'Der rote Schal' - Seiten 277 - 344

  • Zitat

    Original von Clare


    Ich lese die gleiche Übersetzung wie du. An der von dir genannten Stelle hatte ich auch einen Klebezettel im Buch.
    Ich denke auch, dass sich Collins diese leichte Zurechtweisung nicht sparen konnte. Midwinter ist wirklich anders, offensichtlich anders, und er versucht es auch gar nicht zu verstecken. Vielleicht weil er es selber gar nicht als "anders" empfindet. Andererseits wird er oft genug in seiner schweren Jugend deutlich als Außenseiter behandelt worden sein und nicht unerheblich darunter gelitten haben. Hat ihn das stark gemacht, so dass er der Missbilligung der Masse standhalten kann? Ich möchte gerne, dass es so ist, dass er über den Vorurteilen der Anderen stehen kann.


    Zudem kommt ja noch diese Kleinigkeit hinzu, über die wir wenige Worte verloren haben, auch Collins lässt sie ja nur zwei-, dreimal aufblitzen: Midwinter ist Mulatte, schon aus diesem Grunde wird er Ausgrenzung erfahren haben. Wäre er der Sohn eines hohen Adeligen oder unermesslich reich, würde die britische Gesellschaft sich leichter getan haben, ihn aufzunehmen, er hätte dann eben als Egozentriker gegolten. Es ist eigentlich schade, dass Collins diesem Weg nicht durchgehend gefolgt ist, aber er hat sich vielleicht doch ein wenig zu viel aufgebürdet.

  • Entschuldigung, beinahe vergessen:


    Zitat

    Original von SiCollier
    ... „Grundthema“ ist. Ich muß immer wieder auf diesem Begriff herumhacken, weil ich beim Lesen dieses Buches festgestellt habe, daß es für mich anscheinend ein gewisses Problem ist, so gar keine Vorstellung davon zu haben, worauf (handlungs- wie themenmäßig) ein Buch hinauslaufen wird.


    Für mich:
    Bin ich Sklave meines Schicksals oder bestimmt mein freier Wille meinen Weg?

  • Zitat

    Original von Lipperin
    Entschuldigung, beinahe vergessen:



    Für mich:
    Bin ich Sklave meines Schicksals oder bestimmt mein freier Wille meinen Weg?


    Das hast du treffend auf den Punkt gebracht. Das ist auch für mich der Kern des Buches.


    @ "Migrationshintergrund": Das wäre sehr spannend gewesen, davon mehr zu lesen. Besonders wie die Bevölkerung auf Mischlinge reagiert. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir heutzutage in einer immer fremdenfeindlicheren Gesellschaft leben statt in einer Gesellschaft, die tolerant ist und die alle Menschen einen Platz bietet und sie willkommen heißt. Vielleicht sind wir auch durch die Medien besonders sensibiliert.

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Dafür lese ich aber nie die letzten Seiten vorher. Früher habe ich das manchmal gemacht. War dann aber oft enttäuscht, weil ich die Entwicklung dann nicht mehr richtig verfolgt habe.


    So unterschiedlich sind die Menschen. Ich kann mich, wenn der größte Spannungsdruck weg ist, manchmal wesentlich besser auf die Geschehnisse konzentrieren und Nuancen geniessen, die ich anders vielleicht überlesen hätte.
    :grin :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Spannend bleibt, wie es zum jeweiligen Ende gekommen ist oder kommen konnte.


    Ebend, endlich jemand, der mich versteht. :-) :wave
    Der Weg ist für mich das Ziel - und nicht ein Weg zu einem unbekannten Ziel.



    Zitat

    Original von Lipperin
    Kann es sein, dass wir unterschiedliche Übersetzungen lesen? Meine ist von Eva Schönfeld.


    Nein, wir lesen die gleiche Übersetzung. Allerdings, da ich Taschenbücher nunmal nicht mag, habe ich mir gebraucht eine Hardcover-Ausgabe besorgt (und zum ersten Mal bei Booklooker eine negative Bewertung abgegeben, weil das Buch nicht „wie neu“ sondern „ziemlich gebraucht“ ist). Es ist eine Bertelsmann-Club-Ausgabe, die durch das größere Format und einen anderen Satzspiegel eben unterschiedliche Seitenzahlen zum Taschenbuch aufweist.


    Und danke für die Erklärung, jetzt weiß ich, was Du meinst. :-)



    Zitat

    Original von Lipperin
    Für mich:
    Bin ich Sklave meines Schicksals oder bestimmt mein freier Wille meinen Weg?


    Das paßt. Auch wenn ich darauf nun gar nicht vorbereitet war.



    Zitat

    Original von Regenfisch
    Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir heutzutage in einer immer fremdenfeindlicheren Gesellschaft leben statt in einer Gesellschaft, die tolerant ist und die alle Menschen einen Platz bietet und sie willkommen heißt. Vielleicht sind wir auch durch die Medien besonders sensibiliert.


    Da magst du recht haben. Ob die Medien sensibilisieren oder Propaganda (mir fällt kein anderes Wort ein) für eine bestimmte Richtung betreiben, ist wieder ein anderes Thema.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Das hast du treffend auf den Punkt gebracht. Das ist auch für mich der Kern des Buches.


    @ "Migrationshintergrund": Das wäre sehr spannend gewesen, davon mehr zu lesen. Besonders wie die Bevölkerung auf Mischlinge reagiert. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir heutzutage in einer immer fremdenfeindlicheren Gesellschaft leben statt in einer Gesellschaft, die tolerant ist und die alle Menschen einen Platz bietet und sie willkommen heißt. Vielleicht sind wir auch durch die Medien besonders sensibiliert.


    Auf seine Hautfarbe von Midwinter scheint niemand direkt zu reagieren. Oder war es nur, auch schon damals, unfein darüber zu schreiben? :gruebel
    Warum gibt Collins einer Hauptfigur dann diese Hautfarbe?

  • Vielleicht war die Hautfarbe tatsächlich kein großes Problem. Je nachdem, wie dunkel seine Mutter war, kann er auch einfach nur ein wenig "anders" ausgesehen haben, und seine genaue Herkunft war gar nicht zu erkennen.
    Zudem war man in Großbritannien, eher als im damaligen Deutschland, durch die vielen Kolonien daran gewöhnt, dass Menschen anderer Hautfarbe existierten. Es muss recht viele Mischlingskinder gegeben haben und sofern die aus einer anerkannten Ehe stammten, hielten sich die Problem vermutlich im Rahmen.

  • Zitat

    Original von Clare


    Auf seine Hautfarbe von Midwinter scheint niemand direkt zu reagieren. Oder war es nur, auch schon damals, unfein darüber zu schreiben? :gruebel
    Warum gibt Collins einer Hauptfigur dann diese Hautfarbe?


    Vielleicht musste Midwinter diese andere Hautfarbe haben, um seine Ausgegrenztheit noch zu betonen? Erinnert ihr euch an die klägliche Frage seiner Mutter an den Vater, ob die andere Frau "eine Weiße" sei? Manchmal habe ich den Eindruck, Collins reichten so kleine Bemerkungen, damit seine Leser ihn verstanden - und wir eben heute nicht mehr so genau. Ich glaube aber doch, dass die "Kleinbürger" und "Moralprediger" Midwinters Verhalten, sein Anderssein etc. auch an seiner Hautfarbe (Seite 74 TB-Ausgabe spricht von seinem "dunklen Teint" und den "großen, glühenden Augen"), egal wie ausgeprägt sie nun gewesen sein mag, festmachten.