'Der rote Schal' - Seiten 707 - 767

  • Leider habe ich fertig :-(, ich hätte noch gute 200 Seiten weiterlesen können. :-]


    Nun drängt alles auf den Höhepunkt hin, auch wenn sich Collins Zeit für jedes Detail nimmt. Miss Gwilt ist, so scheint es mir, fast am Ende ihrer Kräfte, auch wenn ihre Planungen auf den ersten Blick keine Schwäche zeigt. Aber die ist natürlich da, läuft auf zwei Beinen herum und hat einen seltsamen Namen. Der Herr Doktor jedenfalls ist an ihrer Seite, nicht nur am Erhalt seines Sanatoriums, seiner Existenz, am Geld, sondern auch sehr an Lydia interessiert. Er sichert sich ab und bietet ihr Gelegenheit in jeder Beziehung zu einem Mord (und Collins sichert sich ab, indem er nicht den Namen der Substanz nennt, die gebraucht wird. Clever!).


    Allan ist wieder da und hat einen Schutzengel, der über ihn wachen wird, koste es, was es wolle. Und es kostet, viel, sehr viel, fast zu viel.


    Bashwood wird auch eine Art Komplize, hat noch einen lichten, menschlichen Moment Seite 737, dann wird geistige Umnachtung ihm vieles erleichtern. Es ist ja fast kein Wunder, die auf vielen Seiten geschilderte Besessenheit wirkte auf mich nicht komisch, sondern mehr als bedenklich.


    Lydia wird zur Mörderin – ihrer selbst. Das in etwa habe ich erwartet, als meine Gedanken dahin gingen, sie werde an Midwinter sterben, nicht durch ihn. Sie selber sagt in ihrem Brief, worauf es nach meiner Meinung nach Collins auch und besonders ankam: Die moralische Seite (Seite 751).


    Die Art und Weise, wie Collins diesen Roman komponiert hat, imponiert mir. Irgendein Detail ist für mich nicht ganz aufgelöst, aber ich muss erst meine Aufzeichnungen durchstöbern, um zu wissen, was das eigentlich war. :-]
    Der Roman ist in meinen Augen, ich wiederhole mich da, ein zutiefst moralischer. Das wurde mir mehr und mehr deutlich. Collins macht sich ja auch nicht sonderlich viel Mühe, um das zu verschleiern, denn neben der puren Unterhaltung war das wohl der Bonus des Buches. Es war für mich eine leichte Enttäuschung, dass ich zu schnell erkennen konnte/musste, wie die Geschichte sich entwickeln würde, weil Collins zwar immer wieder Rätsel andeutete, sie aber allzu rasch aufklärte. Was mir aber große Freude bereitet hat, was das, was ich sein Spiel mit den Anspielungen genannt habe.

  • Dieses andauernde Spiel mit den Möglichkeiten - auch mit der, dass Lydia vielleicht doch irgendwie mit Ozias glücklich werden könnte, das hat mir an dem Buch am meisten gefallen.


    Es stimmt, es ist ein moralisches Buch. Aber so kein moralinsaures, in dem die Bösen nur böse und unsymphatisch ist. Sondern auch positive Seiten haben, fast liebenswerte oder beneidenswerte.


    Mir hat es viel Spaß gemacht, auch wenn es nicht gerade auf jeder Seite vor Spannung knisterte.


    edit kritisierte die Rechtschreibung....

  • Den Rest des Buches habe ich verschlungen.


    Ich bin sehr erleichtert, dass Midwinter sich nicht an Lydia schuldig gemacht hat- das war meine Befürchtung.
    Seine überlegte Art zu handeln, seine Ehrlichkeit, sein tiefer Ernst und seine Tiefgründigkeit haben dafür gesorgt, dass er meine Lieblingsfigur war.


    Lydia ist ebenfalls eine beeindruckende Figur. Allan hingegen fiel deutlich ab. Aber, du hattest recht mit deinen Vermutungen, Lipperin. :anbet
    Nelly und Allan geben ein nettes Gutsbesitzerpaar ab, Midwinter wird in der Frühlingssonne schreiben und durch das schöne Norfolk wandern, wann immer ihn die Natur ruft.
    Ein versöhnliches Ende.


    Ihr Lieben!
    Diese Leserunde hat mir sehr viel Freude bereitet- sie ist jetzt schon ein Höhepunkt in meinem Lesejahr. Durch eure Meinungen und Gedanken zum Buch sind die Figuren noch viel lebendiger geworden, vielen Dank! :blume

    Die eigentliche Geschichte aber bleibt unerzählt, denn ihre wahre Sprache könnte nur die Sprachlosigkeit sein. Natascha Wodin

  • Zitat

    Original von Regenfisch
    Den Rest des Buches habe ich verschlungen.


    Ich bin sehr erleichtert, dass Midwinter sich nicht an Lydia schuldig gemacht hat- das war meine Befürchtung.
    Seine überlegte Art zu handeln, seine Ehrlichkeit, sein tiefer Ernst und seine Tiefgründigkeit haben dafür gesorgt, dass er meine Lieblingsfigur war.


    Ich habe eher befürchtet, dass Lydia Midwinter töten würde, so wie es fast passiert wäre. Dass sie selbst nicht weiterleben könnte, war auch fast klar. Trotz aller Ahnungen fand ich diese letzten Szenen sehr emotional und einfach nur wirklich gut geschrieben.


    Zitat

    Nelly und Allan geben ein nettes Gutsbesitzerpaar ab, Midwinter wird in der Frühlingssonne schreiben und durch das schöne Norfolk wandern, wann immer ihn die Natur ruft.
    Ein versöhnliches Ende.


    Ich sehe Midwinter auch schreibend in der Sonne. Ich hoffe, dass er irgendwie seine Ruhe und seinen Frieden finden konnte.


    Zitat

    Ihr Lieben!
    Diese Leserunde hat mir sehr viel Freude bereitet- sie ist jetzt schon ein Höhepunkt in meinem Lesejahr. Durch eure Meinungen und Gedanken zum Buch sind die Figuren noch viel lebendiger geworden, vielen Dank! :blume


    Dieses Kompliment kann ich nur zurückgeben und an euch alle! Das war wieder eine sehr interessante Leserunde mit aufschlussreichen anderen Blickwinkeln. :anbet

  • Ja, eine wunderbare Leserunde, tiefgründig und hochinteressant. Vielen Dank dafür auch von mir.


    Die letzte Szene, das Eintreten von Lydia ins tödliche Zimmer und das Geräusch ihres fallenden Körpers ... diese Beschreibung hat mich tief beeindruckt, es ist ein gutes, filmgleiches Ende. Man sieht nichts, man weiß es trotzdem. Lydia opfert sich ihrer selbt (oder so) und im letzten Moment findet sie ihre Liebe wieder und ihre Ruhe. So und nicht anders musste es enden. Ich bewundere dennoch ihren Mann. Kein Grimm, keine Wut ... nur leise Traurigkeit. Ein starker Mann, der soviel verloren hat und gleichzeigt gewonnen hat. Allen rückt noch tiefer in den Hintergrund.


    Das Buch war in meinen Augen von einigen starken Persönlichkeiten durchzogen. Lydia mit ihrem klugen Kopf, Oszias mit seiner ganz eigenen Art, der Doktor, der so rafiniert ist, dass er immer wieder auf die Füße fallen wird, der Anwalt, der vieles durchblickt. Schade, dass nicht jeder sich immer auf die richtige Seite stellt. Aber der Autor kennt die Gesellschaft einfach zu gut, sie ist vergesslich und manchmal auch dumm, unmoralisch könnte man sagen. Ich denke mir, dass einige Menschen, die fortan des Doktors Heilanstalt besuchen oder die Lesungen der Oldershaw genießen nicht behaupten können, sie wüssten von nichts. Im echten Leben steht das eigene Vergnügen und Wohlbefinden doch oft genug vor Moral und Anstand. Man müsste sich sonst einiges Versagen.


    Bashwood lebt nun also in Vorfreude auf seine Hochzeit. Ist das gut der schlecht? Nun, er freut sich jeden Tag aufs Neue, auch wenn ich nur Mitleid empfinden kann. Pedgift junior wird Kariere machen wie sein Vater und vielleicht ein ebenso klar denkender Mensch werden, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Über Allen und seine Braut muss man sich keien Gedanken machen, sie leben wohl das übliche privilegierte Leben eines reichen Paares. Hoffen wir, dass sie sich lange mögen werden und die Dame etwas ehrlicher wird.


    Fazit für mich: ein unterhaltsames und spannendes Buch das im Rahmen seiner Entstehungszeit sicher einigen Zündstoff birgt und der Gesellschaft hier und da den Spiegel vor die Nase hält. Ich habe vor allem den Witz und die Ironie genossen, aber auch, wie zuvor schon geschrieben, die Beschreibung der meisten Personen abseits einfacher Schemas in gut und böse.

  • Ich bin zwar noch deutlich nicht durch, schreibe aber dennoch hier, weil es sonst gespoilert wäre..


    Mit dem Buch tue ich mich etwas schwer. Ich habe schon mal ans Ende gelinst, auch zwischendurch gelesen und dabei immer die Einschätzung von Lipperin zum Grundthema im Hinterkopf:

    Zitat

    Original von Lipperin
    Bin ich Sklave meines Schicksals oder bestimmt mein freier Wille meinen Weg?


    Ich habe derzeit den Eindruck, daß mir die „Moral von der Geschicht“ nicht sehr zusagen wird. Eigentlich habe ich derzeit einen Punkt im Buch erreicht, da ich es gut beenden könnte. (Kurz vor der Hochzeit von Miß Gwilt mit Midwinter.)


    Ich werde es wohl auf jeden Fall zu Ende lesen, und dann vermutlich die Finger von weiteren Collins-Büchern lassen. Jetzt schiebe ich erst mal ein „Erholungsbuch“ zwischen, das ich schon lange lesen wollte, und so ganz wo anders spielt. Im alten Rom. Obwohl Erholung vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck ist. Es ist auch nicht ganz Rom, sondern Pompeji. August des Jahres 79 n. Chr. ...


    Wenn ich hier im Buch deutlich weiter bin, melde ich mich nochmals. Vielleicht liest dann ja noch jemand mit. Und hoffentlich ist dann mein verletzter Finger wieder verheilt, so daß es mir leichter fällt, die Tastatur zu bedienen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Big Kaefer is watching you! :lache
    Gute Besserung dem schlimmen Finger!
    Ja, Collins liest sich nicht so nebenbei weg...
    Die Verfilmung mit Ellen Schwiers ist aber wirklich empfehlenswert.
    :wave

    “Lieblose Kritik ist ein Schwert, das scheinbar den anderen, in Wirklichkeit aber den eigenen Herrn verstümmelt.”Christian Morgenstern (1871 – 1914)

  • Zitat

    Original von maikaefer
    Big Kaefer is watching you! :lache
    Gute Besserung dem schlimmen Finger!


    Ich gabe es befürchtet! :yikes :lache


    Danke wegen des Fingers. Auch Möbelrücken will gelernt sein ...



    "Nebenbei" habe ich bisher auch nicht gelesen. Aber ich mußte mich immer zum Lesebeginn zwingen, und Nachmittags oder Abends wollte ich gar nicht in diesem Buch lesen.


    Es gibt bestimmte Entwicklungen / Handlungsstränge, die ich weder in Büchern noch in Filmen mag. Miß Gwilt mit ihren Planungen ist da ein geradezu klassisches Beispiel dafür.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Ich finde es immer wieder spannend, wie unterschiedlich Menschen auf so ein Buch reagieren. In diesem Fall hatte die zunehmende Spannung bei mir zur Folge, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.


    Möbelrücken? Ich habe mir dabei mal den ganzen Oberarm aufgeschrabbt, weil ein Schrank auf mich gefallen ist. Die Narben habe ich heute noch...... :heul

  • Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    In diesem Fall hatte die zunehmende Spannung bei mir zur Folge, dass ich das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen konnte.


    Ist bei mir anders. Und jetzt wird es schwierig: die Spannung, wie sie hier im Buch aufgebaut wird, läßt mein Interesse eher erlahmen und ich bekomme Abbruchgedanken.


    Es gibt aber auch "andere Spannungen", die genau das Gegenteil bewirken: daß ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. (Aus dem Stegreif fällt mir dafür jetzt kein Beispiel ein.)



    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Möbelrücken? Ich habe mir dabei mal den ganzen Oberarm aufgeschrabbt, weil ein Schrank auf mich gefallen ist. Die Narben habe ich heute noch...... :heul


    Mir war nicht bewußt, daß die Kommode keine geschlossene Rückseite hat, sondern die Schubladen hinten quasi "offen" anstoßen. Da kamen dann ein paar Finger dazwischen. Bis auf einen sind alle wieder recht gut verheilt. Aber wenn man gewohnt ist, mit 10-Finger-System zu schreiben, wird es diffizil, wenn ein oder zwei Finger ausfallen. Dann merkt man erst, wie oft diese eigentlich gebraucht werden ...



    @ Regenfisch
    Danke! :wave

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von SiCollier
    ...
    Ich werde es wohl auf jeden Fall zu Ende lesen, und dann vermutlich die Finger von weiteren Collins-Büchern lassen. ...


    Schade, dass es für dich so ist, aber es gibt ja noch sooo viel andere Literatur auf der Welt, dass du keine Auswahlprobleme habe dürftest. ;-)


    Für mich ist Collins eine Querbett-Eulen-Entdeckung seit vorigem Jahr und der "Frau in Weiß". Mehr als einen Roman von ihm muss ich aber pro Jahr nicht lesen. Ich denke, wir lesen im nächsten Jahr wieder einen Wilkie Collins.

  • Zitat

    Original von SiCollier
    Ich werde es wohl auf jeden Fall zu Ende lesen, und dann vermutlich die Finger von weiteren Collins-Büchern lassen.


    Das kann ich sogar verstehen, wenn auch aus anderen Gründen. Aber für mich habe ich immerhin entdeckt, dass es eine andere Art von Gewinn bringen kann, sich mit seinen Strukturen etc. zu beschäftigen.



    Zitat

    Wenn ich hier im Buch deutlich weiter bin, melde ich mich nochmals. Vielleicht liest dann ja noch jemand mit.


    Hier bleibst Du, glaube ich, nicht alleine.



    Zitat

    Und hoffentlich ist dann mein verletzter Finger wieder verheilt, so daß es mir leichter fällt, die Tastatur zu bedienen.


    Gute Besserung *pustpust*! :knuddel1