Michael Meinert: Gescheiterte Flucht

  • Das Buch nimmt uns mit in das Jahr 1849. Im Süden von Schlesien lebt Oberförster Grüning, von den Dorfbewohnern auch „der einsame Sonderling aus dem Hochwald“ genannt, in seinem Forsthaus und genießt die Einsamkeit des Waldes. Sein geregeltes Leben wird unterbrochen, als sich ein Wilddieb in seinem Revier zu schaffen macht. Während eines Kontrollgangs durch den Wald begegnet er der hübschen Rahel von Bredow, der es mit ihrer lebensfrohen Art gelingt, ihn aus der Reserve zu locken. Als dann noch ein alter Feind von früher auftaucht, wird das Leben des Oberförsters endgültig durcheinander gebraucht- leider nicht unbedingt zum Guten…


    Von der erste Seite an hat die Geschichte eine angenehme Atmosphäre, die durch die Schönheit der Natur im Hochwald entsteht. Die Beschreibungen sind kurz, aber prägnant und umrahmen die eigentliche Geschichte: Diese besteht aus vielen Dialogen und lässt sich trotz einer altertümlichen, der damaligen Zeit angemessenen Sprache schnell und verständlich lesen. Die Sprache unterstützt ebenfalls das Gefühl, in eine andere Welt zu tauchen.


    Dass Motto des Boas-Verlags, in dem der Roman erschienen ist, lautet „Damit das Christsein nicht beim Schmökern endet“. Genau dieser Gedanke findet sich bei der Umsetzung der Hochwald-Saga wieder. Rahel von Bredow ist überzeugte Christin. Sie kommt darüber mit dem Oberförster, der den Glauben an Gott vor vielen Jahren aufgegeben hat, ins Gespräch. Auch andere Personen aus dem Buch sind Christen und beten oder reden über Gott. So wird der christliche Glaube im Roman konsequent, authentisch und unaufdringlich vermittelt.


    Wie es sich aus der Inhaltsangabe abzeichnet, sind die Hauptpersonen ungewöhnliche und gegensätzliche Charaktere. Neben Rahel und dem Oberförster gibt es mehrere Personen aus Freundeskreis und Verwandtschaft, die ebenfalls ausgeprägte Eigenschaften haben und mit ihren Marotten für Unterhaltung sorgen. Zugleich machen sie das Buch sehr komplex, da alle Ereignisse genau aufeinander abgestimmt sind.


    Insgesamt ein unterhaltsamer, spannender erster Teil einer Trilogie mit Jagd, Intrigen, Schmerz und Liebe. Band zwei sollte schon bereitliegen!

  • Das Leben hatte doch ohnehin keinen Reiz für ihn. Und wenn er heute Abend erschossen würde, wäre es eben vorbei, ewiger Schlaf, ewige Ruhe, und nichts weiter.
    Und doch hing er an diesem armseligen Leben, das ihm nur Enttäuschungen gebracht hatte.
    (Seite 185)
    „Albert, eine Wahrheit wird nicht dadurch unwahr, dass man sie verdrängt.“ (Seite 188)



    Meine Meinung


    Als mir dieses Buch vor längerer Zeit das erste Mal begegnete, erregte es meine Aufmerksamkeit, weil die Handlung in Schlesien angesiedelt ist. Zwar habe ich keinen direkten Bezug dorthin, aber mein Lieblingsschriftsteller Gustav Freytag stammte von dort. Grund genug, sich dieses Buch zuzulegen, zumal die Inhaltsangabe ebenfalls ansprach.


    Als ich das Buch jetzt wieder einmal in die Hand nahm, passierte es. Ich habe mich dermaßen festgelesen, daß ich es innerhalb weniger Tage durch hatte. Angesichts meiner immer noch andauernden Leseflaute ein gutes, ein ziemlich gutes Zeichen.


    Gut begann das Buch mit einem Vorwort (anstatt dem sonst üblichen Nachwort am Ende), in dem der Autor auf die seinerzeit gültigen Maße und Währung hinweist sowie einen groben Überblick über die politische Situation, in die die Handlung eingebettet ist, gibt. Auch eine Landkarte hilft bei der Einordnung ins damalige „Deutschland“.


    Mit dem Prolog wird man dann gleich mitten ins Geschehen hineingeworfen, das dramatischer nicht sein könnte. Nur wenige Bücher im Genre beginnen mit dem ersten Toten. Die eigentliche Handlung setzt dann rund zwanzig Jahre später ein, und langsam dämmert einem, wie die Zusammenhänge sind. Aber bis auch der Leser vollständig durchblickt, dauert es noch eine ganze Weile.


    Die „Gescheiterte Flucht“ ist der Debutroman von Michael Meinert, was man dem Plot nicht anmerkt. Selbst in eher ruhigen Szenen bleibt eine gewisse Restspannung erhalten, weil aus dem Hintergrund das Unheil droht. Geschickt wechselt der Autor immer wieder den Blickwinkel, so daß man als Leser über weite Strecken nicht sicher ist, wie sich so manches eigentlich verhält. Und wenn man dann den Figuren Wissen voraus hat, wird es um so unklarer, wie das Ganze denn nun ausgehen wird. Lediglich an manchen Stellen hatte ich das Gefühl kleinerer erzählerischer Unsicherheiten, wenn ich etwas als leicht „hölzern“ oder zu kurz erzählt empfand. Aber insgesamt tat das für mich dem Buch und dem Lesegenuß keinen Abbruch, haben mich manche Szenen und Geschehnisse doch an Ganghofer denken lassen. Vieles, bis hin zur teils immensen Dramatik, hätte dort auch vorkommen können - kein Wunder, die „Gescheiterte Flucht“ spielt im Gebirge, da sind manche Motive einfach immanent.


    Figuren wie Landschaft konnte ich mir gut vorstellen. Wir haben es hier mit dem eher seltenen Fall zu tun, daß die weibliche Hauptperson genau so beschrieben wird, wie sie auf dem Cover zu sehen ist. Auch von Albert Grüning und den übrigen Figuren hatte ich recht bald ein konkretes Bild im Kopf; nur mit dem schlesischen Dialekt klappte es nicht so, ist das Buch doch (zum Glück) in Hochdeutsch geschrieben. Immer wieder zum Schmunzeln brachte mich Franz Marwitz mit seinen recht zeittypischen Begriffen und Redewendungen. Es mag sein, daß mancher die Figuren als etwas einseitig empfinden mag, weil sie doch recht deutlich in ihren Eigenschaften gezeichnet sind. Allerdings sind sowohl die „Guten“ wie die „Schlechten“ in sich so schlüssig dargestellt, daß sie eigentlich gar nicht anders sein bzw. handeln können, wie es im Verlauf des Buches eben der Fall ist und etwas anderes nicht zu ihnen passen würde.


    Themen wie Glaube, Religion, Schuld und Vergebung spielen natürlich eine Rolle; wenn ich an manche Intrige hinter Behördenmauern denke fürchte ich, daß das heute prinzipiell nicht viel anders ist als damals. Ein Blick in aktuelle Tageszeitungen bestätigt das - leider - immer wieder. Manche Entwicklungen waren (da genretypisch) zu erwarten und ich wäre recht unangenehm überrascht gewesen, wenn ein paar Dinge nicht passiert wären. [sp]Ich meine hier zum Beispiel die Bekehrung des Albert Grüning. Sehr gut vorbereitet, nachvollziehbar und absolut glaubwürdig, aber eine der Stellen, von denen ich mir etwas ausführlichere Schilderung erwartet / erhofft hätte.[/sp] Schade auch, daß es am Ende dann (erzählerisch) relativ rasch ging. Nach einen so dramatischen Finale ist mir ein langsameres (lies: längeres) Ausklingen lieber.


    Nichtsdestotrotz habe ich das Buch äußerst gerne gelesen und schließlich zufrieden zugeklappt. Nach einer kurzen Pause (ein paar Stunden sollten genügen ;-) ) geht es dann mit dem Folgeband weiter, der Gott sei Dank schon im Regal steht.



    Kurzfassung


    Der Beginn einer teils dramatischen Familiensaga, die über mehrere Generationen angelegt ist und in den schlesischen Wäldern des 19. Jahrhunderts spielt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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