Autor
Halldór Laxness, geboren am 23. April 1902 in Reykjavík, gestorben am 8. Februar 1998 in Reykjalundur bei Mosfellsbær, war der erste isländische Autor der Neuzeit, der Weltruhm erlangte. 1955 erhielt er den Literaturnobelpreis.
Der Roman "Sein eigener Herr" entstand in den Jahren 1934/35. Außerdem erschienen auf deutsch unter anderem noch "Atomstation", in dem seine Neigung zum Kommunismus Ausdruck fand, sowie "Das Fischkonzert", "Das wiedergefundene Paradies", "Salka Valka", " Am Gletscher" und "Die Islandglocke".
Inhalt
Anfang des 20. Jahrhundert war Island eines der rückständigsten Länder Europas, weit abgelegen vom Rest Europas. Das Leben ist geprägt von großer Armut mit Hungerzeiten nach dem Winter, extrem hoher Kindersterblichkeit, einem unmenschliches Arbeitspensum im Sommer.
Die christliche Religion vermischt sich mit Aberglaube und Motiven aus den alten Sagas. Moderne Ideen, Verbesserung der Lebensqualität versprechen, dringen langsam auch in die Dörfer vor. Gerade dieser Umbruch fördert eine Verklärung der Landnahmezeit, die die harte Realität ausblendet.
Bjartur steht ganz in der alten Tradition der Landnahme zur Zeit der Besiedlung Islands. Er verwirklicht sein Ideal eines freien und unabhängigen Menschen, auf einem eigenen Bauernhof als sein eigener Herr zu leben. Alles ordnet er diesem Ziel unter. Nicht nur er, sondern seine ganze Familie zahlt einen hohen Preis dafür. Sein Stolz und Misstrauen verbieten es ihm, von anderen Menschen Hilfe, welcher Art auch immer, anzunehmen. Moderne Methoden/Einrichtungen, wie Genossenschaften und Elektrizität lehnt er ab.
Religion bedeutet ihm nichts und auf gar keinen Fall glaubt er an Gespenster und die alten Spukgeschichten, die über seinen Hof erzählt werden. Doch zwischenzeitlich wird auch er verunsichert.
Meinung
Der Roman beschreibt das ländliche Leben in Island. Der Leser bekommt einen klaren Einblick in den harten Alltag, und das Denken der einfachen Leute machte diesen Alltag oft noch unnötig schwerer. Manchmal war es nicht leicht weiterzulesen, da es sehr bedrückend war.
Der Person Bjartur stand ich oft fassungslos gegenüber. Seine ganze Sorge geht darum, die Schafe durch den Winter zu bringen, genug Heu für den Winter zu machen und seine Herde zu vergrößern. Dafür wird an allem anderen gespart. Die neugeborenen Kinder sterben reihenweise. Er versteht nicht, dass seine dauerschwangere Frau und seine Kinder auch andere Bedürfnisse haben als gerade mal so zu überleben, wie z. B. den Luxus Milch oder regenfeste Kleidung für die Arbeit auf dem Feld. Für alle Schwierigkeiten hat er eine Erklärung, nur nicht sein eigenes Verhalten. Aber durch seine Sturheit, Herrschsucht und Verbissenheit klingt doch, wenn auch selten, ein Hauch von Gefühl durch.
Laxness' Sprache hat mich schon in anderen Romanen begeistert. Doch hier scheint sie mir besonders facettenreich: sachlich, ironisch, skurril, poetisch, gefühlvoll, surreal.
Das Buch vermittelt dem Leser zunächst den Eindruck einer Emotionslosigkeit, die die Figuren an den Tag legen. Laxness beherrscht die Kunst, mit wenigen Worten viel zu sagen. Er schafft es immer wieder, durch eine beschriebene Geste oder durch eine treffende, kurze Formulierung dem Leser die ganze Gefühlswelt der Personen darzulegen.
Gleichzeitig versteckt sich eine feine Ironie dahinter, die ich manchmal erst bei zweiten Lesen verstand.
Immer wieder wechselt der Autor seinen Blickwinkel, so dass er bei manchen Aussagen verschleiert, ob es die neutrale Aussage des Erzählers oder die subjektive Meinung eines Protagonisten ist.
Doch Laxness ist auch ein Meister der Stimmungen: albtraumhafte Szenen, beklemmende Beschreibung des Herbstregens, schöne Landschaften, surreale Vermischungen von Traum und Realität, eine skurrile Gespenster-"Party" oder eine Beerdigungsszene, in der Ironie, schwarzer Humor und tiefe Trauer auf engstem Raum enthalten sind.
Grandios ist auch, wie Laxness mit unglaublichem Einfühlungsvermögen aus dem Blickwinkel der Kinder ihre Welt beschreibt, ihre Gedanken, Vorstellungen, Ängste, Träume und Entwicklungen. Das dringt dem Leser ganz tief ins Herz. Einfach zum Genießen!
Und wunderschöne, poesievolle Abschnitte lassen die Seele des Lesers von den Beschreibungen des harten Alltags ausruhen. Sonst wäre dieses Buch nur schwer erträglich.
Gerade diese Wechsel von Sachlichkeit zu stimmungsvollen Szenen verstärken die Wirkung auf den Leser und werfen ihn in ein Wechselbad der Gefühle.
Es ist kein Buch, das sich schnell wegliest. Ich musste von Zeit zu Zeit kurze Pausen einlegen. Immer wieder blieb ich an Formulierungen stehen, mal um darüber nachzudenken, mal um sie zu bewundern.
Und wenn ich das, was ich geschrieben habe, nochmal durchlese, merke ich, dass mir die Worte fehlen. Es ist in Wirklichkeit 100 mal besser.