"Das Klassenbuch"

  • Geschichte einer Frauengeneration


    Im Jahre 1932, zum Zeitpunkt ihres Abiturs (in Erfurt), beginnt eine Mädchenklasse ein Tagebuch zu führen, in dem alle 15 Frauen der Reihe nach ihre Erlebnisse und Gedanken eintragen. Selbst durch die Kriegs- und Nachkriegsjahre hindurch halten sie dies aufrecht.
    Die letzte Eintragung ist vom Juli 1976, im Nachwort erfährt man allerdings, daß die Damen bis in die 80er Jahre hinein weitergeschrieben haben.


    Hier ist ein sehr persönliches Kaleidoskop vom Erleben deutscher Geschichte entstanden.
    Ich fand es irre interessant, vor allem die Frauen zu begleiten, die für damalige Verhältnisse eher untypische
    Lebenswege einschlugen, sei es beruflich oder privat. Aber auch die, die eher "normal" ihren Weg gingen, lassen uns hier an ihren jahrelangen Entwicklungen und Werdegängen teilhaben.


    Für alle, die auch grade jüngere Geschichte aus erster Hand nachlesen wollen.
    Auch sehr schön zum Verschenken an Mütter, Großmütter etc.

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Fritzi ()

  • Hallo,


    Ich finde auch das klingt sehr schön ! Eine tolle Idee !
    Ich werds mir notieren ! :write
    (Warum hab ich eigentlich erst im September Geburtstag?)

    liebe Grüsse melanie


    Wenn man Engeln die Flügel bricht, fliegen sie auf Besen weiter !
    :keks


    :lesend )

  • Heute habe ich das Buch fertig gelesen und will mich unbedingt der Empfehlung anschliessen! Ein spannendes, sehr gut lesbares und sehr lehrreiches Stück Frauengeschichte, eine gelungene Mischung aus persönlichen Schicksalen und Einordnung in den geschichtlichen Kontext (obwohl ich sonst mit Geschichte nix am Hut habe). Danke Fritzi !

  • Melanie,


    sieh es von der positiven Seite: Was meinst Du, wieviele tolle Bücher Du dank uns bis September noch alles auf Deine Wunschliste schreiben wirst? :chen

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hey, ich kenn das Buch aus einer richtig schönen Reportage, die ich im letzten Jahr gesehen hab. Dabei wurden die noch lebenden Autorinnen dieses Klassenbuchs interviewt und einige Lebensgeschichten aus diesem Roman wiedergegeben. Ich weiß leider nicht, wie das Buch ist, aber die Reportage war unheimlich spannend, traurig, schön - alles zusammen, wie das Leben der porträtierten.

  • Zitat

    Original von Gast
    Heute habe ich das Buch fertig gelesen und will mich unbedingt der Empfehlung anschliessen! Ein spannendes, sehr gut lesbares und sehr lehrreiches Stück Frauengeschichte, eine gelungene Mischung aus persönlichen Schicksalen und Einordnung in den geschichtlichen Kontext (obwohl ich sonst mit Geschichte nix am Hut habe). Danke Fritzi !


    das war übrigens mal wieder ich.... :write

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Zitat

    Ich weiß leider nicht, wie das Buch ist, aber die Reportage war unheimlich spannend, traurig, schön - alles zusammen, wie das Leben der porträtierten.


    Das Buch lohnt sich !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Das Klassenbuch. Geschichte einer Frauengeneration - Eva Jantzen/ Merith Niehuss (Hg.)


    Eva Jantzen (*1914 in Magdeburg) studierte Kunstgeschichte und Archologie an der Universität Müchen.
    Merith Niehuss (* 1954 in Bielefeld) ist eine deutsche Historikerin und Soziologin, Professorin für Neuere Geschichte und seit November 2005 Präsidentin der Universität der Bundeswehr München.


    Fünfzehn Frauen aus Erfurt, die Abiturklasse des Jahrgangs 1932 einer Mädchenschule beschließt ein Klassen-Tagebuch zu beginnen, in das jede von ihnen Neuigkeiten, Erlebnisse und Gedanken aus ihrem Leben eintragen soll. Über Jahrzehnte hinweg schickten sich die Frauen ihr „Klassenbuch“ gegenseitig mit der Post oder brachten es persönlich zur nächsten. Der erste Eintrag stammt vom 12. Juni 1932, der letzte der Klassenkameradinnen reicht bis in die 1980er Jahre, jedoch endet die Berichterstattung im Buch mit dem 25. Juli 1976. Zu diesem Zeitpunkt waren noch fünf der Frauen am Leben.


    Das „Klassenbuch“ wurde über die Jahre zum Spiegel sowohl deutscher, als auch persönlicher Geschichte. Zunächst schilderten die Schreiberinnen die Zeit nach der Schule, ihre Berufsausbildung, Ehen, Kinder, das Leben während des Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg, dann die Nachkriegszeit und die deutsche Teilung (einige lebten nun im „Westen“, andere weiterhin im „Osten“, wieder andere im Ausland, z. B. in Mexiko oder Kanada). Die Zeiträume, die zwischen den verschiedenen Einträgen verstrichen, wurden länger, nicht nur aufgrund der Trennung durch die Zonengrenze, kurz nach dem Krieg schien das Klassenbuch gar verloren: Zwischen 1949 und 1958 klafft eine Lücke, in denen das Buch verschollen war, bis es überraschend wieder auftauchte. Es ist den Schülerinnen gelungen, dieses Buch durch die Wirren des 2. Weltkrieges, die schwere Nachkriegszeit und die Teilung Deutschlands zu erhalten und weiterzuführen und damit ist ein sehr eindrucksvolles Zeitzeugen-Dokument entstanden.


    Es handelt sich bei diesem „Klassenbuch“ weder um ein „Klassenbuch“ im klassischen Sinne, noch um ein „Tagebuch“, sondern vielmehr um einen Briefwechsel oder ein Lesedrama. Das Klassenbuch wird heute in einem Archiv verwahrt.


    Ich habe dieses Buch gern gelesen und fand faszinierend den Wandel von den Schülerinnen, die erst einmal ihren eigenen beruflichen Weg einschlagen möchten, schnell gestoppt werden durch die politische Situation und dann, weil Mann im Krieg, auf sich gestellt sind um die Familie durch die Zeit zu bringen. Von manchen Schülerinnen sind etliche Briefe, manche haben nur wenig über sich eingetragen. Mir hat es sehr gut gefallen und ich finde so ein Zeitdokument sehr bedeutend. Ganz wichtig fand ich auch das Nachwort der Herausgeberin am Ende des Buches, dass es eben keine Memoiren sind, sondern Briefe, die eben das Leben aus dem Jetzt und nicht aus dem Nachhinein betrachtet berichten. Die Schicksale der ganzen Frauen waren natürlich geprägt durch die Weimarer Republik, weniger durch die Weltwirtschaftskrise, da es sich um ein wirklich gutbürgerliches Milieu handelt, durch Hitlers Regime und natürlich durch den 2. Weltkrieg und später die Nachkriegszeit und die schließlich das Wirtschaftswunder in West- und Ostdeutschland. Es mag sein, dass man so nur Einblick in diese Gesellschaftsschicht bekommt, in der alle Mädchen das Abitur und danach einen Beruf ergreifen bzw. lernen durften (ob als Lehre oder Studium ist hierbei völlig egal), aber gerade dadurch wirkt es auf mich sehr authentisch und beschreibt den Zeitgeist sehr gut.



    Was ich jetzt auch erst entdeckt habe: Das Klassenbuch ist ein Dokumentarfilm von Astrid Gabler, der 1999 als Abschlussarbeit an der Hochschule für Fernsehen und Film München entstand.
    Die Erstausstrahlung im Fernsehen fand am 15. Januar 2000 im Bayerischen Rundfunk statt.

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • :cry Ich habe vorher gesucht und fand es auch seltsam, dass dieses vor vielen Jahren veröffentlichte Buch hier noch gar nicht vorgestellt wurde. Dann hätte ich ja gar nicht so ausführlich das Buch bewerben müssen.


    Ja, liebe Admins, bitte Thread zusammenfügen. Dankeschön!

    Manche Bücher müssen gekostet werden, manche verschlingt man, und nur einige wenige kaut man und verdaut sie ganz.
    (Tintenherz - Cornelia Funke)

  • Dieses wunderbare Zeitdokument habe ich vor einigen Jahren gelesen und nicht vergessen. Meine Mutter(Jahrgang 1924) fand es eine tolle Erinnerung an ihre Schulzeit und hatte es mir ans Herz gelegt. Zum Lesen oder Verschenken kann ich es unbedingt empfehlen! 10 Eulenpunkte von mir. :bruell

  • Zitat

    Original von Gucci
    :cry Ich habe vorher gesucht und fand es auch seltsam, dass dieses vor vielen Jahren veröffentlichte Buch hier noch gar nicht vorgestellt wurde. Dann hätte ich ja gar nicht so ausführlich das Buch bewerben müssen.


    Tröste dich, es war nicht völlig umsonst - auf den alten Thread (letzter Post von 2004) wäre ich bei der Masse an Rezensionen hier nie gestoßen. Jetzt ist meine Wunschliste aber wieder um ein Buch gewachsen - danke. :grin

  • Ich habe mir dieses Buch aus der Bücherei mitgenommen, nachdem ich den Thread hier gelesen habe.


    Ich habe es fast in einem Rutsch durchgelesen, so war ich gespannt, was und wann die nächste Schreiberin hinzufügt. Auch ich habe, wie zeitweise im Buch erwähnt, bei der Lektüre meine hausfraulichen Pflichten vernachlässigt, bzw. vergessen. Aber es war einfach zu spannend.


    Leider bin ich bis ans Ende des Buches nicht so mit den Schreiberinnen vertraut geworden, um aus dem Brief herauszulesen, um wen es sich handelt. Da war es doch gut, dass am Ende jeder Eintragung der Name stand. Aber, alles in allem, war dieses Buch doch eine schöne Leseerfahrung und ich habe mich öfter gefragt, was ich denn in so ein Klassenbuch schreiben würde, wenn wir in unserer Abiturklasse auf diese Idee gekommen wären.

    On a toujours le choix... Il suffit de faire le bon

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von mazian ()

  • Ungefähr 1995 habe ich in einer kleinen Buchhandlung in Göttingen nach einer Geschenkempfehlung gefragt. Empfohlen wurde mir daraufhin "Das Klassenbuch" von Eva Jantzen. Von der Beschreibung war ich recht angetan und nahm es daher mit. Ganz im Stil des im Buch beschriebenen Schicksals des Klassenbuchs wanderte nun diese Romanausgabe 20 Jahre mit mir mit. Ich überfuhr mit dem Buch ebenfalls mehrfach die ehemalige innerdeutsche Grenze und stellte es in jeder neu bezogenen Wohnung (u. a. auch in Erfurt) wieder frohgemutes in das Regal der ungelesenen Bücher. Bis gestern. Endlich wollte ich mal den Bodensatz meines SUBs angreifen.


    Ich habe das Buch innerhalb eines Tages durchgelesen und war von den einzelnen Schicksalen und Berichten der 15 Absolventen eines Erfurter Gymnasiums sehr ergriffen. Diese 15 Mädchen beendeten 1932 ihre Schulzeit mit dem Abitur und träumten nun von der weiten Welt und dem großen Glück. Geboren wurden sie in der Zeit des 1. Weltkriegs und es wurde zeitgeschichtlich kaum besser. Sie erlebten den Nationalsozialismus, den 2. Weltkrieg, die Nachkriegszeit und anschließend auch noch die Jahre der deutschen Teilung. Was machten diese Erfahrungen mit den Mädchen? Was haben sie erlebt und wie haben sie es erlebt? Das Buch enthält Einblicke in diese sehr unterschiedlichen Lebensläufe. Und allein die Idee (und später auch der Mut) so ein Klassenbuch ins Leben zu rufen und über mehr als 50 Jahre zu pflegen, verdient es schon gewürdigt zu werden. Am besten, in dem man das Buch selber liest. Ich vergebe für diese sehr interessante Art der Lebensberichterstattung 9 Punkte.


    Wichtig sind auch das Nachwort und die zeitgeschichtlichen Erklärungen. Gewünscht hätte ich mir hinten im Buch zusätzlich noch einen kurzen skizzenhaften Überblick über die einzelnen Lebensläufe der Mädchen. Alles beim Lesen im Gedächtnis zu behalten und zu unterscheiden, ist nicht einfach.