständlich kann man auf 200 Seiten kein Machwerk erwarten, dass sich mit den Details von Hitlers Leben beschäftigt – das will „Anmerkungen zu Hitler“ allerdings auch gar nicht. Auch aus diesem Grund ist der Leser mit Vorwissen definitiv im Vorteil – eine jedenfalls grobe Kenntnis von Hitlers Werdegang, seiner Umgebung und der NS-Zeit machen das Lesen einfacher. Doch auch für den unerfahrenen Leser sind die „Anmerkungen“ eine Empfehlung, weil sie knapp und präzise – wenn auch wissenschaftlich teilweise überholt – das Phänomen Hitler auf den Boden der Tatsachen stellt und beleuchtet.
8,5 von 10 Punkten