'Der rote Schal' - Seiten 181 - 276

  • Zitat

    Original von Clare


    Dass es so ist, ist auf jeden Fall deutlich geworden. Aber warum? Warum fühlt man sich für die Taten des Vaters schuldig? Da ist schon eher verständlich, dass Ozias versucht, an Alan etwas gut zu machen, ohne dass der weiß warum, so als eine Art Wiedergutmachung. Aber die Schuld ist doch nicht die seine. Er hat Alan nichts angetan.


    Ich kann mir das wieder nur mit den alttestamentarischen Berichten erklären, z.B. die Vollendung der Gerichts am Hause Sauls (2. Samuel 21).

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Harte Zeiten, gerechte Zeiten?
    Im Historischen Kontext des Romans ist es schon zu verstehen. Trotzdem i[t und bleibt es ungerecht, wenn man sich für die Tat eines anderen schuldig fühlen muss. Man stelle sich diese historische Schuld eines jeden von uns vor und die Last, die wir zu tragen hätten...
    Dem, dem Unrecht geschah, Gutes tun und Anteil nehmen, so wie Midwinter es auch tut. Aber sich dafür schuldig fühlen - besser nicht. :nono

  • Ich denke tatsächlich, dass es eines ungeheuren Selbstbewusstseins und einer gehörigen Portion Lebenswillen bedarf, um sich von einer so schweren Kindheit zu befreien wie Midwinter sie erlebt hat.
    Dabei spielt die Bürde des Verbrechens seines Vaters nur eine Rolle.
    Die Erziehung ist schon prägend für einen Menschen- allerdings keine Entschuldigung und Ausrede für eigene Fehlentscheidungen.


    Ozias trifft natürlich überhaupt keine Schuld, dennoch kann ich seine tiefe Zurückgezogenheit in sich selbst nachvollziehen, auch seinen Drang, auf Wanderschaft zu gehen, um Abstand zu gewinnen. Und auch das Gefühl, an Allan etwas gut zu machen bzw. ihm etwas Gutes zu tun.
    Ozias ist eine sehr interessante Figur, finde ich.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • @ Rumpelstilzchen:
    Sogar noch relativ kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges gab es einen Prozess um Karl May (welchen der alte Herr knapp vor seinem Tod gerade noch gewinnen konnte), in dem es darum ging, ob man ihn als "geborenen Verbrecher" bezeichnen dürfe.
    OT: Danke für deine nette Wiederbegrüßung hier irgendwo. Bin die nächsten beiden Monate noch recht zugeschüttet mit gesundheitlichen Terminen und auch der Termin für die Ausbesserungsarbeiten an den Wohnungsdecken steht jetzt fest, werde aber versuchen, ab und zu vorbeizuschauen :knuddel1)


    "Ozias ist eine sehr interessante Figur, finde ich." (Regenfisch)
    :write
    Der Schauspieler (Al)Fred Haltiner, der den Ozias in der schon öfter hier erwähnten Verfilmung sehr glaubhaft verkörperte, hat leider noch im Jahr der Beendigung des Films (1973) Selbstmord begangen. Ob das mit an dieser Rolle gelegen hat, kann man natürlich nicht wissen, aber Heidelinde Weis, die die "Frau in Weiss" spielte, soll nach Beendigung ihrer Rolle wegen der psychischen Belastung klinikreif gewesen sein. Wilkie Collins versteht schon, eine ganz besondere Spannung zu erzeugen...
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Der Schauspieler (Al)Fred Haltiner, der den Ozias in der schon öfter hier erwähnten Verfilmung sehr glaubhaft verkörperte, hat leider noch im Jahr der Beendigung des Films (1973) Selbstmord begangen. Ob das mit an dieser Rolle gelegen hat, kann man natürlich nicht wissen, aber Heidelinde Weis, die die "Frau in Weiss" spielte, soll nach Beendigung ihrer Rolle wegen der psychischen Belastung klinikreif gewesen sein. Wilkie Collins versteht schon, eine ganz besondere Spannung zu erzeugen...


    Ähm, dann bin ich ja quasi in guter Gesellschaft. Ich mußte seinerzeit "Die Frau in Weiß" abbrechen, weil ich davon Albträume bekam. Und das, obwohl ich zu dem Zeitpunkt bereits wußte (Wikipedia sei Dank), wie das Buch ausgehen würde.


    Im Moment (während dieser Woche) komme ich übrigens kaum zum Lesen, werde also ziemlich hinterherhinken.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Im Moment (während dieser Woche) komme ich übrigens kaum zum Lesen, werde also ziemlich hinterherhinken.


    Lass dir Zeit, ich schaue immer mal wieder rein. :wav

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Ich denke tatsächlich, dass es eines ungeheuren Selbstbewusstseins und einer gehörigen Portion Lebenswillen bedarf, um sich von einer so schweren Kindheit zu befreien wie Midwinter sie erlebt hat.
    Dabei spielt die Bürde des Verbrechens seines Vaters nur eine Rolle.
    Die Erziehung ist schon prägend für einen Menschen- allerdings keine Entschuldigung und Ausrede für eigene Fehlentscheidungen.


    Ozias trifft natürlich überhaupt keine Schuld, dennoch kann ich seine tiefe Zurückgezogenheit in sich selbst nachvollziehen, auch seinen Drang, auf Wanderschaft zu gehen, um Abstand zu gewinnen. Und auch das Gefühl, an Allan etwas gut zu machen bzw. ihm etwas Gutes zu tun.
    Ozias ist eine sehr interessante Figur, finde ich.


    :write

  • Eines meiner derzeitigen Probleme ist, daß ich meine Lesezeit nicht mit meiner Onlinezeit koordinieren kann, weswegen ich jetzt zwei Abschnitte auf ein Mal durch habe und im vierten bin.


    Zu Thorpe-Ambrose habe ich mir notiert, daß mich so manches am Pemberley erinnert. Natürlich ist das alles nicht vergleichbar, aber dennoch.


    Auf (meiner) S. 159 habe ich gestutzt, mehrfach gelesen, aber bin trotzdem nicht schlau geworden. Ob da ein Irrtum im Text vorliegt? Es heißt:
    “Von meinem geliebten Vater. Thorpe-Ambrose, Oktober 1828.“ (...) als sie von Madeira zurückgekehrt war und in Thorpe-Ambrose ihrer Niederkunft entgegen sah.
    (...)
    Darunter stand das Datum: März 1828 - zwei Monate nach Allans Geburt.“
    :gruebel ???


    S. 160: Midwinter stellte das Buch mit einem Seufzer ins Regal zurück und öffnete kein anderes ,mehr. „Wo ich auch bin“, dachte er bitter, „zu Lande oder zu Wasser - das Verbrechen eines Vaters verfolgt mich überall.“
    Ob das das Thema des Grundkonflikts ist?


    Allan ist mir einigermaßen unsympathisch, vielleicht sollte ich besser schreiben geht mir mit seiner Dummheit (mit Naivität ist das schon nicht mehr zu entschuldigen) auf die Nerven. „Von Beruf Erbe, ansonsten nix dahinter“ - so erscheint er mir.
    Daß er dem großen Empfang aus dem Wege gehen möchte, kann ich allerdings gut verstehen. Würde mir genau so ergehen, und die Idee des plötzlichen Erscheinens könnte von mir sein ...



    Zitat

    Original von Lipperin
    Allan erinnert mich an einen gewissen naiven Herrn aus „Stolz und Vorurteil“ (es scheint ein „gängiges“ Modell gewesen zu sein), ist aber anscheinend noch gutmütiger … oder naiver, je nachdem, wie man das ausdrücken möchte.


    Jetzt hoffe ich nur, daß Du nicht den „falschen jungen Herrn“ aus „Stolz und Vorurteil“ meinst. Auf einem meiner Notizzettel fand sich der Name „Mr Collins“ :chen



    Zitat

    Original von Lipperin
    (...) wenn der die Erwartung nicht erfüllende Sohn Bashwoods (Seite 269) und der von Mrs. Oldershaw beauftragte Schnüffler ein und dieselbe Person wären (...)


    Davon gehe ich eigentlich aus, alles andere ergäbe bei der expliziten Erwähnung keinen Sinn.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Dass Midwinter eine Frau fürs Leben findet, die mit seinen Eigentümlichkeiten fertig wird, halte ich fast für ausgeschlossen, denn die Moral von der Geschichte wird Collins nicht außer Acht lassen (trotz des Vorworts) und: Es bleibt, wie es ist, Midwinter ist der Sohn eines Mörders und das christliche Gedankengut hat im England des 19. Jahrhunderts wohl einen deutlich anderen Stellenwert als heute.


    Was mich jetzt doch den seinerzeitigen Kommentar von magali im Rezi-Thred zu Selma Lagerlöfs „Gösta Berling“. Auch wenn einige Jahrzehnte zwischen den Büchern liegen und sie in verschiedenen Ländern entstanden und spielen, scheint es gewisse Ähnlichkeiten beim Grundkonflikt zu geben.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier




    Jetzt hoffe ich nur, daß Du nicht den „falschen jungen Herrn“ aus „Stolz und Vorurteil“ meinst. Auf einem meiner Notizzettel fand sich der Name „Mr Collins“ :chen


    Mr. Collins hat für mich etwas allzu Egoistisches an sich, als dass er sich mit Allen "messen" könnte. Nein, meine Gedanken gingen eher in Richtung des zauberhaften Herrn, der die älteste Bennett-Tochter heiratet.